LKH Natters: Kritik an Schließung

25.04.2019 | Politik


Die im Zuge des „Strukturplan Gesundheit 2025“ geplante Schließung des Landeskrankenhauses Natters stößt nicht nur in der Gemeinde, sondern vor allem auch bei Ärztekammer, Belegschaft und Belegschaftsvertretung auf massive Kritik. Unterstützung gibt es auch vom Transitforum; für Mai ist ein Protestmarsch anberaumt.

Ulrike Haider-Schwarz

Weit über die Tiroler Landesgrenzen hinaus ist das Krankenhaus Natters bekannt als funktionierende medizinische Versorgungseinheit in den Bereichen Innere Medizin, Lungenheilkunde und Anästhesie und genießt hervorragenden Ruf. Nun soll es geschlossen werden und die Leistungen der Sonderkrankenanstalt in andere Spitäler verlagert werden. Innsbruck soll künftig die Pulmologie, das LKH Hall die Nachversorgung und die Innere Medizin übernehmen. Das Vorhaben im Rahmen der Spitalsreform „Strukturplan Gesundheit 2025“ soll vor allem Kosten senken und stößt auf vehementen Widerstand aus allen Richtungen.

Die Spitalsreform der schwarz-grünen Landesregierung sieht die Reduktion der stationären Strukturen und die spitalsübergreifende Konzentration des Leistungsangebots vor mit dem Ziel, nicht ausgelastete Bettenkapazitäten einzusparen beziehungsweise in die Übergangspflege zu verschieben. Das bedeutet auch eine Reduktion von rund 200 Spitalsbetten und Schwerpunktverlagerungen des medizinischen Angebots. Unter anderem eben die Schließung des Krankenhauses Natters. Artur Wechselberger, Präsident der Ärztekammer für Tirol, spricht von einem „undurchdachten politischen Reflex, der den Beschluss der Zielsteuerungskommission vom Herbst 2018 umsetzen soll, ohne die damit einhergehenden Konsequenzen zu berücksichtigen.“ Sein Unverständnis über den Plan des Tiroler Gesundheitslandesrats Bernhard Tilg (ÖVP) bringt der Tiroler Ärztekammerpräsident klar zum Ausdruck: „Aus medizinischer Sicht ist die Schließung des Krankenhauses Natters völlig unverständlich“. Natters biete durch die Lage inmitten der Natur, mit guter Luftqualität die optimale Infrastruktur und Versorgungsqualität für Langzeitlungenkranke, schwer Bronchialkranke, für die Weiterbetreuung von Lungentransplantierten und für die Nachsorge nach der Akutphase von Karzinompatienten. „Das sind Voraussetzungen, die ein Klinikum in der Stadt nicht bieten kann.“ Ludwig Gruber, Obmann der Kurie Angestellte Ärzte in der Ärztekammer für Tirol, verweist auf das eingespielte Team in Natters, wo Internisten, Pulmologen und Anästhesisten „hervorragend zusammenarbeiten“, wie er betont.

Schwere Irritationen herrschen auch in St. Johann. Die dortige Pädiatrie soll nach Kufstein transferiert werden. Die Ärztekammer warnt in diesem Zusammenhang auch vor dem Verlust von Ausbildungsplätzen – sowohl in St. Johann als auch in Natters. „Natters und auch das Krankenhaus in St. Johann sind wichtige Ausbildungsstätten, die nun infrage gestellt werden. Wenn man Natters filetiert, ist eine pulmologisch-internistische Ausbildung in Westösterreich nur mehr schwer möglich. Die Kollegen in St. Johann schneiden bei der Ausbildungsevaluierung hervorragend ab, schreiben schwarze Zahlen und sollen jetzt nach Kufstein verlagert werden. Die Konsequenzen für die Ausbildung hat überhaupt niemand bedacht“, so Gruber. Außerdem bezweifelt er die Expertise des steirischen Unternehmens EPIG, das das Land Tirol in dieser Angelegenheit berät: „Im diesem Team ist kein einziger Arzt. Wir bezweifeln, dass der Input einer EPIG dem entspricht, was man bei einer so großen Reform erwartet.“

Wechselberger kritisiert vor allem auch die Tatsache, dass alles im „stillen Kämmerlein“ beschlossen wurde und keine seriösen Zahlen auf dem Tisch liegen: „Wir kennen kein Konzept dafür, wo die Verortung der verlagerten Abteilungen in den Kliniken sein soll, ob dadurch etwas anderes wegfallen könnte, ob etwas Neues gebaut werden soll.“ So mussten kürzlich 21 Betten der Kinderpsychiatrie aus Platzmangel von Innsbruck nach Hall verlegt werden, weswegen für Wechselberger „völlig unklar ist“ wie nun über 100 Betten der Natterer Pulmologie in Innsbruck Platz finden sollen – „von den Kosten für die Verlagerung und etwaige bauliche Erweiterungen ganz zu schweigen“. Das führe natürlich auch zu Irritationen schlimmster Art bei der Belegschaft und beim Umfeld. Wechselberger sieht in dieser Vorgangsweise ein „absolutes Negativbeispiel, wie man Versorgungsfragen löst: von der Diskussion über die Fehleinschätzung bis zur Kommunikation. Hier ist alles schief gelaufen, was schief laufen kann.“

Währenddessen macht die Belegschaft mobil, auch das Transitforum hat bereits
Maßnahmen ergriffen: Ein Flugzettel mit Informationen wurde erstellt und an die Tiroler Haushalte verteilt mit dem Aufruf, Natters nicht sterben zu lassen. Etwa 30.000 Unterschriften wurden laut Gruber bei einer Online-Petition und über Unterschriftenlisten bisher gesammelt; für Mitte Mai hat die Belegschaftsvertretung einen Protestmarsch anberaumt. Tilg hat den Mitarbeitern in Natters zwar eine Jobgarantie für die anderen Landes- und Bezirksspitäler gegeben, die Belegschaft gibt sich aber nicht ohne Weiteres geschlagen.

Nachnutzung

Die Entscheidung über Natters soll noch im Sommer fallen, der entsprechende Beschluss soll im Juli 2019 von der Zielsteuerungskommission des Landes Tirol gefasst werden. In das LKH Natters soll eine Pflegeeinrichtung für Personen unter 65 Jahren und pflegebedürftige Menschen mit Behinderung einziehen. Auch ein Angebot für Übergangs- und Kurzzeitpflege soll laut Tilg entstehen. Das soll Spitäler und pflegende Angehörige entlasten, so der Plan des Gesundheitslandesrates. Wechselberger dazu: „Das sind Reflexe, die in der Not aus dem Hut gezaubert werden, nach dem Motto ‚das Haus bleibt bestehen, es wird weiterhin bespielt und die Küche bleibt warm‘.“ Hier gehe es jedoch um ein Krankenhaus und die medizinische Versorgung, die Pflege sei ein anderes Thema. Natürlich könne man über eine an das Krankhaus angeschlossene Pflege oder auch den Vorschlag das ursprünglich in Wiesing angedachte Kinder-Reha-Zentrum anzuschließen, reden. „Aber das Eine kann das Andere nicht ersetzen“, betont Wechselberger, der im Übrigen davon überzeugt ist, dass rund um das Krankenhaus Natters „das letzte Wort noch nicht gesprochen ist“.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2019