Medi­zi­ni­sche Kurz­mel­dun­gen: Kurz und informativ

10.04.2019 | Medizin


Pro­bio­tika: Resis­ten­zen nach­ge­wie­sen

Eine israe­li­sche For­scher­gruppe um Eran Eli­nav und Leo­poldo Segal unter­suchte, in wel­chem Aus­maß Pro­bio­tika den mensch­li­chen Darm besie­deln kön­nen und wel­che Effekte sie dort erzie­len. Die erste Stu­die umfasste 19 gesunde Pro­ban­den. Die Inter­ven­ti­ons­gruppe erhielt zwei­mal täg­lich vier Wochen hin­durch ein elf­stäm­mi­ges Pro­bio­tika-Sup­ple­ment; die Kon­troll­gruppe ein Pla­cebo. Unter­sucht wur­den unter ande­rem Stuhl­pro­ben sowie die im Zuge einer Darm­spie­ge­lung ent­nom­me­nen Pro­ben und Biop­sien. Die Pro­ban­den, die Pro­bio­tika erhiel­ten, wur­den in „tole­rant“ (signi­fi­kante Zunahme der pro­bio­ti­schen Stämme) und „resis­tent“ (keine Kolo­ni­sa­tion im Darm) ein­ge­teilt. Fazit: Der Darm eini­ger Men­schen ist resis­tent gegen­über einer pro­bio­ti­schen Kolo­ni­sa­tion. In der zwei­ten Stu­die unter­such­ten die Wis­sen­schaf­ter die Wirk­sam­keit von Pro­bio­tika nach einer Anti­bio­ti­ka­the­ra­pie. Hier war kei­ner der Pro­ban­den, die ein Pro­bio­ti­kum erhiel­ten, resis­tent gegen­über einer Kolo­ni­sa­tion. Aller­dings dau­erte der Wie­der­auf­bau der gesun­den Darm­flora in der Pro­bio­tika-Gruppe län­ger als bei den Pro­ban­den in der Kon­troll­gruppe, die eine Stuhl­trans­plan­ta­tion erhal­ten hat­ten.
ÖAIE/​JAMA

Oxi­da­tiver Stress steu­ert Schlaf

Mit der Frage, warum jedes Lebe­we­sen, das ein Gehirn hat, schla­fen muss, beschäf­tigt sich der öster­rei­chi­sche Neu­ro­wis­sen­schaf­ter Gero Mie­sen­böck von der Uni­ver­si­tät Oxford schon seit Jah­ren. So konnte er in frü­he­ren Arbei­ten zei­gen, dass es bei der Frucht­fliege einen spe­zi­el­len Satz von zwei Dut­zend Neu­ro­nen zur Schlaf­kon­trolle gibt. Sie kom­men auch bei ande­ren Tie­ren vor; man nimmt an, dass es sie auch beim Men­schen gibt. Sind diese Neu­ro­nen elek­trisch aktiv, schläft die Fliege; sen­den sie keine elek­tri­schen Impulse, ist die Fliege wach. Ent­schei­dend ist, wie­viel Strom durch zwei Ionen­ka­näle der Schlaf-indu­zie­ren­den Neu­ro­nen fließt. Die Wis­sen­schaf­ter bezeich­nen diese Ionen­ka­näle „Shaker“ und „Sand­man“. Im Schlaf fließt der meiste Strom durch den „Shaker“. Die For­scher um Mie­sen­böck konn­ten nun zei­gen, dass ein an den „Shaker“ gebun­de­nes Mole­kül, ein Kofak­tor, dar­über ent­schei­det, ob durch die­sen Kanal Strom fließt. Die­ses Mole­kül wie­derum exis­tiert che­misch in zwei Zustän­den: redu­ziert und oxi­diert. Mie­sen­böck: „Wäh­rend des Wach­seins wird der Kofak­tor durch den oxi­da­tiven Stress, dem die Neu­ro­nen aus­ge­setzt sind, zuneh­mend oxi­diert“. Der Anteil der oxi­dier­ten Form ist dem­nach auch ein mole­ku­la­res Maß für die Müdig­keit. Der durch den „Shaker“-Kanal flie­ßende Strom hängt davon ab und lässt die Fliege ein­schla­fen – wenn ein gewis­ser Schwel­len­wert erreicht ist. Wäh­rend des Schlafs wird das oxi­dierte Mole­kül durch die redu­zierte Form aus­ge­tauscht, bis die Fliege erwacht.
APA/​Nature

