E‑Zigaretten in den USA: Damp­fen statt rauchen

25.05.2019 | Politik


In den USA ist der Griff zur elek­tro­ni­schen Ziga­rette bei Jugend­li­chen extrem popu­lär gewor­den: Mehr als 3,6 Mil­lio­nen US-Teen­ager kon­su­mie­ren Dampf­zi­ga­ret­ten. Die­ser Boom bei E‑Zigaretten sorgt dafür, dass nach einer jah­re­lang rück­läu­fi­gen Ten­denz die Zahl der min­der­jäh­ri­gen Tabak­kon­su­men­ten wie­der gestie­gen ist.

Nora Schmitt-Sau­sen

E‑Zigaretten gal­ten einst als das Wun­der­mit­tel zur Rau­cher­ent­wöh­nung. Der Gebrauch der elek­tri­schen Ziga­ret­ten, bei dem nach dem Zie­hen Flüs­sig­keit ver­dampft, sei weit­aus weni­ger schäd­lich als das her­kömm­li­che Rau­chen, so die all­ge­meine Annahme. Einige Jahre spä­ter ist klar: Zwar haben die elek­tri­schen Ziga­ret­ten vie­len Rau­chern gehol­fen, die Fin­ger von der kon­ven­tio­nel­len Ziga­rette zu las­sen, doch die Ris­ken der elek­tri­schen Alter­na­tive wur­den wohl lange unter­schätzt. Denn auch die E‑Zigarette ent­hält schäd­li­ches Niko­tin. Und nicht sel­ten bil­det sie für Jugend­li­che den Ein­stieg in das tra­di­tio­nelle Rauchen. 

Beson­ders die Attrak­ti­vi­tät von E‑Zigaretten bei Jugend­li­chen ist in den USA der­zeit ein gro­ßes Pro­blem: Der Griff zur elek­tri­schen Ziga­rette ist inner­halb kur­zer Zeit extrem popu­lär gewor­den. Laut einer Ende 2018 ver­öf­fent­lich­ten Stu­die der bei­den Gesund­heits­be­hör­den Food and Drug Admi­nis­tra­tion (FDA) und den Cen­ters for Dise­ase Con­trol and Pre­ven­tion (CDC) grei­fen mehr als 3,6 Mil­lio­nen US-Teen­ager zur Dampf­zi­ga­rette. Das sind 1,5 Mil­lio­nen Schü­ler mehr als im Jahr zuvor. Die Ergeb­nisse des Natio­nal Youth Tob­acco Sur­veys zei­gen außer­dem: Die Schü­ler, die zur E‑Zigarette grei­fen, tun dies immer häu­fi­ger und kon­su­mie­ren zuneh­mend aro­ma­ti­sierte Flüs­sig­kei­ten. Der Blick auf die Details der Stu­die zeigt, wie alar­mie­rend die Zah­len sind: An US-ame­ri­ka­ni­schen Middle Schools, die Kin­der im Alter von elf bis 13 Jah­ren besu­chen, stieg der Kon­sum der Stu­die zur Folge um 48 Pro­zent. An High Schools mit Schü­lern von 14 bis 18 Jah­ren waren es sogar 78 Prozent.

Besorg­nis­er­re­gend ist auch ein wei­te­res Ergeb­nis der Erhe­bung: Der Boom bei E‑Zigaretten sorgt nach­weis­lich dafür, dass die Zahl der min­der­jäh­ri­gen Tabak­kon­su­men­ten erst­mals nach jah­re­lan­gem Rück­gang wie­der gestie­gen ist. Allein an High Schools hat der Gebrauch um 38 Pro­zent zuge­nom­men. „Diese neuen Daten zei­gen, dass sich Ame­rika einer Epi­de­mie beim E‑Zi­ga­ret­ten-Gebrauch von Jugend­li­chen aus­ge­setzt sieht, die droht, eine neue Gene­ra­tion in die Niko­tin­ab­hän­gig­keit zu stür­zen“, kom­men­tierte Gesund­heits­mi­nis­ter Alex Azar die Stu­di­en­ergeb­nisse. Die FDA kün­digte an, harte Maß­nah­men zu ergrei­fen, um dem Pro­blem Herr zu wer­den. Man werde nicht zulas­sen, dass eine Gene­ra­tion von Kin­dern durch E‑Zigaretten niko­tin­süch­tig werde, zitier­ten US-Medien FDA-Chef Scott Gottlieb.

Niko­tin in hoher Konzentration

Vor allem die Pro­dukte des Unter­neh­mens Juul Labs ste­hen in den USA in der Kri­tik. Und das aus meh­re­ren Grün­den: Die E‑Zigaretten des Unter­neh­mens ent­hal­ten Niko­tin in sehr hoher Kon­zen­tra­tion; weit­aus höher, als dies etwa in Europa erlaubt ist. Noch dazu hat das junge US-ame­ri­ka­ni­sche Start-up sein Pro­dukt cle­ver gestal­tet. Die Juul-E-Ziga­rette sieht aus wie ein USB-Stick und lässt sich wie ein sol­cher am Lap­top auf­la­den. Das Unter­neh­men hat dazu wohl­klin­gende Geschmacks­rich­tun­gen wie „Creme Brûlée“ oder „Mango“ auf den Markt gebracht, die den bei Jugend­li­chen wenig belieb­ten Tabak­ge­schmack über­tün­chen – und schon war ein neues, gefähr­li­ches Gim­mick für die US-ame­ri­ka­ni­schen Schul­höfe kre­iert. Das Ver­damp­fen der niko­tin­hal­ti­gen Aro­men ist unter ame­ri­ka­ni­schen Jugend­li­chen inzwi­schen so popu­lär, dass das Wort „juuling“ Ein­zug in den all­täg­li­chen Sprach­ge­brauch gefun­den hat. Da die Juul-E-Ziga­ret­ten kaum von USB-Sticks zu unter­schei­den sind, seien man­che Schu­len in den USA inzwi­schen so weit gegan­gen, sämt­li­che USB-Sticks zu ver­ban­nen, heißt es dazu in einer lan­gen im New Eng­land Jour­nal of Medi­cine ver­öf­fent­lich­ten Ana­lyse im Spät­som­mer 2018.

