Flächendeckend PVEs bis 2021: Ambitioniertes Ziel

25.04.2019 | Politik


Bis die für Österreich geplanten 75 Primärversorgungszentren umgesetzt sind, ist zwar noch Zeit – 2021 wird hier als Ziel angestrebt. Allerdings ist man davon noch weit entfernt.


In Wien gib es zwei Primärversorgungseinheiten (PVE), im übrigen Österreich sind es weitere 14 beziehungsweise stehen kurz vor der Eröffnung. Woran mangelt es? Und wie sieht es in den schon bestehenden PVE-Einrichtungen aus? Wolfgang Mückstein war mit seiner Gruppenpraxis für Allgemeinmedizin „Medizin Mariahilf“ von Anfang an mit dabei. Vorteil dieses Primärversorgungszentrums im sechsten Wiener Gemeindebezirk: Es hat sich aus einer Gruppenpraxis heraus entwickelt. Die darin tätigen Ärzte haben schon zuvor länger zusammengearbeitet. Mückstein: „Unsere Primärversorgungseinheit läuft gut. Mittlerweile haben wir 7.000 Patienten pro Quartal.“ Ratsam sei, eine Primärversorgungseinheit auf Basis einer bestehenden Gruppenpraxis zu etablieren, weil sich die Partner dann bereits kennen.

Mückstein fordert die Etablierung von Anreizsystemen: „Elemente, die einer Primärversorgungseinheit entsprechen wie etwa längere Öffnungszeiten oder wenn zusätzliche Gesundheitsberufe eingestellt werden, müssen zusätzlich honoriert werden.“ So gibt es zum Beispiel in Wien einen Bonus von zehn Prozent, wenn die Öffnungszeiten von 20 auf 25 Stunden verlängert werden und die Versorgungsrelevanz der entsprechenden Ordination damit erhöht wird. Mit 1. Juli 2019 wird in Wien die Zahl der Ordinationsstunden pro Woche um 1.000 Stunden angehoben. Die Kosten dafür übernehmen die Stadt Wien und die Sozialversicherung.

Schwellenängste vorhanden

Im Primärversorgungszentrum Haslach in Oberösterreich sind drei Allgemeinmediziner sowie Angehörige von anderen Gesundheitsberufen tätig, insgesamt 21 Mitarbeiter. Initiator Erwin Rebhandl dazu: „Unsere PVE läuft vom ersten Tag an sehr gut und wird von der Bevölkerung zu 100 Prozent akzeptiert. Am Beginn gab es einige organisatorische Herausforderungen, die sich aber nach wenigen Monaten eingespielt hatten. Wir sind alle sehr zufrieden mit unserer Teamarbeit.“ Allerdings gestaltete sich die Suche nach geeigneten Kollegen nicht einfach, wie Rebhandl erzählt. „Auf jeden Fall muss es persönlich passen. Abgesehen davon haben viele jüngere Kollegen Angst vor der Selbstständigkeit oder fühlen sich in ihrer medizinischen Ausbildung unsicher und haben sozusagen Schwellenangst, wobei gerade für diese die Zusammenarbeit mit einem älteren, erfahrenen Kollegen in einer PVE durchaus von Vorteil sein kann.“ Er fordert deswegen, dass hausärztliche Schwerpunkte in das Studium ebenso integriert werden wie Praktika in einer allgemeinmedizinischen Praxis, um die Tätigkeit der Hausärzte unmittelbar kennenzulernen.

Als ein weiteres Hindernis nennt Rebhandl das Ablösen von bestehenden Ordinationen, weiters persönliche und wirtschaftliche Gründe. Die Angehörigen der Generation 55+ könnten sich einen Wechsel von einer Einzelordination in eine PVE oft nur schwer vorstellen. Was nach Ansicht Rebhandls von Seite der politisch Verantwortlichen notwendig wäre: Die Gemeinden müssten geeignete Immobilien zur Verfügung stellen; auch müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen vereinfacht werden.

Ärzte-OG kooperiert mit SMZ Ost

Mit der „Primärversorgung Donaustadt – Primary Health Care“ (PHC) hat im September 2017 ein zweites Primärversorgungszentrum in Wien seine Pforten geöffnet. Die direkt gegenüber dem Krankenhaus Sozialmedizinisches Zentrum Ost (SMZ Ost) Wien gelegene Ärzte-OG betreut als Gruppenpraxis für Allgemeinmedizin mittlerweile fast 2.000 Patienten, die pro Quartal mindestens einmal die moderne Ordination aufsuchen. Regina Ewald, Hauptgesellschafterin des Ärztezentrums, betont: „Manche Patienten konsultieren uns auch dreimal pro Woche zur Wundversorgung oder Schmerztherapie“. Mit insgesamt neun Ambulanzen des nur 170 Meter entfernten Krankenhaus SMZ Ost besteht eine enge Kooperation. Die Wünsche und Vorschläge von Regina Ewald an die Politik, damit weitere Primärversorgungseinheiten etabliert werden können: eine dringend notwendigen Attraktivierung des Hausarztberufes, ein zeitgemäßer Honorarkatalog mit Honoraren, die an jene der Fachärzte anzupassen sind und den schon lange geforderten „Facharzt für Allgemeinmedizin“. Auch ist die Anstellung von Ärzten bei Ärzten von zentraler Bedeutung. Ewald dazu: „Die Anstellung kommt vielen jungen Kollegen entgegen, die vorerst keine langfristige Bindung und kein betriebswirtschaftliches Risiko eingehen möchten.“ Im Zuge der Turnusärzteausbildung wiederum sollte es auch noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein, sich für das Fach Allgemeinmedizin entscheiden zu können. „Der derzeitige Ausbildungsweg führt die jungen Kollegen schnurstracks in die Spezialisierung“, zeigt sich Ewald besorgt.

Auf den bevorstehenden Gesellschafterwechsel in der Ärzte-OG angesprochen meint Regina Ewald: „Zwei meiner Kolleginnen sind Notärztinnen und haben sich die Arbeit in einem Primärversorgungszentrum anders vorgestellt. Sie wollen wieder in ihren ursprünglichen Beruf zurück. Das ist legitim und zu akzeptieren.“ Die Ausschreibung für diese beiden Stellen ist derzeit in Gang. (hn)

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2019