The­ra­pie Aktiv: Struk­tu­riert betreut

10.10.2019 | Politik


Seit 2019 kann das Dise­ase-Manage­ment Pro­gramm „The­ra­pie Aktiv – Dia­be­tes im Griff“ auch im Bur­gen­land abge­rech­net wer­den. Ent­lang einer Struk­tur arbei­ten und nichts über­se­hen – darin sieht der bur­gen­län­di­sche All­ge­mein­me­di­zi­ner Ger­hard Pay­rich die Vor­teile des Pro­gramms in der täg­li­chen Arbeit.

Sophie Fessl

„The­ra­pie Aktiv ist für mich defi­ni­tiv eine gute Sache!“, betont Ger­hard Pay­rich. Seit rund drei Jah­ren bie­tet der All­ge­mein­me­di­zi­ner im bur­gen­län­di­schen St. Andrä am Zick­see sei­nen Pati­en­ten das struk­tu­rierte Pro­gramm „The­ra­pie Aktiv – Dia­be­tes im Griff“ an. Die­ses Dise­ase-Manage­ment-Pro­gramm wurde im Jahr 2007 für Men­schen, die an Typ 2‑Diabetes lei­den, von der Sozi­al­ver­si­che­rung in Zusam­men­ar­beit mit der Öster­rei­chi­schen Dia­be­tes-Gesell­schaft ent­wi­ckelt. Mitt­ler­weile wird „The­ra­pie Aktiv“ von Ärz­ten in allen öster­rei­chi­schen Bun­des­län­dern ange­bo­ten, der Betreu­ungs­auf­wand in Form von Hono­rar­pau­scha­len vergütet. 

Vor der Ein­füh­rung von „The­ra­pie Aktiv“ im Bur­gen­land bot Pay­rich sei­nen Pati­en­ten bereits das „Dia­be­tes­mo­dell Bur­gen­land“ an, das bis 2013 eine spe­zi­elle Betreu­ung für Dia­be­ti­ker bot. „In mei­ner Ordi­na­tion habe ich mit dem Modell Bur­gen­land begon­nen. Als es aus­ge­lau­fen ist, wollte ich den Pati­en­ten auch wei­ter­hin eine struk­tu­rierte Betreu­ung anbie­ten“, berich­tet Pay­rich. Die Berech­ti­gung zur Teil­nahme am Pro­gramm „The­ra­pie Aktiv“ war durch die Mit­ar­beit am Modell Bur­gen­land gege­ben – und als Aus­bil­dung angerechnet.

Damit war Pay­rich einer der ers­ten Anbie­ter von „The­ra­pie Aktiv“ im Bur­gen­land, das seit 2019 auch im Bur­gen­land ver­re­chen­bar ist. Im Zuge von „The­ra­pie Aktiv“ bie­ten prak­ti­sche All­ge­mein­me­di­zi­ner sowie Fach­ärzte für Innere Medi­zin ihren Pati­en­ten regel­mä­ßige Unter­su­chun­gen und the­ra­peu­ti­sche Gesprä­che an. Ziel des Pro­gramms ist es, durch eine kon­ti­nu­ier­li­che und Evi­denz-basierte Betreu­ung von Pati­en­ten, die an Dia­be­tes mel­li­tus lei­den, die typi­schen Fol­ge­schä­den der Krank­heit zu ver­mei­den oder zumin­dest hinauszuzögern.

Und so läuft das Pro­gramm im Detail ab: Nach der Anmel­dung zum Pro­gramm erfolgt eine Erst­un­ter­su­chung mit stan­dar­di­sier­tem Doku­men­ta­ti­ons­bo­gen. Außer­dem ver­ein­ba­ren Arzt und Pati­ent indi­vi­du­elle, rea­lis­ti­sche The­ra­pie­ziele, die der Pati­ent errei­chen kann und möchte. Zur Aus­wahl ste­hen Gewicht, Tabak­kon­sum, Ernäh­rung, Blut­druck und HbA1c-Wert; die Ziele sind auf das Risi­ko­pro­fil des Pati­en­ten zuge­schnit­ten. Pas­sende Maß­nah­men, mit denen der Betrof­fene seine Erkran­kung ent­spre­chend beein­flus­sen kann, wer­den gemein­sam von Arzt und Pati­ent erar­bei­tet. Das Errei­chen der Ziele wird min­des­tens ein­mal im Jahr über­prüft; dazwi­schen gibt es regel­mä­ßige Unter­su­chun­gen. Augen­kon­trol­len, Fuß­un­ter­su­chun­gen und HbA1c-Bestim­mun­gen wer­den je nach Krank­heits­sta­dium in regel­mä­ßi­gen Abstän­den durchgeführt.

