Interview Silvia Türk: Arztausbildung: attraktiver gestalten

15.07.2019 | Aktuelles aus der ÖÄK

Eine gute Repräsentation nach außen und ständiges Einvernehmen mit Partnern, den Bundesländern und der Sozialversicherung: Das ist ein Teil der Aufgaben der Sektionschefin Silvia Türk. Im Interview zieht sie ein Resümee zur neuen Ausbildungsordnung, spricht über Mangelfächer und die Allgemeinmedizin.
Sascha Bunda

Was sind Ihre Erfahrungen mit der neuen Ausbildungsordnung? Zwei wesentliche Änderungen waren die Einführung der Basisausbildung und der verpflichtenden Lehrpraxis. Beide Neuerungen sehe ich als sehr positiv. Während der Basisausbildung sollen junge Ärztinnen und Ärzte nicht nur lernen, Patientinnen und Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung zu betreuen, den Stationsalltag zu bewältigen und in Notsituationen fachgerecht handeln zu können, sondern auch die Chance haben, herauszufinden, wie es mit ihrer medizinischen Laufbahn weitergehen soll. Die praxisnahe Ausbildung in einer Lehrpraxis soll alle Jungmedizinerinnen und Jungmediziner bestmöglich auf den Alltag nach der Ausbildung vorbereiten. Dies wird von den Stakeholdern gut angenommen.

Können Sie feststellen, dass es zu Wartezeiten von Medizinabsolventen auf einen Ausbildungsplatz kommt? Welche Lösungsansätze gibt es? Einer Umfrage der Bundeskurie Angestellte Ärzte im Dezember 2017 zufolge, in der Daten zu den Wartezeiten in der Basisausbildung der Landesärztekammern gesammelt wurden, differieren die Ergebnisse nach den einzelnen Bundesländern, aber auch nach den jeweiligen Krankenanstaltsträgern. In der Steiermark oder peripheren Krankenhäusern in Salzburg existieren etwa gar keine Wartezeiten für die Basisausbildung, auch in Kärnten und Niederösterreich bestehen für Bewerber für die Basisausbildung keine längeren Wartezeiten. Im Burgenland und Salzburg-Stadt haben Absolventen mit einer rund dreimonatigen Wartezeit zu rechnen. In Tirol, Oberösterreich, Vorarlberg und Wien kann die Wartezeit – abhängig vom jeweiligen Krankenhaus – sogar bis zu einem Jahr dauern. In Wien besteht allerdings die Möglichkeit, sich bereits mit erfolgreich abgelegter SIP 5 anzumelden, sodass sich ab Übermittlung des Promotionsbescheids eine effektive Wartezeit von rund drei Monaten ergibt. In einigen Bundesländern wird den Ausbildungsärzten die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung nach Absolvierung der Basisausbildung geboten, um so die Wartezeit auf eine Ausbildung als Allgemeinmediziner oder Facharzt zu überbrücken.

Ist mit der Definition neuer Mängelfächer zu rechnen? Ja, sowohl die Strahlentherapie als auch die Gerichtsmedizin werden zukünftig als Mängelfächer definiert. Dies wird im Zuge der Novelle zur Ärzteausbildungsordnung geschehen, die mit 1. Jänner 2020 in Kraft treten wird.

Aus der Statistik wissen wir, dass bis zu 40 Prozent aller Absolventen nicht in Österreich arbeiten wollen. Haben Sie Patentrezepte, wie die Abwanderung verhindert werden kann? Zuerst muss ich klarstellen, dass 25 Prozent der Studienplätze an den öffentlichen Universitäten an Studierende aus dem Ausland vergeben werden. Einige Studenten wissen bereits bei Studienanfang, dass sie nach ihrem Studium wieder in ihr Heimatland zurückkehren wollen. Für die Abwanderung österreichischer Studenten sehe ich unabhängig von anderen Arbeits-, Gehalts- und Weiterbildungsbedingungen zahlreiche Gründe, denn junge Leute sind heute so mobil und vernetzt wie nie und mit ihren Fähigkeiten nicht an Ort oder Sprache gebunden. Um eine Fortsetzung der medizinischen Karriere in Österreich zu attraktivieren, haben Bund, Länder und Sozialversicherung im Rahmen der Zielsteuerung-Gesundheit als eine wesentliche Zielsetzung vereinbart, Maßnahmen zur Sicherstellung einer ausreichenden Verfügbarkeit des für die qualitätsvolle Versorgung erforderlichen Gesundheitspersonals umzusetzen. Es wird ein jährliches Monitoring mit den vermuteten und tatsächlichen Pensionierungen erstellt, außerdem ist festgeschrieben, wie viele Ärzte in allgemeinmedizinischer Ausbildung jährlich von den Krankenanstalten aufgenommen werden müssen und es wurde ein Maßnahmenatlas „Attraktivierung der Allgemeinmedizin“ von den Partnern Bund, Länder und Sozialversicherung erstellt. Die Anstellung von Ärztinnen und Ärzten im niedergelassenen Bereich als eine wesentliche Maßnahme zur Attraktivierung wurde Ende 2018 im Parlament beschlossen. Weiteres Optimierungspotenzial sehe ich in einer besseren Arbeitsteilung in den Gesundheitsberufen, Ärzte müssen von den Administrationsaufgaben entlastet und die Pflege ausgebaut werden.

Sie sind Allgemeinmedizinerin. Würden Sie sich aus heutiger Sicht wieder für eine allgemeinmedizinische Ausbildung entscheiden? Auch heute würde ich mich wieder für die Allgemeinmedizin entscheiden, denn mir ist ein ständiger Austausch und Patientenkontakt sehr wichtig. In kaum einem Fach ist man meiner Ansicht nach so nahe am Patienten und so intensiv in die verschiedenen Krankheitsgeschichten eingebunden. Die ganzheitliche Betrachtungsweise von medizinischen Fragestellungen ist für mich das Besondere an der Allgemeinmedizin.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2019