Spitalsärztebefragung – DIALOG 2019: Ärzte am Wort

15.08.2019 | Aktuelles aus der ÖÄK


Anonym, umfassend und informativ: Die nächste Umfrage zum Arbeitsplatz Spital steckt in den Startlöchern. Themen sind neben der Administration, Ausbildung und Arbeitszeit auch verbale und physische Übergriffe.

Sophie Niedenzu

Sie wird seit 2003 regelmäßig durchgeführt, heuer ist es nun wieder soweit: In der von der BKAÄ beauftragten Spitalsärztebefragung geben Ärzte anonym Einblick in ihre Arbeitssituation. Die österreichweite Befragung gibt einen umfassenden Überblick über den Arbeitsalltag und die Herausforderungen in den Spitälern im Laufe
der Zeit.

Neben Fragen, u.a. zur Arbeitsbelastung, Arbeitszeit und Zusammenarbeit, wird heuer erstmalig auch das Thema Sicherheit in den Fragebogen aufgenommen. Konkret werden Österreichs Spitalsärzte danach gefragt, ob sie verbaler oder physischer Gewalt an ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt waren, wie stark die Belastung durch Gewalt war und ob sie mit einer Waffe bedroht wurden. Die dramatische Situation in den Spitälern sei mit dem Anlassfall am SMZ Süd in Wien noch deutlicher geworden. „Wir benötigen umfassende Daten, um zu zeigen, wie gravierend die Situation in den Spitälern bereits ist“, sagt Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und
BKAÄ-Obmann.

Gewalt in Ambulanzen

Einen Grund für die erhöhte Gewaltbereitschaft sieht der ÖÄK-Vizepräsident unter anderem auch im Ressourcenmangel: „Gewalt ist ein zunehmendes Problem in unseren Spitälern, insbesondere in Hotspots wie den stark überlasteten Ambulanzen.“ Die Wartezeiten in den Ambulanzen seien entsprechend hoch und Nährboden für eine wachsende Aggressionsbereitschaft. „Seit Jahren fordern wir, dass Ambulanzen entlastet werden müssen und sich nur den in den Krankenanstaltengesetzen festgelegten Aufgaben widmen“, sagt Mayer. Die Arbeitsbelastung durch Ambulanzdienste wurde 2016 zum ersten Mal in die Spitalsärztebefragung integriert. Ein Ansteigen der Ambulanzfälle nahmen 77 Prozent der Befragten wahr, zwei Drittel gaben an, dass dies ein „gravierendes Problem“ sei. Die Zahlen bestätigen, wie sehr sich die Arbeit für angestellte Ärzte in den Spitälern verdichtet hat: Österreichweit sind die Ambulanzfälle zwischen 2005 und 2017 um 34 Prozent angestiegen. Die Entwicklung, dass immer mehr medizinische Leistungen durch Spitalsärzte in den Krankenhaus-Ambulanzen erbracht werden, wird von mehr als einem Drittel der Spitalsärzte grundsätzlich abgelehnt, etwas weniger als zwei Drittel hätte nichts dagegen, würde der Personalstand in den Krankenhäusern entsprechend erhöht werden.

Mangelnde Ressourcen, volle Ambulanzen, höhere Gewaltbereitschaft – neben einer strukturellen Entlastung insbesondere der Ambulanzen, fordert Mayer ein sicheres Arbeitsumfeld und höhere Strafen: „Spitalsärztinnen und Spitalsärzte leisten Tag für Tag trotz Personalknappheit und einer Arbeitsverdichtung großartige Arbeit und müssen am Arbeitsplatz geschützt werden“. Die bauliche Situation der einzelnen Krankenhäuser solle daher geprüft und darauf aufbauend ein Sicherheitskonzept etabliert werden. „Es ist nicht akzeptabel, dass das Gesundheitspersonal weniger geschützt wird als beispielsweise Mitarbeiter am Gericht“, betont der ÖÄK-Vizepräsident. Ein ÖÄK-Vorschlag zu einer Verschärfung des Strafrechts liegt bereits dem Parlament vor.

