Patientensicherheit: Sicherheitskultur auf allen Ebenen

10.10.2019 | Politik


Bei der Administration, bei den Simulationsmöglichkeiten und beim Personal besteht der größte Handlungsbedarf, wenn es um Patientensicherheit geht. Vor allem die Rahmenbedingungen für Ärztinnen und Ärzte müssten verbessert werden, betonten Experten anlässlich des Tages der Patientensicherheit, der am 17. September begangen wird.


Um Sicherheitskultur umzusetzen, bedarf es des täglichen Engagements aller Akteure im Gesundheitswesen“, betont die Präsidentin der Plattform Patientensicherheit und ärztliche Direktorin des Krankenhauses Hietzing in Wien, Brigitte Ettl. Bei einer Pressekonferenz in Wien, die im Rahmen des 5. Internationalen Tages der Patientensicherheit stattfand, machte Ettl auch auf die Bedeutung der Führungskräfte aufmerksam, die als gute Vorbilder Patienten- und Mitarbeitersicherheit im Alltag vorleben müssen. Für ÖÄK-Präsident Univ. Prof. Thomas Szekeres sind vor allem strukturelle Maßnahmen unumgänglich: „Wenn wir eine bessere Patienten-orientierte Versorgung haben wollen, müssen wir die Rahmenbedingungen für Ärztinnen und Ärzte verbessern“.

Strukturelle Herausforderungen

Großer Handlungsbedarf besteht bei der Administration, bei den Simulationsmöglichkeiten und beim Personal. „Die Ärztinnen und Ärzte sind zu stark durch administrative Tätigkeiten belastet“, so der ÖÄK-Präsident. Mehr Ressourcen werden benötigt, damit sich Ärzte auf ihre Kernarbeit konzentrieren können. Unerlässlich sei außerdem eine entsprechende medizinische Ausstattung in den Spitälern, damit Ärzte ihre Fähigkeiten in einer geschützten Umgebung perfektionieren können. Obwohl die Reduktion der Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden ein großer Schritt in Richtung Patientensicherheit war, wurde das Personal nicht aufgestockt, was laut Szekeres weiterhin Fehler begünstigt: „Die Folge ist eine hohe Arbeitsbelastung und starke Arbeitsverdichtung in Spitälern“.

Die potentiellen Fehlerquellen im Alltag sind vielfältig: mangelnde Kommunikation im Team, mit anderen Abteilungen oder anderen Berufsgruppen, Unterbrechungen, Ablenkungen und fehlendes Team-basiertes Training. „Das eigene Team sollte wissen, dass es mit allen Anliegen zu mir kommen kann“, betont Ettl. Und weiter: „Gute Kommunikation im Gesundheitswesen beinhaltet auch einen offenen Umgang mit Fehlern.“ Um die Kommunikation von Fehlern zu fördern, müssen bestimmte rechtliche Rahmenbedingungen angepasst werden, so das allgemeine Haftungsrecht und das Entschlagungsrecht für Riskmanager. „Die Österreichische Plattform für Patientensicherheit fordert daher einen umfassenden Schutz der Mitarbeiter durch den Arbeitgeber“, erklärt Hon. Prof. Gerhard Aigner vom Institut für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien. Aigner zur Rolle der Riskmanager: „Zu prüfen wäre etwa eine der Stellung von Mediatoren im Zivil- und Strafprozess vergleichbare Regelung.“

Dazu kommt eine starke Orientierung an den Fachdisziplinen. „Häufig wird über das Fach gesprochen und nicht fachübergreifend“, sagt Univ. Prof. Klaus Markstaller von der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie an der Medizinischen Universität Wien. „Am Schluss wirken alle Spezialisten auf einen Patienten und viele der Probleme der Patientensicherheit entstehen durch Interaktion zwischen verschiedenen Disziplinen“, warnt Markstaller. Um diesem Problem zu begegnen, werden zunehmend fächerübergreifende Zentren gebildet. Auch existierten technologische Möglichkeiten, die „wir lange noch nicht ausschöpfen“, betont Markstaller. In den nächsten Wochen soll ein Forschungsinstitut namens „Digital Health to Increase Patient Safety“ gegründet werden, das dem Transfer von innovativen, digitalen Techniken in die Gesundheitsprozesse dient – wie zum Beispiel mit Telemedizin ausgestattete Notarztwagen. Ziel dabei ist es, als Arzt mehr Zeit zu haben, mit den Patienten zu interagieren und für Sicherheit zu sorgen. Eine Task Force und Steuerungsgruppe der MedUni Wien und des AKH Wien soll bei Ärzten und Patienten das Bewusstsein schärfen sowie Best-Practice-Modelle entwickeln.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2019