Interview Siegfried Kasper: Medizinische Computerspiele

25.09.2018 | Themen

Vorrangiges Ziel beim Einsatz von Computerspielen im therapeutischen Setting ist es nicht, Medikamente zu reduzieren, sondern sie dienen der weiteren Verbesserung des Gesundheitszustandes des Betroffenen, erklärt Univ. Prof. Siegfried Kasper, Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am AKH Wien, im Gespräch mit Christina Schaar.

Welchen Stellenwert haben die sogenannten neuen Medien und Virtual Reality in der klinisch-psychologischen Behandlung? Grundsätzlich sind sie begleitend zu einer ärztlichen oder psychotherapeutischen Therapie sehr hilfreich, als alleinige Therapie würde ich sie jedoch nicht empfehlen. Da es unerschiedliche Angsterkrankungen gibt und diese bis ins Psychotische gehen können, bedarf es bei jeder Krankheit einer gewissen menschlichen Führung. Erfolgt der Einsatz der neuen Medien und auch der Virtual Reality ärztlich verordnet und findet als Unterstützung statt, ist er sehr hilfreich. Diese Entwicklung birgt insofern Gefahren, weil die menschliche Beziehung zu kurz kommen könnte und speziell bei medizinischen Interventionen nicht außer Acht gelassen werden darf.

Mit speziellen Programmen im klinischen Setting werden Situationen simuliert, um Ängste in den Griff zu bekommen. Ist dies Ihrer Meinung nach sinnvoll? Ich erachte es als absolut sinnvoll, dies in einem Therapiesetting zu versuchen, da die Betroffenen dann auch ein Feedback geben können. In der Tat würde es ja sonst bedeuten, dass wir mit dem Betroffenen so wie wir es früher gemacht haben, Straßenbahn, U-Bahn oder im Aufzug fahren. Dadurch hat die Therapie früher sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Das erspart man sich jetzt. Wichtig ist jedoch, dass der Therapeut diese ganzen Programme auch kennt.

Bei welchen Erkrankungen und in welchem Alter werden diese Programme eingesetzt? Diese Programme kommen in allen Altersstufen zum Einsatz, jedoch auch immer abhängig von ihrer Verfügbarkeit und auch nicht bei allen unseren Patienten. Vor rund fünf Jahren haben wir damit begonnen und in den vergangenen zwei, drei Jahren kommen sie verstärkt zum Einsatz. Zu den Haupt-Indikationen zählen vorwiegend Angsterkrankungen, soziale, einfache und insolierte Phobien, zum Teil auch Depressionen.

Wie lange dauert eine solche Therapie? Das hängt ganz stark vom Schweregrad und auch vom Chronifizierungsgrad der Erkrankung ab. Eine neu aufgetretene Erkrankung kann meistens – wenn es im therapeutischen Setting erfolgt – auch durch die Einnahme von Medikamenten, innerhalb von wenigen Monaten behandelt werden. Handelt es sich um eine längerfristige Erkrankung, dauert die Behandlung meist mehrere Monate.

Können diese Programme auch helfen, Medikamente zu reduzieren oder sogar auf diese zu verzichten? Vorrangiges Ziel ist es nicht, Medikamente zu reduzieren, denn erst die Medikamente machen den Patienten therapiefähig. Man könnte sagen: Die Programme dienen der weiteren Verbesserung. Alles in allem sind diese Programme aus medizinischer Sicht gut und hilfreich und werden sich auch in weiterer Zukunft mit Sicherheit immer mehr etablieren und vermehrt zum Einsatz kommen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2018