Keine Ein­schrän­kung der Freiheit

Für Pay­rich ist die struk­tu­rierte Her­an­ge­hens­weise an die lang­fris­tige Behand­lung sei­ner Pati­en­ten beson­ders wich­tig. „Die Unter­su­chun­gen und Bera­tun­gen sind genauso wie die im Modell Bur­gen­land, aber es ist jetzt vor­ge­ge­ben, wann wel­che Unter­su­chung durch­ge­führt wer­den soll. Es ist ähn­lich wie bei den Algo­rith­men in der Not­fall­me­di­zin. Ich arbeite ent­lang die­ser Struk­tur und kann damit nichts ver­ges­sen und nichts über­se­hen.“ Doch eine Ein­schrän­kung in der the­ra­peu­ti­schen Frei­heit sieht Pay­rich nicht. „Weder Pati­ent noch Arzt wer­den in ihrer Frei­heit ein­ge­schränkt. Der Pfad ist emp­foh­len, aber ich kann gemein­sam mit dem Pati­en­ten ent­schei­den, in wel­che Rich­tung wir gehen.“

Eine 2019 ver­öf­fent­li­che Eva­lu­ie­rung des Pro­gramms zeigte, dass in der Lang­zeit­be­ob­ach­tung das Mor­ta­li­täts­ri­siko in der Gruppe von Pati­en­ten, die an „The­ra­pie Aktiv“ teil­nah­men, um 30 Pro­zent nied­ri­ger war als in der Kon­troll­gruppe. „Ins­ge­samt sind Pati­en­ten sicher bes­ser betreut“, bestä­tigt Pay­rich. Anfangs wäre es oft not­wen­dig, den Pati­en­ten eine Angst vor struk­tu­rier­ten Pro­gram­men zu neh­men. „Pati­en­ten blo­cken zu Beginn gern ab und sind skep­tisch. Aber ich kann ihnen die Angst, dass sie durch die­ses Pro­gramm über­wacht wer­den, schnell neh­men.“ Die anfäng­li­che Angst kehre sich rasch um in eine gestei­gerte Moti­va­tion, die selbst gesteck­ten Ziele zu errei­chen. „Im Pro­gramm ist der Pati­ent bes­ser moti­viert als frü­her, denn er sieht selbst sei­nen Krank­heits­ver­lauf. Min­des­tens ein­mal im Jahr bespre­che ich mit dem Pati­en­ten den HbA1c-Wert, Gewicht und Blut­druck.“ Durch die Selbst­kon­trolle könne den Pati­en­ten bes­ser bewusst gemacht wer­den, wie sie selbst ihre Krank­heit beein­flus­sen kön­nen – und ob durch­ge­führte Maß­nah­men wirken. 

Admi­nis­tra­tive Erleichterung

Der admi­nis­tra­tive Auf­wand für die Durch­füh­rung von „The­ra­pie Aktiv“ hält Pay­rich für begrenzt. „Ich habe die Soft­ware für The­ra­pie Aktiv in meine Ordi­na­ti­ons-Soft­ware inte­griert und damit viel weni­ger Ver­wal­tungs­auf­wand und bekomme recht­zei­tig die Erin­ne­rung, wenn eine Kon­trolle not­wen­dig ist.“ Kommt ein Pati­ent in die Ordi­na­tion, wird er schon beim Ste­cken der E‑Card auf anste­hende Unter­su­chun­gen hin­ge­wie­sen. Auch auto­ma­ti­sche SMS-Erin­ne­run­gen oder E‑Mails wer­den ver­sandt. „Wenn wir die Tele­fon­num­mer eines Pati­en­ten haben, rufen wir an. So erfas­sen wir immer alle.“

Um an The­ra­pie Aktiv teil­zu­neh­men, müs­sen inter­es­sierte Ärzte eine Aus­bil­dung ent­we­der online oder als Prä­senz­schu­lung absol­vie­ren. Pay­rich kann die Teil­nahme am Pro­gramm emp­feh­len. „Wenn jemand inter­es­siert ist und mit einem struk­tu­rier­ten Pro­gramm zurecht­kommt, dann kann ich jedem nur raten, sich anzu­mel­den. Ich habe nur gute Erfah­run­gen damit gemacht!“

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 19 /​10.10.2019