Psy­cho­sen durch täg­li­chen Cannabiskonsum

Fast bis auf das Fünf­fa­che kann das Risiko für Psy­cho­sen nach dem häu­fi­gen Kon­sum von hoch poten­tem Can­na­bis stei­gen. Zu die­sem Ergeb­nis kom­men For­scher um Marta Di Forti vom King’s Col­lege Lon­don in einer gro­ßen Beob­ach­tungs­stu­die. Unter­sucht wur­den 901 Men­schen zwi­schen 18 und 64 Jah­ren, die von 2010 bis 2015 wegen einer Psy­chose-Epi­sode in einem von elf Zen­tren behan­delt wur­den. Als Kon­troll­gruppe dien­ten Infor­ma­tio­nen von 1.237 Men­schen ohne Psy­cho­sen der jeweils loka­len Bevöl­ke­rung. Bei Betrof­fe­nen wurde der Can­na­bis­kon­sum erho­ben und nach dem THC-Gehalt zwei Grup­pen gebil­det (klei­ner oder mehr als zehn Pro­zent). Fazit: Täg­li­cher Can­na­bis­kon­sum war mit einem 3,2‑fach höhe­ren Risiko für Psy­cho­sen ver­bun­den als bei Nicht-Kon­su­men­ten; bei hoch poten­tem Can­na­bis war es sogar fünf­fach höher. Könnte man den Kon­sum von hoch poten­tem Can­na­bis ein­stel­len, würde die Psy­cho­serate rech­ne­risch um 12,2 Pro­zent sin­ken. Schät­zun­gen zufolge ste­hen etwa in Ams­ter­dam rund 43 Pro­zent der neuen Psy­chose-Erkran­kun­gen mit täg­li­chem Can­na­bis­kon­sum in Zusam­men­hang.
APA/​Lancet Psychiatry

Desi­gner-Babys: For­scher for­dern Verzicht

Einen welt­wei­ten befris­te­ten Ver­zicht der Schaf­fung von Desi­gner-Babys mit gen­tech­ni­schen Metho­den wie bei­spiels­weise mit der Gen­schere CrisprCas9 for­dern Bio­wis­sen­schaf­ter und Ethi­ker aus sie­ben Län­dern. Solange die Sicher­heit der Tech­nik nicht erwie­sen und ethi­sche sowie gesell­schaft­li­che Fra­gen nicht geklärt seien, soll­ten alle Natio­nen von der kli­ni­schen Anwen­dung sol­cher Keim­bahn­ein­griffe abse­hen. Aus­schlag gebend für den Auf­ruf war im Vor­jahr die Geburt von zwei Babys, deren Genom ein chi­ne­si­scher Wis­sen­schaf­ter mani­pu­liert haben will. Emma­nu­elle Char­pen­tier, Direk­to­rin des Ber­li­ner Max-Planck-Insti­tuts und Pio­nie­rin der Crispr-For­schung, ist eine der Initia­to­ren die­ses Mora­to­ri­ums.
APA/​Nature


