Klimaschutz: Eine ärztliche Aufgabe?

10.10.2019 | Aktuelles aus der ÖÄK


Die Erderwärmung und die Destabilisierung des Klimas sind auch ein medizinisches Thema, sagt Heinz Fuchsig, Umweltreferent der Österreichischen Ärztekammer.

Sascha Bunda

Das Holozän hat mit einem außergewöhnlich stabilen Klima in den letzten 10.000 Jahren unsere Zivilisationen ermöglicht. Regionen, die die Anpassungsfähigkeit des Menschen an ihre Grenzen geführt haben wie Halbwüsten, heiße Regionen in Asien und Afrika, sowie Meeresdeltas kommen nun unter Druck“, erklärt Heinz Fuchsig das Ausmaß des Klimawandels. „Allein in Indien müssen 350 Millionen Menschen zunehmend nachts arbeiten, weil es tagsüber zu heiß dafür ist. Schaffen wir das 1,5°C-Ziel nicht und erreichen ‚nur‘ das 2°C-Ziel, bedeutet das Perioden tödlicher Hitze für weitere 100 Millionen Menschen in dieser Region“, so Fuchsig, der unlängst eine „Klimamahnwoche“ als Projekt des ÖÄK-Umweltreferates organisiert hat.

Was bedeutet der Klimawandel für Patienten und Ärzte?
Hitzeperioden reduzieren die Leistung; vulnerable Patientinnen und Patienten sterben vermehrt. Während in einzelnen Hitzetagen die Sterblichkeit von Lungenpatienten um 13% steigt, kann diese in längeren Hitzephasen um 43% steigen. Ärztinnen und Ärzte können mit Telefonsprechstunden, Ordinationsöffnung in den Morgenstunden und Anpassung der Medikation reagieren. Dazu finden sie eine Liste gefährdender Medikamente im „Leitfaden Hitzemaßnahmenplan“ der Stadt Wien. Dort gibt es auch Informationen zu neuen Krankheiten mit ehemals tropischen Vektoren wie Riesenzecken oder der Tigermücke und dadurch übertragene Krankheiten.

Was bedeutet der Klimawandel für unser Gesundheitssystem?
Am bedrohlichsten ist kurzfristig auch hier die Hitze. Nicht klimatisierte Spitäler und Altenheime werden zu einem Gesundheitsrisiko für Patienten und Personal. Aufgrund heißer (Dienst-)Zimmer schlecht ausgeschlafene Arbeitnehmer sind heute schon ein großes Thema in unseren Betrieben. Langfristig sind zudem Einsparungen im Gesundheitswesen aufgrund steigender Klimakosten zu befürchten. 2019 wird der Klimaschaden in Österreich vom Projekt COIN (Cost of Inaction) auf mehr als 1 Mrd. Euro geschätzt und wird voraussichtlich auf 8,8 Mrd. Euro 2050 steigen. Unvorstellbar teuer auch für die EU wird ein Anstieg des Meeresspiegels, wenn die Geschwindigkeit, mit der die Eismassen abschmelzen, weiter zunimmt.

Wie kann man dem Klimawandel begegnen?
„Der Klimawandel ist die größte Bedrohung der Gesundheit im 21. Jahrhundert – und die größte Chance für sie“, sagt die Lancet Commission on planetary health. Mehr Alltagsbewegung per Rad und zu Fuß, innerorts lautloser und schadstoffreier Verkehr, schlankere Menschen mit weniger Entzündungskrankheiten und Krebs, langlebigere Güter mit weniger Chemikalienexposition aus Wegwerfartikeln wie bei Kleidung brächten uns mehrere Jahre an gesunder Lebenserwartung und vor allem Lebensqualität. Entschleunigung und Fokussierung auf die wichtigen Dinge im Leben nutzen Umwelt, Glück und Gesundheit wohl am meisten. Es gibt eine Kooperation mit dem Klimabündnis mit spezialisierter Beratung für klimafreundliche Ordinationen und Spitäler, zudem wurde eine Broschüre „Klimawandel und Gesundheit – Informationen für Ärzt_innen“ herausgegeben (online auf ccca.ac.at).


Programm Fortbildungsabend – 
eine Veranstaltung des ÖÄK-Umweltreferates

Klimaerwärmung und Gesundheit: Was ist, was kommt?

24.10.2019 18:00, AKH Hörsaalzentrum HS 2 – Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien

18:00 Begrüßung und Moderation: Dr. Heinz Fuchsig, Umweltreferent der ÖÄK

18:10 Klimawandel und Gesundheit in Österreich: Was können wir heute schon feststellen, was ist in den nächsten 30 Jahren zu erwarten? Doz. Hanns Moshammer, Leiter der Abteilung Umweltmedizin der
MedUni Wien

18:30 Prinzip der dreifachen Entlastung – wie wir gewinnen: Dr. Klaus Renoldner, Allgemeinmediziner i.R., Vorbild mit Lehrauftrag Columbia Univ.N.Y.

18:50 Fußabdruck des Gesundheitswesens – und erfolgreiche Initiativen in Österreich Dr. Ulrike Weisz, Institut für Ökologie BOKU, Schwerpunkte Co-benefits und internationaler Vergleich der Gesundheitssysteme

19:10 Diskussion

dfp-Punkte:
3
Anmeldung nicht erforderlich – wir bitten um umweltfreundliche Anreise

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2019