Schmerzmittel in der Schwangerschaft: Adäquat dosieren

25.01.2019 | Medizin


Damit Schmerzmittel, die während der Schwangerschaft verabreicht werden, auch wirksam sind, muss wegen des erhöhten Verteilungsvolumens bei Schwangeren adäquat dosiert werden. Auch verbessert der kombinierte Einsatz von Paracetamol und Diclofenac die Wirksamkeit. Grundsätzlich gilt: so wenig wie möglich und so niedrig dosiert wie möglich.
Laura Scherber

Schmerzen, die direkt mit der Schwangerschaft assoziiert sind, treten vorwiegend während der frühen Schwangerschaftsphase in Form von Unterbauchschmerzen auf, wobei meist ein durch das Uteruswachstum hervorgerufener Dehnungsschmerz die Ursache dafür ist. Daneben können natürlich auch ganz normale, nicht mit der Schwangerschaft in Verbindung stehende Schmerzen wie Kopf-, Nacken- oder Verspannungsschmerzen auftreten, die durchaus medikamentös behandelt werden können. „Die Behandlung mit Schmerzmitteln während der Schwangerschaft ist grundsätzlich kein Problem. Allerdings sollte immer der Ursache für den Schmerz nachgegangen werden, weil auch Infektionen, infektionsbedingte Kontraktionen und Wehen Schmerzen auslösen können“, betont Univ. Prof. Herbert Kiss von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde Wien. Bei krampfartigen Schmerzen kann – in Analogie zur Behandlung von Wadenkrämpfen – Magnesium in Form von löslichem Granulat in der handelsüblichen Dosis auch gut wirksam sein, berichtet Kiss aus der Praxis.

Bei der Gabe von Schmerzmitteln während der Schwangerschaft ist grundsätzlich entscheidend, in welchem Trimenon sich die Schwangere befindet. Während die Gabe von nicht-steroidalen Antirheumatika im ersten und zweiten Trimenon laut Kiss unproblematisch ist, sind diese Schmerzmittel im dritten Trimenon beziehungsweise nach der 30. Schwangerschaftswoche kontrainduziert, da sie die Prostaglandinsynthese hemmen. Dadurch könnte es zu einem vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus Botalli kommen. Die vorzeitige Aufhebung des neonatalen Kreislaufs ist jedoch besonders bei Frühgeburten problematisch und sollte daher vermieden werden. Univ. Prof. Michael K. Herbert von der Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin Graz sieht die Gabe von Schmerzmitteln während der Schwangerschaft und Stillzeit eher kritisch. „Prinzipiell gilt während der Schwangerschaft und während der Stillzeit: so wenig Schmerzmittel wie möglich und so niedrig dosiert wie möglich“, beschreibt Herbert die Vorgangsweise. Dabei erweise es sich oft am besten, auf vermeintlich unspezifische Maßnahmen wie Kälte- oder Wärmeanwendungen, Wärmekissen, autogenes Training, Entspannungstechniken, ausreichend Bewegung oder Physiotherapie zurückzugreifen. Speziell die beiden letztgenannten Methoden seien besonders bei dem während der Schwangerschaft häufig auftretenden Kreuzschmerz anzuraten. „Es ist auch sehr wichtig, hier als Arzt beruhigend zu wirken, immer vorausgesetzt, dass es sich nicht um etwas Bedenkliches handelt, was das Hinzuziehen eines Gynäkologen notwendig macht“, betont Herbert. Dauern die Schmerzen – egal welcher Art – über einen längeren Zeitraum an, muss aber in jedem Fall ein Gynäkologe hinzugezogen werden, da auch schwerwiegende Ursachen hinter den Symptomen stehen können.

