Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie: Ursa­che – meist inad­äquate Therapie

25.03.2019 | Medizin


Bei der Behand­lung der Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie geht es darum, die rich­tige Dia­gnose zu stel­len und sekun­däre Ursa­chen aus­zu­schlie­ßen. Wenn drei Behand­lungs­ver­su­che mit Sub­stan­zen in einer adäqua­ten Dosie­rung nicht erfolg­reich sind, spricht man von einer The­ra­pie-resis­ten­ten Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie. In den meis­ten Fäl­len ist sie auf eine inad­äquate The­ra­pie zurück­zu­füh­ren.

Laura Scher­ber

Für den Begriff The­ra­pie­re­sis­tenz bei Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie gibt es inter­na­tio­nal keine ein­heit­li­che Defi­ni­tion. In der Pra­xis spricht man von einer The­ra­pie-resis­ten­ten Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie, „wenn drei Behand­lungs­ver­su­che mit Sub­stan­zen in adäqua­ter Dosie­rung als Mono­the­ra­pie und/​oder als Kom­bi­na­ti­ons­the­ra­pie nicht erfolg­reich waren, wenn dabei into­le­ra­ble Neben­wir­kun­gen auf­ge­tre­ten sind oder die Prä­pa­rate auf­grund von ande­ren Erkran­kun­gen nicht ein­ge­nom­men wer­den kön­nen und die Schmer­zen wei­ter anhal­ten“, erklärt Priv. Doz. Gre­gor Bröss­ner von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Neu­ro­lo­gie der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Inns­bruck. Aus Erfah­rung weiß der Experte, dass in vie­len Fäl­len keine wirk­li­che The­ra­pie­re­sis­tenz vor­liegt, son­dern dass die Pati­en­ten bis­her keine adäquate The­ra­pie erhal­ten haben oder die Dosis nicht aus­rei­chend gestei­gert wurde. Die Dia­gnose „The­ra­pie­re­sis­tenz“ ist außer­dem schwie­rig, da der Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie unter­schied­li­che Ursa­chen zugrunde lie­gen kön­nen. „Bei der klas­si­schen Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie nimmt man an, dass die Kom­pres­sion, Ver­drän­gung und Schä­di­gung des Ner­vus tri­ge­mi­nus durch eine Gefäß­schlinge ursäch­lich ist“, erklärt Univ. Prof. Franz Faze­kas von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Neu­ro­lo­gie der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Graz. Der sym­pto­ma­ti­schen Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie liegt hin­ge­gen eine andere Erkran­kung zugrunde, die den Ner­vus tri­ge­mi­nus schä­digt, zum Bei­spiel durch Kom­pres­sion bei Vor­lie­gen eines Tumors oder durch Demye­li­ni­sie­rung bei Mul­ti­pler Skle­rose. „Die Folge der Ner­ven­schä­di­gung ist eine gestörte Erre­gungs­wei­ter­lei­tung und die Gene­rie­rung von fal­schen Erre­gungs­im­pul­sen, die zu die­sen elek­tri­sie­ren­den, ste­chen­den, ein­schie­ßen­den Schmer­zen füh­ren“, weiß Faze­kas. Trig­ger sind Berüh­run­gen oder Bewe­gun­gen des Gesichts, Wind­stöße oder Akti­vi­tä­ten wie Rasie­ren oder Zähne put­zen. Wich­tig ist laut Faze­kas auch vorab die Dif­fe­ren­zie­rung von ande­ren Erkran­kun­gen, die ähn­li­che Sym­ptome wie die Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie her­vor­ru­fen kön­nen wie zum Bei­spiel die Glos­so­pha­ryn­geus-Neur­al­gie, der Clus­ter-Kopf­schmerz oder Zahnschmerzen. 

The­ra­pie vor­wie­gend medikamentös

Die The­ra­pie der idio­pa­thi­schen Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie, bei der keine Ursa­che durch eine Ner­ven­schä­di­gung ersicht­lich ist, erfolgt vor­wie­gend medi­ka­men­tös. „Die First-Line-The­ra­pie sind Natri­um­ka­nal­blo­cker wie zum Bei­spiel Carb­am­aze­pin oder Oxcar­ba­ze­pin, wobei man eine zuneh­mende Modi­fi­ka­tion der The­ra­pie vor­neh­men kann“, erklärt Faze­kas. Mit­tel der zwei­ten Wahl sind Anti­kon­vul­siva wie Phe­ny­toin, das aller­dings auf­grund sei­ner Neben­wir­kun­gen immer weni­ger ver­wen­det wird; ebenso Gaba­pen­tin, Lamo­tri­gin und Leve­tir­acetam sowie ver­schie­denste andere Anti­epi­lep­tika oder beim neu­ro­pa­thi­schen Schmerz ein­ge­setzte Medi­ka­mente. Führt eine Mono­the­ra­pie zu kei­ner Bes­se­rung, kön­nen Kom­bi­na­ti­ons­the­ra­pien wirk­sam sein. „Die Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie zu behan­deln, heißt, die rich­tige Dia­gnose zu stel­len und sekun­däre Ursa­chen aus­zu­schlie­ßen“, erklärt Bröss­ner. Lie­gen der Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie sekun­däre Ursa­chen wie eine Mul­ti­ple Skle­rose, Neu­ri­nome (häu­fig Akus­ti­kus­neu­ri­nome), Angiome, Meta­sta­sen oder Hir­n­i­schä­mien zugrunde, erge­ben sich je nach Grund­er­kran­kung andere the­ra­peu­ti­sche Impli­ka­tio­nen. Wur­den sekun­däre Ursa­chen im Vor­feld aus­ge­schlos­sen, wird die medi­ka­men­töse Erst­li­ni­en­the­ra­pie so schnell wie mög­lich ein­ge­lei­tet und die adäquate Dosie­rung ermit­telt. Ziel dabei ist, dass der Betrof­fene so gut wie schmerz­frei wird. Die Gabe von Carb­am­aze­pin ist bei rund 90 Pro­zent der Pati­en­ten wirk­sam. In der Regel wer­den die Medi­ka­mente laut Bröss­ner nach etwa drei bis vier Wochen Schmerz­frei­heit redu­ziert; tre­ten Neben­wir­kun­gen auf, dann frü­her. „Wenn die Pati­en­ten unter mas­si­ven Schmer­zen lei­den, ist eine schnelle Auf­do­sie­rung not­wen­dig. In beson­ders schwe­ren Fäl­len muss auch eine sta­tio­näre Auf­nahme in Betracht gezo­gen wer­den“, betont Fazekas.