Rou­tine-CT nach Hirn­blu­tung ohne Nutzen

Wird ein Sub­du­ral­hä­ma­tom chir­ur­gisch ver­sorgt, bringt das anschlie­ßende Rou­tine-CT kei­nen kla­ren Nut­zen für den Pati­en­ten. Zu die­sem Ergeb­nis kom­men Wis­sen­schaf­ter um Phil­ippe Schucht vom Insel­spi­tal Bern. Von 350 Betrof­fe­nen wurde eine Hälfte mit­tels CT unter­sucht, die andere Hälfte nur kli­nisch nach­un­ter­sucht. Diese Gruppe wies sogar Vor­teile auf: Sie hat­ten weni­ger Folge-Ope­ra­tio­nen, weni­ger Kom­pli­ka­tio­nen und in der Folge auch gerin­gere Behand­lungs­kos­ten. Beim CT würde oft noch Rest­blut ent­deckt, was Ärzte zu wei­te­ren Ein­grif­fen ver­leite, so Schucht. Bei den meis­ten Betrof­fe­nen baut der Kör­per jedoch die­ses Rest­blut mit der Zeit ab.
APA/​NEJM

Gehirn „hört“ Vibrationen

Gen­fer For­scher haben im Tier­ver­such unter­sucht, was bei der Wahr­neh­mung von Vibra­tio­nen im Gehirn pas­siert. Dafür leg­ten sie Vibra­tio­nen mit ver­schie­de­nen Fre­quen­zen an die Vor­der­pfote der Mäuse an. Mit­hilfe der Zwei-Pho­to­nen-Mikro­sko­pie beob­ach­te­ten die For­scher den soma­to­sen­so­ri­schen Kor­tex und sahen in den Codie­rungs­mus­tern eine Ähn­lich­keit zum audi­to­ri­schen Kor­tex. Ein­zelne Neu­ro­nen reagier­ten nur auf bestimmte Kom­bi­na­tio­nen von Fre­quenz und Ampli­tude – wobei Mäuse nicht unter­schei­den kön­nen, ob es sich um eine tiefe Fre­quenz mit hoher Ampli­tude oder umge­kehrt han­delt. Dies sei der glei­che psy­cho­akus­ti­sche Effekt wie im audi­to­ri­schen Sys­tem. Obwohl Schall­wel­len und Vibra­tio­nen in ver­schie­de­nen sen­so­ri­schen Kanä­len ver­ar­bei­tet wer­den, wer­den sie im Gehirn sehr ähn­lich codiert.
APA/​Nature

Bro­ken Heart Syn­drom: Ursprung im Gehirn

Ein For­schungs­team um Chris­tian Temp­lin und Lutz Jän­cke vom Uni­ver­si­täts­spi­tal Zürich konnte nach­wei­sen, dass das Gehirn beim „Takot­subu-Syn­drom“ (Bro­ken Heart Syn­drom) eine Rolle spielt. Die­ses Syn­drom tritt vor allem bei Frauen auf und folgt meist auf große emo­tio­nale Belas­tung wie Trauer, Wut, Angst oder Freude. Die Wis­sen­schaf­ter unter­such­ten das Gehirn von 15 Betrof­fe­nen und 39 Gesun­den mit­tels MRT. Dabei han­delte es sich kon­kret um Regio­nen, die zwar räum­lich getrennt, aber funk­tio­nell ver­bun­den sind: Amyg­dala, Hip­po­cam­pus und Gyrus cin­g­uli, die Emo­tio­nen, Moti­va­tion, Ler­nen und Gedächt­nis kon­trol­lie­ren. Amyg­dala und Gyrus cin­g­uli sind außer­dem in der Kon­trolle von unbe­wuss­ten Kör­per­funk­tio­nen wie Herz­schlag invol­viert und regu­lie­ren die Ant­wort des Kör­pers auf Stress. Die Wis­sen­schaf­ter konn­ten nach­wei­sen, dass bei der als Takot­subu bezeich­ne­ten Herz­schwä­che diese Hirn­areale schlech­ter kom­mu­ni­zie­ren als bei Gesun­den.
APA/​European Heart Journal

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 7 /​10.04.2019