Kom­men­tar Lukas Stär­ker: Gesund­heits­pla­nung – Bett und Kopf ungeeignet

25.05.2018 | Themen


„Wir haben kei­nen Ärz­te­man­gel, viel­mehr steigt die Ärz­te­zahl kon­ti­nu­ier­lich“ – diese und ähn­li­che Aus­sa­gen hört man immer wie­der von Sei­ten der Poli­tik. Damit wird ver­sucht, das Bestehen eines Ärz­te­man­gels mit dem Hin­weis auf stei­gende Kopf­zah­len zu rela­ti­vie­ren.
Lukas Stärker*

Ärz­te­zahl

Betrach­tet man ledig­lich die Kopf­zahl der Ärz­tin­nen und Ärzte, so zeigt sich eine kon­ti­nu­ier­li­che Zunahme. Dar­aus aber die Exis­tenz von genü­gend Ärz­tin­nen und Ärz­ten ablei­ten zu wol­len, erweist sich aus fol­gen­den Grün­den als zu ein­fa­cher Trug­schluss: Einer­seits steigt gleich­zei­tig mit der Kopf­zahl auch die Anzahl der Teil­zeit­be­schäf­tig­ten und damit die Leis­tungs­quan­ti­tät pro Kopf. Hinzu kom­men die Femi­ni­sie­rung der Medi­zin, eine neue Ärz­te­ger­ne­ra­tion, die Wert auf eine aus­ge­gli­chene Work-Life-Balance legt, ein stei­gen­der Behand­lungs­be­darf, u.a. durch eine älter wer­dende Bevöl­ke­rung, durch lau­fend zuneh­men­des medi­zin­sches Wis­sen füh­ren dazu, dass die bloße Kopf­zahl an Ärz­tin­nen und Ärz­ten immer weni­ger Aus­sa­ge­kraft für die tat­säch­li­chen Ver­hält­nisse und Per­so­nal­quan­ti­tä­ten besitzt. Mit ande­ren Wor­ten: Trotz stei­gen­der Ärz­te­zahl feh­len Ärz­tin­nen und Ärzte. Dabei noch gar nicht erwähnt wur­den die Fak­to­ren regio­nale Ver­tei­lung – Bal­lungs­räume ver­sus länd­li­che Räume – sowie unter­schied­li­che Attrak­ti­vi­tät der medi­zi­ni­schen Son­der­fä­cher unter­ein­an­der bezie­hungs­weise der All­ge­mein­me­di­zin; eben­so­we­nig die mas­sive Leis­tungs­zu­nahme in den Spi­tä­lern bei nicht pro­por­tio­nal gestie­ge­ner Per­so­nal­zahl im ärzt­li­chen und pfle­ge­ri­schen Bereich. 

Ähn­li­che Phä­no­mene zei­gen sich auch in Deutsch­land. Um es mit dem deut­schen Ärz­te­kam­mer­prä­si­den­ten Mont­go­mery zu sagen: „Wer nur die Köpfe zählt, macht es sich zu ein­fach.“ Auch die OECD ver­gleicht hin­sicht­lich Ärz­te­dichte ledig­lich auf Basis von Kopf­zah­len und ver­mischt inso­fern teil­weise Äpfel mit Bir­nen, da in man­chen Län­dern Ärz­tin­nen und Ärzte in Aus­bil­dung inklu­diert sind, in ande­ren jedoch nicht. 

Bet­ten­zahl

Ähn­li­ches gilt im Gesund­heits­struk­tur­pla­nungs­be­reich auch für die Ein­heit „Bett“: In der Ver­gan­gen­heit wur­den Ange­bots- und Bedarfs­be­rech­nun­gen für die Gesund­heits­struk­tur­pla­nung vor allem auf Basis von Köp­fen und Bet­ten durch­ge­führt. Die Bet­ten­an­zahl in Kran­ken­an­stal­ten erweist sich bei nähe­rer Betrach­tung als ebenso unge­eig­net wie die Kopf­zahl für die Gesund­heits­struk­tur­pla­nung. Das hängt zum einen damit zusam­men, dass die Spi­tä­ler immer bes­ser – sprich effek­ti­ver und eff­zi­en­ter – wer­den. Die­ses Kom­pli­ment hat zur Folge, dass heute pro Bett wesent­lich mehr Leis­tun­gen erbracht wer­den als frü­her und das noch dazu bei einer sin­ken­den Belags­dauer und nicht in der­sel­ben Pro­por­tion gestie­ge­nen Personalzahl. 

Fazit

Will man pro futuro rele­vante Gesund­heits­struk­tur- und Ange­bots­pla­nung durch­füh­ren, so kommt man um aus­sa­ge­kräf­tige Daten zur Quan­ti­täts­ab­schät­zung nicht herum. Statt Köp­fen muss zukünf­tig auf Voll­zeit­äqui­va­lente abge­stellt wer­den und statt Bet­ten auf kon­krete Leis­tungs­quan­ti­tä­ten. Somit rela­ti­vie­ren sich Hin­weise auf stei­gende Kopf­zah­len von selbst. 

*) Dr. Lukas Stär­ker ist Kam­mer­amts­di­rek­tor der ÖÄK

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2018