Auch bei der klas­si­schen Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie erfolgt die The­ra­pie pri­mär medi­ka­men­tös. Lässt sich durch bild­ge­bende Ver­fah­ren aber eine Schä­di­gung oder Ver­drän­gung des Nervs nach­wei­sen, kön­nen laut Faze­kas ent­spre­chende Ope­ra­tio­nen oder radio­chir­ur­gi­sche Maß­nah­men indi­ziert sein. „Da auch bei gesun­den Per­so­nen fast ein Drit­tel von einem Gefäß-Ner­ven-Kon­takt betrof­fen sind, wird für einen ope­ra­ti­ven Ein­griff gefor­dert, dass der Nerv ver­drängt sein muss bezie­hungs­weise atroph erschei­nen muss“, betont der Experte. 

Inva­sive Behandlungsstrategien

Pati­en­ten, die an einer The­ra­pie-resis­ten­ten Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie lei­den, haben die Mög­lich­keit, durch inva­sive Behand­lungs­stra­te­gien Schmerz­frei­heit zu erlan­gen. Drei Ver­fah­ren haben sich in die­sem Zusam­men­hang laut Bröss­ner eta­bliert: 1) die per­ku­tane Ther­mo­ko­agu­la­tion am Gan­glion Gas­seri; 2) die mikro­vas­ku­läre Dekom­pres­sion nach Jan­netta und 3) die radio­chir­ur­gi­sche Gamma-Knife-Behand­lung. Letz­tere hat aller­dings einen unter­ge­ord­ne­ten Stel­len­wert, da sie einen lang­sa­men Wir­kungs­ein­tritt hat (einige Wochen bis Monate), in Öster­reich nur ein­ge­schränkt ver­füg­bar ist und eine rela­tiv hohe Rück­fall­quote auf­weist. Im Rah­men der per­ku­ta­nen Ther­mo­ko­agu­la­tion am Gan­glion Gas­seri wer­den die schmerz­lei­ten­den Fasern geschä­digt, sodass die auf­tre­ten­den Ephap­sen keine Schmer­zen mehr aus­lö­sen. Die berüh­rungs­lei­ten­den Fasern blei­ben hin­ge­gen erhal­ten. Die­ses Ver­fah­ren kommt nur dann zum Ein­satz, wenn der zweite oder dritte Tri­ge­mi­nus-Ast betrof­fen ist, kann aber mehr­mals wie­der­holt wer­den. „Die Aus­sich­ten sind gut. Die initiale Erfolgs­quote liegt bei 90 Pro­zent und nach fünf Jah­ren sind noch etwa 50 bis 60 Pro­zent der Pati­en­ten schmerz­frei“, berich­tet Bröss­ner. In sel­te­nen Fäl­len (ein bis zwei Pro­zent) besteht die Gefahr einer Anaes­the­sia dolorosa.

Die zweite wich­tige, neu­ro­chir­ur­gi­sche Ope­ra­tion, die bei Vor­lie­gen eines Gefäß-Ner­ven-Kon­tak­tes ein­ge­setzt wird, ist die mikro­vas­ku­läre Dekom­pres­sion nach Jan­netta. Dabei wird zwi­schen Gefäß und Nerv eine Mem­bran ein­ge­zo­gen, sodass der Kon­takt unter­bun­den wird. Laut Bröss­ner liegt die initiale Erfolgs­quote bei 80 Pro­zent und nach zehn Jah­ren immer noch bei unge­fähr 60 Pro­zent. „Das schlech­teste, was die Pati­en­ten tun kön­nen, ist, zu Hause lei­den“, betont Bröss­ner. Schließ­lich handle es sich bei der Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie um eine sehr unan­ge­nehme, sehr ein­schrän­kende und ernst zu neh­mende Erkran­kung, „für die es aller­dings ein sehr gutes, mul­ti­mo­da­les stu­fen­sche­ma­ti­sches The­ra­pie­kon­zept gibt“, wie Bröss­ner betont. In der Regel kann durch den Ein­satz die­ses mul­ti­mo­da­len The­ra­pie­kon­zep­tes mit Medi­ka­men­ten bis hin zu inva­si­ven Ver­fah­ren bei sehr vie­len Pati­en­ten eine sehr gute Sym­ptom­kon­trolle erreicht wer­den; oft­mals auch Schmerz­frei­heit. Evi­denz-basierte Hin­weise zur Bedeu­tung von Lebens­sti­län­de­run­gen oder psy­cho­the­ra­peu­ti­schen Ver­fah­ren für die The­ra­pie der Tri­ge­mi­nus­neur­al­gie gibt es bis­her nicht.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 6 /​25.03.2019