Belastung senken

Neben Ambulanzdiensten wird die Patientendokumentation seit Jahren als eine starke Belastung wahrgenommen – 2016 gaben dies mehr als die Hälfte der Befragten an. Auch hier wurde die BKAÄ-Umfrage ergänzt, nämlich mit der Frage, ob in der Abteilung Assistenzberufe vorhanden sind, die die Dokumentationstätigkeit von Ärzten übernehmen. Außerdem befasst sich die Spitalsärztebefragung damit, wie viele Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit für administrative Tätigkeiten im Spital aufgewendet wird. „Administrative Tätigkeiten müssen gerade in Zeiten des Ärztemangels delegiert werden, damit Ärzte sich wieder ihren Kernaufgaben, der medizinischen Behandlung, widmen können“, sagt Mayer. Aufgaben, die nicht unmittelbar zur ärztlichen Tätigkeit oder zur Patientenbetreuung gehören, sind etwa Terminkoordinationen, Rezepte anfordern oder Befunde einscannen sowie die Befundschreibung.

Spitalsärzte zu entlasten, sei es durch eine strukturierte Patientenversorgung außerhalb von Ambulanzen und dem Abbau von administrativen Tätigkeiten, hat auch das Ziel, entsprechende Zeitressourcen freizugeben, um sich der Ausbildung von Jungärzten zu widmen. „Hier geht es auch darum, das umfassende medizinische Wissen auch in den Spitälern zu halten und an die nächsten Generationen weitergeben zu können. Die Pensionierungswelle in den nächsten Jahren wird die Situation in den überlasteten Spitälern noch massiv verschärfen“, warnt Mayer.

In der vergangenen BKAÄ-Umfrage unter Spitalsärzten hielten gut zwei Drittel der Ärzte es für eher bis sehr unwahrscheinlich, dass sie ihre Tätigkeit als Spitalsarzt noch mit 65 Jahren ausüben werden. Unter welchen Bedingungen sie sich vorstellen könnten, über dieses Alter hinaus noch im Krankenhaus tätig zu sein, wird nun im September in der Online-Umfrage zusätzlich abgefragt.

Personalmangel und Arbeitsverdichtung

Die regelmäßige Befragung durch die BKAÄ zeigt allerdings auch Positives: Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 59 Stunden im Jahr 2006 sank 2016 auf 48 Stunden. Seit der Umsetzung des novellierten Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes (KA-AZG) hat sich die höchste Stundenanzahl in einer Arbeitswoche deutlich verringert: Während die befragten Ärzte 2006 noch angaben, bis zu 75 Stunden in einer Arbeitswoche gearbeitet zu haben, sank die höchste Stundenzahl 2016 auf 62 Stunden. Verbesserungsbedarf gibt es trotzdem: Die Spitalsärzte gaben in der vergangenen Umfrage eine durchschnittliche Wunscharbeitszeit von 41 Stunden an.

Insgesamt wurden die mit der verkürzten Arbeitszeit verbundenen Gehaltsverhandlungen positiv bewertet. „Eine reduzierte Arbeitszeit kombiniert mit zu wenig Personal führt allerdings zwangsläufig zu einer Arbeitsverdichtung“, kritisiert Mayer. Eine hohe Beteiligung an der aktuellen Spitalsärztebefragung sei wünschenswert, damit anhand der Rückmeldungen Maßnahmen abgeleitet werden können. „Je mehr Daten wir erhalten, desto besser können wir entsprechende Forderungen an die neue Regierung stellen, um die Situation in den Krankenhäusern zu verbessern“, sagt Mayer abschließend.


Spitalsärztebefragung

Die Spitalsärztebefragung startet am 2. September und endet am 20. September. Um eine große zeitliche Flexibilität zu garantieren, erfolgt die anonyme Umfrage, die bislang per Telefon mit etwa 2.000 Spitalsärzten durchgeführt wurde, erstmals online in Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Markt- und Meinungsforschungsinstitut IMAS International. Zu diesem Zweck erhalten die Spitalsärzte von den zuständigen Landesärztekammern eine Einladung zur Teilnahme inkl. Link per Mail. Die Online-Beantwortung der Fragen hat auch den Vorteil, dass diese jederzeit unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden kann. Dabei bleiben die Zwischenergebnisse gespeichert. Die Ergebnisse der Spitalsärzte-Befragung werden im Herbst in einer Pressekonferenz vorgestellt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2019