Impfpflicht: Den Beispielen folgen

15.12.2019 | Aktuelles aus der ÖÄK


Der Blick in andere europäische Länder zeigt: Die Impfpflicht ist eine notwendige Maßnahme, um Durchimpfungsraten zu erhöhen. Einmal mehr fordert die Österreichische Ärztekammer daher die Impfpflicht für alle im Gratisimpfkonzept verankerten Impfungen.

Sophie Niedenzu

Die Entscheidung erfolgte mit klarer Mehrheit: Ab 1. März 2020 tritt in Deutschland die Masern-Impfpflicht für Kindertagesstätten, Schulen, andere Gemeinschaftseinrichtungen, bei der Tagespflege und in Flüchtlingsunterkünften in Kraft. Bei Verstößen drohen bis zu 2.500 Euro Strafe. Damit ist Deutschland neben Frankreich und Italien ein weiteres Land, das auf die steigenden Masern-Krankheitsfälle mit einer Impfpflicht reagiert. Laut WHO gab es 2017 weltweit einen Anstieg um 30 Prozent. Allein in Europa wurden bis Juni 2019 rund 90.000 Fälle bekannt. Damit habe sich die Zahl der Erkrankungen gegenüber dem Vergleichszeitraum 2018 verdoppelt. In Österreich wurden bis Anfang November 146 Fälle dokumentiert, davon stehen
12 Prozent in Zusammenhang mit dem Gesundheitspersonal. Zum Vergleich: 2018 waren es noch 77 Erkrankungen.

In Italien wurde als Reaktion auf 5.402 Masernerkrankungen 2017 die Impfpflicht um MMR plus Varizellen ausgeweitet. Seitdem sind die Masernfälle um die Hälfte reduziert worden, die Durchimpfungsrate stieg von 86 auf 94 Prozent an. „Wir sehen, dass die Impfpflicht bei den Nachbarländern funktioniert“, sagt Rudolf Schmitzberger, Leiter des ÖÄK-Impfreferates. Er verweist auf den ÖÄK-Forderungskatalog, in dem die Impfpflicht für alle im Gratisimpfkonzept verankerten Impfungen als notwendige Maßnahme angeführt ist. Ein verpflichtender aufrechter Impfschutz vor dem Eintritt in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Universitäten sei ein wesentlicher Punkt im Kampf gegen Masern. Auch in Gesundheitsberufen tätige Personen müssten auf einen aufrechten Impfstatus achten. Neben der Österreichischen Ärztekammer treten weitere Institutionen für eine Impfpflicht in verschiedenem Ausmaß ein: das Hebammengremium und die österreichische Bioethikkommission fordern eine generelle Impfpflicht, der Dachverband gehobener medizinisch-technischer Berufe eine Impfpflicht beim Gesundheitspersonal, der Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträge eine verpflichtende MMR-Impfung, Volks- und Patientenanwälte eine Masern-Impfung speziell für das Gesundheitspersonal.

Begleitende Maßnahmen

Um die Durchimpfungsraten zu steigern, sollte zudem Information und Aufklärung intensiviert werden, beispielsweise im Rahmen des Mutter-Kind-Passes. Diese zeitaufwändige Impfinformation müsse jedoch auch honoriert werden. „Der Stellenwert der Impfung als effektiver Schutz vor Krankheiten muss wieder als allgemeiner Wert akzeptiert werden“, betont Schmitzberger, auch im Hinblick auf die ethische Verantwortung, denn eine Impfung sei nicht nur Eigenschutz, sondern schütze auch die Umgebung. Dazu gehören auch Säuglinge oder immunsupprimierte Menschen, die auf die Herdenimmunität angewiesen sind. Auch die rechtliche Grundlage sei eindeutig: „Eltern und Kinder haben im Rahmen des UN-Rechts, der Menschenrechtskonvention und des Verfassungsrechts ein Recht auf die beste Gesundheitsvorsorge, und dazu zählt auch das Impfen.“ Ebenso müsste auf internationaler und europäischer Ebene mit Internetdiensten wie Google und Facebook kooperiert werden, mit dem Ziel, Impfinformationen mit hoher Qualität höher zu reihen als es bisher der Fall ist. „Die Kombination aus Impfpflicht und begleitenden Maßnahmen ist notwendig, um die Durchimpfungsraten langfristig zu erhöhen“, ist Schmitzberger überzeugt. Eine Impflicht entspreche außerdem auch dem Willen der Bevölkerung. In aktuellen Befragungen sprachen sich eine Mehrheit der Teilnehmer für eine Impfpflicht aus.


Österreichischer Impftag 2020

Impfen in Alltags- und Ausnahmesituationen ist das Motto des kommenden Impftages am 18. Jänner 2020, der wieder gemeinsam von der Österreichischen Akademie der Ärzte und der Medizinischen Universität Wien, in Kooperation mit der Österreichischen Ärztekammer und der Österreichischen Apothekerkammer veranstaltet wird. Nicht zuletzt aufgrund der steigenden Anzahl an Maserfällen 2019 wird ein Schwerpunkt die Impfpflicht auf europäischer Ebene sein.

Wann: 18. Jänner 2020; 8h bis 17h
Wo: Austria Center Vienna, Bruno-Kreisky-Platz 1, 1220 Wien
Wissenschaftliche Leitung:  Univ. Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt
Anmeldung und Information: www.impftag.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2019