Online-Bewertungen: Digitale Mundpropaganda

25.06.2019 | Aktuelles aus der ÖÄK


In einer neuen Serie will die Österreichische Ärztekammer Aufklärung rund um das Thema Internet-Bewertungen und Bewertungsportale liefern.

Sascha Bunda

Bewertungen haben eine lange Tradition in der Menschheitsgeschichte: Schon aus dem antiken Pompeji sind uns Wandinschriften überliefert, in denen den Passanten Vorzüge und Nachteile von diversen Gaststätten geschildert werden. Aber nie zuvor war es leichter, so kostengünstig ein großes Publikum mit seinen Meinungen und Ansichten zu erreichen, als im heutigen Zeitalter des Internets. Zum Nulltarif kann jedermann der ganzen Welt mitteilen, was er von einem Thema oder einem Produkt hält. In dieser schönen neuen Bewertungsgesellschaft, deren Währung Likes, Sterne und Herzen sind, ist aber bei Produkten noch lange nicht Schluss. Auch Dienstleistungen und die dahinterstehenden Dienstleister werden auch heutzutage wieder munter bewertet. Der menschlichen Natur entsprechend handelt es sich bei den meisten Bewertungen um Impulsbewertungen, wenn eine Erfahrung besonders positiv oder negativ ausgefallen ist. Während positive Bewertungen eine ausgezeichnete Werbung für selbstständig Tätige sind, können auf der anderen Seite negative Kommentare schwerwiegende unternehmerische Konsequenzen mit sich bringen, deren Ursache – nach der Richtline: „Das Internet vergisst nichts“ – sich nur schwer wieder aus der (digitalen) Welt schaffen lässt. Da die Hemmschwelle online durch die scheinbare Anonymität der Virtualität niedriger ist, lassen unzufriedene Kunden ihren Gefühlen oft völlig freien Lauf – ohne sich der Tatsache bewusst zu sein, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist.

Dazu kommen weitere Motive, schlechte Bewertungen abzugeben: Rache- oder Fakebewertungen ohne wirklich vor Ort gewesen zu sein, aber auch negative Rezensionen als Mittel, um einem unliebsamen Konkurrenten zu schaden. Auch dies sind große Problemfelder im Bereich der Bewertungen.

Der hohe Werbeeffekt hat dafür gesorgt, dass Bewertungsportale zudem ein großes Geschäftsfeld geworden sind. Premiumpakete versprechen etwa eine höhere Sichtbarkeit im Internet und mehr Patienten. Immer wieder gibt es aber auch Vorwürfe, dass zahlende Teilnehmer sich mit ihrem finanziellen Beitrag bessere Bewertungen kaufen könnten, negative Bewertungen würden von den Plattformen mehr unterdrückt. Dieses Spiel einiger schwarzer Schafe funktioniert auch in die andere Richtung: In den vergangenen Monaten häuften sich Vorkommnisse, bei denen Unternehmer aufgefordert wurden, Geld zu bezahlen, um schlechte Bewertungen zu vermeiden.

Umgang mit negativen Bewertungen

Entsprechend ernst und verunsichernd ist das Thema Bewertungen und Bewertungsportale auch für die Ärzteschaft. Wie gehe ich mit negativen Bewertungen um? Wie viel muss ich mir gefallen lassen? Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich? Was kann ich tun, wenn mir massenhaft negative Bewertungen, sogenannte Shitstorms, angedroht werden? Wie gehe ich mit Bewertungsportalen um? Muss ich mich überhaupt bewerten lassen? Und was kann ich tun, wenn meine Ordinations-Homepage in Suchmaschinen schlechter gerankt wird als mein Eintrag auf einem Bewertungsportal? Diese und andere Fragen beschäftigen immer mehr Ärztinnen und Ärzte in Österreich, einige Landesärztekammern mussten auch schon Klagen zu diesen Themen anstrengen. Um für mehr Klarheit zu sorgen, wird sich die Österreichische Ärztekammer auf diesen Seiten der Österreichischen Ärztezeitung in den kommenden Wochen mit Experten auf diesem Themengebiet dieser Fragen annehmen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2019