Bur­gen­land: Ent­las­tung für die Hausärzte

10.06.2018 | Themen


Ein gan­zes Maß­nah­men­pa­ket sorgt im Bur­gen­land für eine flä­chen­de­ckende ärzt­li­che Ver­sor­gung am Abend. Ein­ge­bun­den sind Kran­ken­häu­ser, Not­arzt-Dienst, neue Akutor­di­na­tio­nen und Visi­ten­ärzte inklu­sive Tele­fon­be­ra­tung. Das ent­las­tet die Haus­ärzte und bewirkt eine bes­sere Steue­rung der Pati­en­ten in puncto Spi­tals­am­bu­lan­zen.
Wolf­gang Wagner

Das ist schon eine Erleich­te­rung. Frü­her hatte ich jeden vier­ten Wochen­tag die ganze Nacht Dienst und am Fol­ge­tag dann natür­lich nor­male Ordi­na­tion. Jetzt habe ich ein­mal im Monat Dienst“, schil­derte Ingrid Grafl, die seit rund 30 Jah­ren als All­ge­mein­me­di­zi­ne­rin im bur­gen­län­di­schen Mat­ters­burg tätig ist. Unter dem Titel „Wochen­tag­nacht-Bereit­schafts­dienst Neu – Akutor­di­na­tio­nen – Visi­ten­ärzte“ steckt eine umfas­sende Neu­re­ge­lung der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung im nie­der­ge­las­se­nen Bereich, die Ärz­te­kam­mer Bur­gen­land, die Bur­gen­län­di­sche Gebiets­kran­ken­kasse und das Land Bur­gen­land gemein­sam auf den Weg gebracht haben. 

Die Eck­punkte für die Neu­ord­nung, die in dem Bun­des­land von Mon­tag bis Frei­tag zwi­schen 17.00 Uhr und 22.00 Uhr Platz greift: 

• In den Akut­spi­tä­lern ver­sieht in eige­nen Räum­lich­kei­ten im Kran­ken­haus Kitt­see, Eisen­stadt, Ober­pul­len­dorf, Ober­wart und Jen­ners­dorf jeweils ein nie­der­ge­las­se­ner All­ge­mein­me­di­zi­ner in einer Akutor­di­na­tion Dienst. 

• Dazu kom­men sechs Visi­ten­ärzte mit Stütz­punk­ten in Eisen­stadt, Frau­en­kir­chen, Ober­pul­len­dorf, Ober­wart, Jen­ners­dorf und Mat­ters­burg. In Jen­ners­dorf und Mat­ters­burg betreut der dienst­ha­bende Arzt – wenn es die Visi­ten ermög­li­chen – auch eine Akutor­di­na­tion in den Räu­men des jewei­li­gen Rot-Kreuz- Stützpunktes. 

All das wird durch einen ärzt­li­chen Tele­fon­be­ra­tungs­dienst (19.00 Uhr bis 7.00 Uhr früh) ergänzt. Die Beru­fung der Visi­ten­ärzte erfolgt durch die Lan­des­si­cher­heits­zen­trale Bur­gen­land, über die auch der von Nie­der­ös­ter­reich zusätz­lich über­nom­mene Tele­fon­be­ra­tungs­dienst läuft. Gleich­zei­tig ist natür­lich die Ver­sor­gung durch das Not­arzt­sys­tem und die Spi­tä­ler gesi­chert. Im Bedarfs­fall wird die Rettung/​der Not­arzt alarmiert. 

