CIRSmedical: Krankentransport wird Reanimationsfall

10.02.2019 | Service


Vor einem Krankentransport erleidet der Patient noch während der Erstuntersuchung zu Hause einen Atem-Kreislauf-Stillstand. Defibrillator und Funkgerät müssen während der Reanimation erst aus dem Krankenwagen geholt werden.

An einem Wochenende wird die Rettung für den Routinetransport eines Patienten alarmiert. Weil sich sein Allgemeinzustand seit circa zwei Wochen verschlechtert, soll er zur Untersuchung ins Krankenhaus gebracht werden. Der Patient kann zuhause zunächst alle Fragen direkt beantworten; Messungen der Vitalparameter sind ohne Ergebnis. Während des Gesprächs erleidet er plötzlich einen Atem-Kreislauf-Stillstand. Sofortige Einleitung der CPR (zweimal ROSC). Aufgrund der ursprünglichen Einsatzmeldung und der Schilderung des Problems der Angehörigen vor Ort wurde auf die Mitnahme des Defibrillator verzichtet. Um den Defibrillator aus dem Wagen zu holen, musste die Strecke Rettungswagen – Einsatzort doppelt bewältigt werden, da der Wagen versperrt war und der Lenker den Schlüssel bei sich trug. Dadurch gingen laut dem meldenden Sanitäter etwa drei Minuten Zeit verloren – mit der Konsequenz, dass der Patient verstarb. Der Sanitäter mit mehreren Jahren Berufserfahrung erklärt, dass man die Zeit hätte halbieren können, wenn der Wagen nicht verschlossen gewesen wäre. Das NEF wurde von Kollegen via Notrufnummer während der CPR nachgefordert, gleichzeitig per Funk im Auto vom anderen Kollegen. Als besonders ungünstig beschrieb er, dass Funkgerät und Defibrillator nicht am Einsatzort waren. Bei der Einsatzmeldung handelte es sich um eine Routinemeldung, die gerade am Wochenende zum Großteil am Display erscheint. Der Ratschlag des Sanitäters: den Rettungswagen wenn möglich nicht zu versperren beziehungsweise allen Beteiligten einen Schlüssel für das Fahrzeug auszuhändigen.

Feedback des CIRS-Teams/Fachkommentar

  • Lösungsvorschlag bzw. Fallanalyse

Dieser Krankentransport hat sich zum Reanimationsfall entwickelt – das ist zwar sehr selten, wird aber immer wieder vorkommen und bleibt nicht vorhersehbar. Deshalb den Defibrillator zu jedem Patienten mitzunehmen, wird nicht lückenlos durchgeführt werden können – vor allem, wenn der Defibrillator im Krankenwagen und nicht in der mobilen Tasche/Rucksack untergebracht ist. In der Notfallrettung stellt sich diese Problematik meist nicht, da Defibrillator und Monitor beziehungsweise EKG in einem Gerät vereint sind. Aus der Beschreibung geht nicht hervor, ob überhaupt eine Defibrillation durchgeführt worden ist. Deshalb muss auch die Frage nach dem Schaden für den Patienten durch das Ereignis offen bleiben.

Offensichtlich ist der/die Falsche zum Holen des Defibrillators unterwegs gewesen – in einer Reanimationssituation verständlich, dass das Problem Fahrzeugschlüssel nicht bedacht/kommuniziert worden ist. Das Versperren von Einsatzfahrzeugen am Einsatzort ist aber mittlerweile vor allem in den Städten notwendige Praxis geworden; Entwendung von (Suchtgift-)Ampullen bis zum Wegfahren durch „Neugierige” haben sich ereignet. Dass von der Besatzung jeder einen (zusätzlich anzuschaffenden) Fahrzeugschlüssel bekommt, ist eine Kostenfrage und führt sicher laufend zu Schlüsselverlusten (auch wenn einige dann beim nächsten Dienst wieder gefunden werden).

Gefahren-/Wiederholungspotential: Unvermeidbar!

ExpertIn der KRAGES
(medizinisch-fachlicher Aspekt, Notfallmedizin)

  • Lösungsvorschlag bzw. Fallanalyse

Der genannte Lösungsvorschlag ist nicht sehr praktikabel und – abhängig von der Größe des Fuhrparks – auch kostenaufwendig. Jedem Teammitglied einen Fahrzeugschlüssel auszuhändigen, ist auch mit wiederkehrendem Verlust der Schlüssel und Ersatzbeschaffung verbunden. Besser ist es, auch im geplanten/organisierten Krankentransport im Team eine Absprache durchzuführen, was die Versorgungsstrategie anbelangt. Klare Zuständigkeiten und Aufgaben verteilen. Dabei ist für den Anlassfall auch das versperrte Fahrzeug (Dienstanweisung?) und das Nachholen von Medizinprodukten (wer?) zu berücksichtigen. Auch das Unerwartete muss immer erwartet werden. Bei einer Person mit einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes ist insbesondere im Bereich des Krankentransportes mit akuten – wenn auch seltenen – Zwischenfällen zu rechnen.

Sonstige Anmerkungen: Dieser Fall ist insofern interessant, weil bei einer Person (Alter?) mit einer Zustandsverschlechterung des Allgemeinzustandes (Vorerkrankung, Anamnese?) bei der Erhebung (Messung) aller Vitalparameter (welche? andere klinische Zeichen?) keine Ergebnisse dargestellt wurden. Nicht auszuschließen ist, dass das Team vorhandene, wenn auch dezente oder nicht erhobene klinische Zeichen ohne Berücksichtigung einer sorgfältigen Anamnese falsch interpretiert und ein akuter Zustand nicht erkannt wurde. Allerdings ist aufgrund der fehlenden detaillierten Fallbeschreibung keine seriöse Aussage dazu zu machen; der Problemfokus liegt beim versperrten Auto und dem damit verbundenen Zeitverlust. Fehleinschätzungen zum Patientenzustand durch Rettungs-/Notfallsanitäter sind wiederkehrende Probleme/Fehlerquellen im Rettungsdienst und Krankentransport.

ExpertIn des Arbeiter-Samariter-Bund
(Aspekt Qualitätsmanagement)

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2019