Inter­view Johan­nes Stein­hart: „Aus­wüchse sind nicht zu tolerieren“

25.06.2019 | Aktuelles aus der ÖÄK


Johan­nes Stein­hart, Vize­prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer und Bun­des­ku­ri­en­ob­mann der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte, fin­det im Inter­view klare Worte zu den sen­si­blen Pro­blem­fel­dern rund um Online-Bewer­tun­gen, die der­zeit in der Ärz­te­schaft ver­stärkt für Unruhe sor­gen.

Sascha Bunda

Herr Dr. Stein­hart, wie ist Ihre Ein­stel­lung zu Bewer­tungs­por­ta­len? Ich finde die Idee prin­zi­pi­ell gut, den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten Ori­en­tie­rung im Gesund­heits­we­sen zu bie­ten. Lei­der müs­sen wir aber eine Ten­denz fest­stel­len, dass durch die Ver­mi­schung von Infor­ma­tion und Wer­be­an­ge­bo­ten ver­mehrt Schind­lu­der auf dem Rücken der Ärz­te­schaft und zum Leid­we­sen des Arzt-Pati­en­ten-Ver­hält­nis­ses getrie­ben wird. Sol­che Aus­wüchse sind nicht zu tole­rie­ren. Der gute Ruf eines Arz­tes ist keine Ware, die zum Ver­kauf steht. Jede Ärz­tin und jeder Arzt hat das Recht, auch ohne finan­zi­elle Zuwen­dun­gen fair bewer­tet zu werden.

Was macht den Umgang mit Online-Bewer­tun­gen aus Ihrer Sicht so schwie­rig? Es fehlt an allen Sei­ten an Trans­pa­renz. Durch die Anony­mi­tät des Inter­nets kann weder ernst­haft nach­voll­zo­gen wer­den, ob der Rezen­sent über­haupt in der betref­fen­den Pra­xis war oder ob andere Motive hin­ter sei­ner Äuße­rung ste­cken. Oft wis­sen wir auch nicht, wie Bewer­tungs­por­tale mit den Bewer­tun­gen umge­hen und wie das Bewer­tungs­ver­fah­ren, von dem in der Folge eine Menge abhängt, abläuft. Zudem kön­nen Online-Bewer­tun­gen ein rie­si­ges Publi­kum errei­chen und damit viel Scha­den anrich­ten. Das kann mit­un­ter schwere finan­zi­elle Kon­se­quen­zen für eine Ordi­na­tion haben. Die recht­li­che Hand­habe ist dage­gen deut­lich auf­wen­di­ger und lang­wie­ri­ger als die paar Sekun­den, die es dau­ert, um kurz sei­nen Emo­tio­nen im Inter­net freien Lauf zu las­sen. Dazu ist es im Inter­net schwer, die­sen Geist wie­der in die Fla­sche bezie­hungs­weise die Pos­tings wie­der aus dem Netz zu bekom­men.

Wel­che Pro­blem­fel­der sehen Sie noch? Lei­der doch noch einige: Das Arzt-Pati­en­ten-Ver­hält­nis ist eine der Bezie­hun­gen zwi­schen zwei Men­schen, die ohne Ver­trauen nicht funk­tio­nie­ren kön­nen. Wenn Pati­en­ten mit nega­ti­ven Rezen­sio­nen oder Online-Kam­pa­gnen gegen ihren Arzt dro­hen, um sich Vor­teile zu ver­schaf­fen, dann ist nicht nur die­ses Ver­hält­nis zer­stört, wir bewe­gen uns dann auch schon im Bereich von Cyber-Mob­bing. Ange­sichts des – wie wir fest­ge­stellt haben – sub­jek­tiv stei­gen­den Aggres­si­ons­po­ten­zi­als in Ordi­na­tio­nen und Spi­tä­lern ist das eine sehr beun­ru­hi­gende Ent­wick­lung. Wei­ters sollte man sich genau anse­hen, wenn der Ein­trag bei einem Bewer­tungs­por­tal in den Such­ma­schi­nen deut­lich höher gelis­tet wird als die eigene Ordi­na­ti­ons-Home­page. Unsere Ärzte geben für ihre Home­pages eige­nes, schwer erar­bei­te­tes Geld aus und soll­ten nicht mit spe­zia­li­sier­ten Inter­net-Por­ta­len um die Deu­tungs­ho­heit über ihre Ange­bote kämp­fen müssen.

Was kön­nen Sie Kol­le­gen raten, die sich ver­un­si­chert füh­len oder bereits ein kon­kre­tes Pro­blem mit Bewer­tungs­por­ta­len haben? Auf jeden Fall einen kla­ren Kopf behal­ten und nicht unüber­legt han­deln. Die Ärz­te­kam­mern kön­nen als Wah­rer der Rechte der Ärz­te­schaft Hil­fe­stel­lung leisten.

Haben Sie selbst schon nega­tive Erfah­run­gen mit der The­ma­tik gemacht? Per­sön­lich noch nicht, aus mei­nem Umfeld wer­den mir aber natür­lich Erfah­rungs­be­richte zuge­tra­gen. Dar­un­ter sind auch ernst­hafte Pro­blem­stel­lun­gen. Wir mer­ken gene­rell, dass der gesamte The­men­be­reich mit viel Unruhe und Infor­ma­ti­ons­be­darf ver­bun­den ist. Die in den kom­men­den Wochen lau­fende ÖÄZ-Serie zu die­sem hei­ßen Eisen soll da etwas Abhilfe verschaffen.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 12 /​25.06.2019