Schmerztherapie: abgestuftes Vorgehen

„Ist die Gabe von Schmerzmitteln während der Schwangerschaft unumgänglich, kann bei schwachen bis mittelstarken Schmerzen Paracetamol als Mittel der ersten Wahl in allen Trimena eingenommen werden“, erklärt Herbert. Obwohl Schwangere grundsätzlich von pharmakologischen Studien ausgeschlossen sind und es kaum kontrollierte Studien zur Verwendung von Analgetika während der Schwangerschaft gibt, ist Paracetamol mit einer guten Verträglichkeit assoziiert. Es liegen viele Erfahrungswerte dafür vor; nur selten sind Nebenwirkungen beschrieben, da Paracetamol rezeptfrei erhältlich ist. Ibuprofen und Acetylsalicylsäure als Mittel der zweiten Wahl und Metamizol als Reservemittel sind hingegen nur für das erste und zweite Trimenon empfohlen – bei gelegentlicher Einnahme. „Mit Acetylsalicylsäure während der Schwangerschaft niedrig dosiert gibt es sehr viele Erfahrungswerte zur Unbedenklichkeit in der Schwangerschaft“, weiß Kiss. „Aspirin reduziert das Risiko eine Präeklampsie zu entwickeln und wird daher bei bestimmten Risiko-Konstellationen langfristig angewendet.“

Damit Schmerzmittel, die während der Schwangerschaft verabreicht werden, auch wirksam sind, muss adäquat dosiert werden. „Statt der üblichen Gabe von 500 Milligramm Paracetamol sind während der Schwangerschaft höhere Dosierungen notwendig wie 1.000 Milligramm oder dreimal 1.000 Milligramm, da Umsatz und Verteilungsvolumen in der Schwangerschaft erhöht sind“, erklärt Kiss. Außerdem habe sich herausgestellt, dass die Kombination von Schmerzmitteln – vor allem jene von Paracetamol und Diclofenac – die Wirksamkeit verbessere und daher in der Schwangerschaft gerne eingesetzt werden.

Reicht die Gabe von Paracetamol und Ibuprofen nicht aus – etwa bei mittelstarken und starken Schmerzen – ist Tramadol „Mittel der ersten Wahl“ (Herbert), das in allen drei Trimena gegeben werden kann. Mittel der zweiten Wahl ist Buprenorphin, der dritten Wahl Pethidin. „Bei Opioid-Analgetika muss man bedenken, dass bei Gabe über einen längeren Zeitraum Entzugssymptome beziehungsweise ein Abhängigkeitssyndrom beim Neugeborenen hervorgerufen werden können, da die Wirkstoffe während der Schwangerschaft ja auch auf das Kind übergehen“, betont der Experte. Auch Kiss hebt hervor, dass die bei Schmerz in der Schwangerschaft indizierten Analgetika auf eine kurzzeitige Therapie angelegt sind. Sollte eine Langzeittherapie mit Schmerzmitteln während der Schwangerschaft notwendig sein, ist in jedem Fall ein Gynäkologe aufzusuchen. Auch beim Auftreten von neuropathischen Schmerzen und anderen seltenen Arten von Schmerzen sollte die Frau an einen Gynäkologen verwiesen werden – „sofern man nicht ausschließen kann, dass es sich nur um belanglose Schmerzen handelt“, unterstreicht Herbert. Bei neuropathischen Schmerzen gilt Amitriptylin während aller drei Trimena als Mittel der ersten Wahl, Lamotrigin als Mittel der zweiten Wahl und bei Migräne nur gelegentlich Sumatriptan.

Analgetika in der Stillzeit

Grundsätzlich sollte auch in der Stillzeit versucht werden, möglichst ohne Medikamente auszukommen, da via Muttermilch immer auch das Kind „automatisch mitbehandelt wird“, hebt Herbert hervor. Ist eine Einnahme notwendig, „gelten bei schwachen bis mittelstarken Schmerzen während der Stillzeit Ibuprofen und Paracetamol als Mittel der ersten Wahl. Die gelegentliche Einnahme von Acetylsalicylsäure ist Mittel der zweiten Wahl und ebenfalls gelegentliche Einzeldosen von Metamizol (Reservemittel) als Mittel der dritten Wahl, wenn keine andere Therapieoption zur Verfügung steht“, erklärt der Experte. Reichen bei starken Schmerzen Ibuprofen und Paracetamol nicht aus sind die Substanzen zu verabreichen, die auch bei der Schwangerschaft zum Einsatz kommen: Tramadol als Mittel der ersten Wahl, gefolgt von Morphin, Buprenorphin und Pethidin. „Fazit für die Praxis: nach der Geburt und im Wochenbett beziehungsweise während des Stillens ist in erster Linie die Anwendung von Paracetamol und/oder Ibuprofen empfohlen“, so Kiss.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2019