Medizin-Studienplätze: Qualität vor Quantität

15.12.2019 | Aktuelles aus der ÖÄK


Die politische Forderung nach mehr Medizin-Studienplätzen als Maßnahme gegen den Ärztemangel stößt bei der Österreichischen Ärztekammer auf Kritik. Im Zentrum der Debatte müsste vielmehr die Verbesserung der Arztausbildung stehen, um eine Abwanderung zu verhindern. 

Sophie Niedenzu

Was für Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner ein „klarer Auftrag für die neue Bundesregierung“ ist, ist für andere „nahezu absurd“ und ein „völlig falscher Ansatz“: Seit Monaten wird über eine Erhöhung der Medizin-Studienplätze debattiert. Neben der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) haben sich auch Gesundheitsökonomen und die Rektoren der medizinischen Universitäten kritisch zu dieser Forderung geäußert. Nichtdestotrotz erhielt Mikl-Leitner in der Landeshauptleute-Konferenz im Herbst Rückenwind von allen Teilnehmern: Zwar wurde nicht mehr von einer „Verdopplung“ gesprochen, aber der Beschluss für eine „deutliche Erhöhung“ der Medizin-Studienplätze gefasst.

Wirtschaftlich sinnvoll agieren

Derzeit werden jährlich 1.680 Studienplätze vergeben. Diese Zahl zu erhöhen wäre nicht nur eine Herausforderung für die medizinischen Universitäten, die entsprechend mehr Ressourcen benötigen würde, um auch das derzeitige Betreuungsverhältnis beibehalten zu können: „Mehr Medizin-Studienplätze anzubieten ist auch aus wirtschaftlichen Gründen absurd, denn solange es nicht gelingt, mehr Ärzte in Österreich zu behalten, produzieren wird damit auf Kosten der Steuerzahler mehr Absolventen für das Ausland“, kritisiert Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Obmann der Bundeskurie angestellte Ärzte.

An den Absolventenzahlen scheitert es nämlich nicht, dass in einigen Bereichen Ärzte dringend gesucht werden. Das bestätigen auch die aktuellen OECD-Zahlen: Pro Jahr schließen hierzulande im Schnitt 14,4 Personen pro 100.000 Einwohner ein Medizin-Studium ab. Damit liegt Österreich etwas über dem OECD-Schnitt (13,1). Auch Deutschland und die Schweiz haben jeweils weniger Absolventen als Österreich (12,0 bzw. 11,2). Anders als Österreich sind sie aber wesentlich attraktiver für ausländische Ärzte: Laut OECD wurden in der Schweiz 34 Prozent der Ärzte im Ausland ausgebildet. In Deutschland liegt der entsprechende Prozentsatz bei zwölf Prozent, in Österreich bei sechs Prozent (OECD-Schnitt: 18 Prozent). „Wir befinden uns in einem Wettbewerb, insbesondere mit dem deutschsprachigen Ausland“, sagt Mayer.

Wirtschaftlich sinnvoller sei es daher, den Beruf des Mediziners attraktiver zu gestalten. Anzusetzen sei unter anderem an der Arztausbildung in den Spitälern – aber auch in der Lehrpraxis. Bereits jetzt gebe es beispielsweise immer wieder Wartezeiten für die Basisausbildung und Hürden durch standardisierte Hearing-Termine für Basisausbildungsposten.

Derzeit schließen jährlich rund 1.400 Studierende ihr Medizinstudium ab. Demgegenüber stehen österreichweit rund 900 Basisausbildungsstellen, die besetzt werden. Mehr Medizin-Absolventen hieße aber auch, dass mehr Plätze für das Klinisch-Praktische Jahr (KPJ) notwendig seien sowie dass die Zahl der Basisausbildungsstellen deutlich erhöht wird. Bereits jetzt weist die ÖÄK in ihrem Forderungskatalog an die zukünftige Bundesregierung darauf hin, dass mehr Basisausbildungsstellen notwendig sind. „Die Situation mit den Wartezeiten würde sich bei gleichbleibender Situation durch mehr Medizin-Absolventen nur noch weiter verschärfen“, kritisiert Mayer.

Kein Hobby, sondern Verpflichtung

Notwendig seien mehr personelle Ressourcen und Zeit für eine qualitätsvolle Arztausbildung. Denn an der Qualität der Arztausbildung hapert es weiterhin, zumindest in einigen Abteilungen und Spitälern: Wie die aktuelle Ausbildungsevaluierung der ÖÄK gezeigt hat, schwankt die Qualität nämlich sehr stark: Die Gesamtbewertungen nach Schulnotensystem liegen in der Basisausbildung zwischen 1,20 und 3,22, in der allgemeinmedizinischen Ausbildung zwischen 1,00 und 4,25 sowie in der Facharztausbildung zwischen 1,00 und 4,40.

„Wir haben vorbildliche Best-Practice-Beispiele, aber leider auch einige schlecht bewertete Abteilungen. Ärzte auszubilden und das Wissen weiterzugeben ist aber kein Hobby, sondern eine Verpflichtung gegenüber unseren Patienten“, kritisiert Mayer. Die Qualität müsse daher österreichweit flächendeckend gewährleistet sein. Bereits jetzt mangle es an Oberärzten, denen die Zeit gegeben wird, sich ausschließlich der Ausbildung junger Ärzte zu widmen: „Wie soll das mit noch mehr Ärzten in Ausbildung funktionieren?“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2019