Ausbildungsstellen: Bitte nicht warten!

10.09.2019 | Aktuelles aus der ÖÄK


Das Interesse an der Medizin ist groß, der Bedarf an Ärzten real. Doch jährlich schließen mehr Studierende ihr Medizinstudium ab, als Basisausbildungsstellen besetzt sind.

Sophie Niedenzu

Achtzig Tage. So lange dauerte es in der Literatur des 19. Jahrhunderts, um die Welt zu bereisen. Und so lange dauert es heute durchschnittlich, bis angehende Ärzte nach Abschluss des Medizinstudiums mit ihrer ärztlichen Tätigkeit beginnen können. Verglichen mit den vergangenen Jahren ist der Zeitabstand zwar kürzer, aber: „Jeder Tag, auf den auf eine Basisausbildungsstelle gewartet wird, ist ein Tag zu viel“, kritisiert Harald Mayer, BKAÄ-Obmann und ÖÄK-Vizepräsident. Es müssten genügend Stellen für die Basisausbildung geschaffen werden, um den Medizinern einen reibungslosen Einstieg in den Arztalltag und damit einen nahtlosen Übergang zwischen Universität und Spital zu ermöglichen. Basisausbildungsstellen erfordern in allgemeinen Krankenanstalten keine Genehmigung durch die Ärztekammer. „Wir benötigen keinen künstlich erzeugten Engpass, weil es zu wenig Basisausbildungsstellen gibt“, sagt Mayer.

Jährlich schließen derzeit rund 1.400 Studierende ihr Medizinstudium ab. Demgegenüber stehen österreichweit rund 900 Basisausbildungsstellen, die besetzt werden. Die Tendenz ist zuletzt sogar rückläufig, denn heuer sind bislang um 100 Basisausbildungsstellen weniger besetzt als noch im Vorjahr. „Es ist absurd, dass sich der Bund Medizinstudierende leistet, aber die Länder nicht genügend Ausbildungsplätze finanzieren“, kritisiert Mayer.

Gesucht: Basisausbildungsstellen

Bleibt es bei der zu niedrigen Zahl an Basisausbildungsstellen, wird sich die Situation in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Denn durch den Vollausbau der Universität Linz sowie die Studienangebote an privaten Medizin-Unis ist zu erwarten, dass die Absolventenzahlen steigen – und damit auch der Bedarf an Basisausbildungsstellen. „Jeder Arzt in Ausbildung muss zeitnah einen Ausbildungsplatz erhalten“, fordert Mayer. Ansonsten riskiere man einen Kollaps im Gesundheitssystem. Es sei wichtig, dass in Spitälern das vorhandene Wissen zeitnah an die nächste Generation weitervermittelt werde – bevor viele Spitalsärzte das Pensionsalter erreicht haben. „Eine qualitativ hochwertige Ausbildung benötigt Zeit. Die Weitergabe von vorhandenem Wissen und wertvoller Erfahrung steht auf dem Spiel“, warnt Mayer und verweist darauf, dass in den kommenden zehn Jahren gut ein Drittel aller Spitalsärzte das Pensionsalter erreichen wird.

Wartezeiten in der Arztausbildung würden aber nicht nur die Wissensweitergabe verzögern, sondern auch das Risiko, dass mehr Absolventen ins Ausland abwandern. „Das Ausland lockt und wir finanzieren Mediziner, die niemals im österreichischen Gesundheitssystem als Ärzte arbeiten werden“, kritisiert Mayer. Derzeit werden die Abwanderungen in Ausland noch mit den Zuströmen abgefedert. Im Jahr 2018 beispielsweise wurden knapp 1.400 Ärzte in Ausbildung in die Ärzteliste eingetragen, davon waren mehr als 300 mit ausländischer Promotion. Wie lange diese Zahlen stabil bleiben, ist aber ungewiss. Und auch das Beibehalten des Status quo wird nicht reichen. Neben der Altersstruktur der Spitalsärzte führen weitere Faktoren dazu, dass zukünftig der Bedarf an Ärzten weiterhin steigen wird. Einer davon ist das novellierte Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG). „Die ärztliche Wochenarbeitszeit ist zwar auf 48 Stunden reduziert worden – die fehlenden Stunden wurden jedoch nicht mit einer erhöhten Ärztezahl kompensiert“, sagt Mayer. Damit fehlen Spitalsärzte. Hinzu käme, dass in der jüngeren Ärztegeneration Teilzeitmodelle gefragt seien und auch Karenzzeiten angesichts des wachsenden Frauenanteils in der Ärzteschaft immer stärker eine Rolle spielen würden, so der ÖÄK-Vizepräsident. Auch dieser Faktor müsse in der Personalplanung einberechnet werden. Nicht zuletzt ist mit einer weiteren Arbeitsverdichtung angesichts der demografischen Entwicklung der Bevölkerung in Österreich zu rechnen. Eine steigende Lebenserwartung heißt auch steigende Zahlen bei Krankheitsfällen, beispielsweise bei Krebserkrankungen. „Wir haben zu wenig Spitalsärzte, die Patienten werden älter und benötigen mehr ärztliche Betreuung, gleichzeitig verzögert sich die Ausbildung vom Ärztenachwuchs aufgrund unnötiger Wartezeiten“, sagt Mayer und warnt abschließend: „Wenn nicht rechtzeitig gehandelt wird und unsere Jungärzte keine adäquaten und qualitativ hochwertigen Ausbildungsplätze erhalten, werden wir unser hervorragendes Spitalswesen in der Form nicht erhalten können.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2019