Juul hat sich inner­halb kur­zer Zeit an die Spitze des E‑Zi­ga­ret­ten-Mark­tes in den USA gesetzt. Laut einer im Okto­ber des Vor­jah­res ver­öf­fent­lich­ten Stu­die der CDC sind die Ver­käufe des Unter­neh­mens inner­halb eines Jah­res um 641 Pro­zent gestie­gen: 2016 ver­kaufte das Unter­neh­men 2,2 Mil­lio­nen E‑Zigaretten, im Jahr 2017 waren es 16,2 Mil­lio­nen. Juul Labs selbst betont stets, dass es in den Markt gegan­gen sei, um Erwach­sene von der tra­di­tio­nel­len Niko­tin-Ziga­rette zu entwöhnen.

Auf Druck der Behör­den hat das Unter­neh­men reagiert. Dazu gehört unter ande­rem die Ankün­di­gung, den Niko­tin-Gehalt in Juul-Ziga­ret­ten zu redu­zie­ren. Auch mit Blick auf das Bewer­ben der Marke und den Zugang für Min­der­jäh­rige will das Unter­neh­men künf­tig zurück­hal­ten­der sein. Mar­ke­ting und Ver­trieb sol­len umstruk­tu­riert wer­den, damit Jugend­li­che nicht mehr so leicht an die E‑Zigaretten und die ver­schie­de­nen Flüs­sig-Aro­men des Unter­neh­mens gelangen.

Kon­kret sol­len an den Han­del etwa nur noch Kar­tu­schen in den Geschmacks­rich­tun­gen Tabak, Minze und Men­thol aus­ge­lie­fert wer­den, die tra­di­tio­nell mehr von Erwach­se­nen kon­su­miert wer­den. Aro­men, die vor allem den Nerv der jun­gen Kon­su­men­ten tref­fen, sol­len nur noch über Inter­net erhält­lich sein. Aller­dings: Für den Kiosk und Tank­stel­len gilt der ein­ge­schränkte Ver­kauf wohl nicht. Grund­sätz­lich sol­len die Pro­dukte mehr aus dem Blick­feld der Jugend­li­chen ver­schwin­den und erst ab einem Alter von 21 Jah­ren erhält­lich sein – online wie auf der Straße.

Dass die FDA ledig­lich den Zugang zu aro­ma­ti­sier­ten Pro­duk­ten erschwert, diese aber nicht voll­stän­dig ver­bie­tet, war für viele Beob­ach­ter über­ra­schend. Der Druck aus der Gesell­schaft, aber auch aus der Poli­tik, mas­sive Schritte ein­zu­lei­ten, war groß gewor­den. Auch die FDA selbst pro­pa­gierte ein sol­ches Ver­bot lange Zeit. Ein voll­stän­di­ges Ver­bot hätte jedoch zu lan­gen juris­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen geführt, so die all­ge­meine Ein­schät­zung, zumal davon auch bei Erwach­se­nen beliebte Aro­men wie Men­thol betrof­fen gewe­sen wären.

Dass Juul Labs sich trotz der nicht erfolg­ten stren­ge­ren Restrik­tio­nen sei­tens der FDA über­ra­schend fle­xi­bel zeigt, hat – so die Ein­schät­zung von man­chen – mög­li­cher­weise auch noch einen ande­ren Grund: Vor eini­gen Wochen wagte das Start-up den Sprung über den Teich. Die elek­tri­schen Ziga­ret­ten des US-Unter­neh­mens sind nun auch in Europa erhältlich. 


Ent­wöh­nung mit E‑Zigaretten

Trotz der mas­si­ven Kri­tik an der wei­ten Ver­brei­tung von E‑Zigaretten unter Jugend­li­chen hal­ten die US-Gesund­heits­be­hör­den wei­ter grund­sätz­lich an ihrer Hal­tung fest, dass E‑Zigaretten eine gute Mög­lich­keit sind, erwach­sene Rau­cher von der tra­di­tio­nel­len Ziga­rette zu ent­wöh­nen. Die Rau­cher­ent­wöh­nung der US-Bevöl­ke­rung gehört zu einer der Public Health-Prio­ri­tä­ten der aktu­el­len Regie­rung. Die FDA selbst hatte die Tabak­in­dus­trie ermun­tert, weni­ger schäd­li­che Alter­na­ti­ven zur her­kömm­li­chen Ziga­rette zu ent­wi­ckeln. Die E‑Zigaretten gel­ten nach Ansicht der Behörde als geeig­ne­tes Mit­tel, um die Zahl von 480.000 Toten pro Jahr als Folge des Rau­chens zu reduzieren.

Bei der Rau­cher­ent­wöh­nung von Erwach­se­nen waren die USA schon vor der
Ein­füh­rung der elek­tri­schen Ziga­rette sehr erfolg­reich. Heute rau­chen in den USA so wenige Bür­ger wie nie zuvor: Von den 320 Mil­lio­nen Ein­woh­nern sind 34 Mil­lio­nen US-Bür­ger Raucher. 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2019