Mehr­fa­che Vorteile 

Kuri­en­ob­mann der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte der Ärz­te­kam­mer Bur­gen­land, Michael Schriefl, zu den Zie­len des neuen Sys­tems: „Es soll zu einer Ent­las­tung der Ambu­lan­zen kom­men. Gleich­zei­tig konn­ten wir die Zahl der ehe­mals im Bur­gen­land in der Nacht im Dienst ste­hen­den Ärzte von 29 auf elf redu­zie­ren und gleich­zei­tig die Dienst­zei­ten ver­rin­gern. Damit erhof­fen wir uns auch, dass Nach­be­set­zun­gen für Haus­arzt-Kas­sen­stel­len in Zukunft ein­fa­cher wer­den.“ Von der neu gere­gel­ten Auf­ga­ben­ver­tei­lung sol­len sowohl die bur­gen­län­di­schen All­ge­mein­me­di­zi­ner als auch die Kran­ken­häu­ser pro­fi­tie­ren. Bei den Spi­tä­lern ist es vor allem die Triage-Funk­tion der Akutor­di­na­tio­nen, die die Ambu­lan­zen ent­las­ten soll. 

Die Ent­las­tung der Spi­tals­am­bu­lan­zen war auch Aus­gangs­punkt für die Über­le­gun­gen, im Okto­ber 2016 mit einem Pilot­ver­such im Kran­ken­haus Ober­wart zu begin­nen. Schriefl dazu: „Die bur­gen­län­di­sche Kran­ken­an­stal­ten­ge­sell­schaft wollte eine bes­sere Rege­lung des Zustroms zu den Ambu­lan­zen.“ Denn obwohl von den ins­ge­samt 143 zu Nacht­diens­ten ver­pflich­te­ten Ärz­ten im Bur­gen­land jede Nacht 29 im Dienst waren, kamen trotz­dem Pati­en­ten als Selbst­zu­wei­ser in die Notfallaufnahmen. 

Das war der Start für die Akutor­di­na­tion in Ober­wart. „Klar war, dass man mit einer Akutor­di­na­tion allein auch nicht aus­kommt“, führt der Kuri­en­ob­mann wei­ter aus. Also wurde das Sys­tem der Visi­ten­ärzte geschaf­fen. Wäh­rend des Pilot­ver­suchs zählte man in Ober­wart in der Akutor­di­na­tion inner­halb der fünf Stun­den im Durch­schnitt rund 9,5 Pati­en­ten. Auf den Erfah­run­gen baute man schließ­lich mit dem Roll-out im gan­zen Bun­des­land auf. Der Tele­fon­dienst kam noch hinzu. 70 Pro­zent aller medi­zi­ni­schen Fra­gen von Anru­fern kön­nen laut den bis­he­ri­gen Erfah­run­gen schon am Tele­fon geklärt wer­den. Die Akutor­di­na­tio­nen an Spi­tals­stand­or­ten sind jeweils so situ­iert, dass ein­tref­fende Pati­en­ten zunächst ein­mal dort durch die dienst­ha­ben­den All­ge­mein­me­di­zi­ner begut­ach­tet wer­den. Basis­me­di­ka­mente, EKG, Blut­druck­mes­ser, CRP-Test­mög­lich­keit ste­hen dafür zur Ver­fü­gung. Schriefl: „In die Akutor­di­na­tion kom­men alle Pati­en­ten, die dort wegen eines akut auf­ge­tre­te­nen Gesund­heits­pro­blems ver­sorgt wer­den sol­len und alle Pati­en­ten ohne Zuwei­sung.“ Davon aus­ge­nom­men sind Not­fälle und Pati­en­ten mit Blau­licht­trans­port, Schwan­gere mit schwan­ger­schafts­spe­zi­fi­schen Pro­ble­men, Unfall­pa­ti­en­ten inner­halb der ers­ten 24 Stun­den nach dem Ereig­nis und Kin­der bis zum 14. Lebens­jahr, wenn eine Kin­der­am­bu­lanz im Kran­ken­haus vor­han­den ist. Letz­te­res ist im Bur­gen­land in den Kran­ken­häu­sern in Eisen­stadt und in Ober­wart der Fall. Die bis­he­ri­gen Erfah­run­gen fasst der bur­gen­län­di­sche Kuri­en­ob­mann so zusam­men: „Zwei Drit­tel der in der Akutor­di­na­tion begut­ach­te­ten Pati­en­ten kön­nen mit der dort erfol­gen­den Ver­sor­gung wie­der heim­ge­hen.“ Etwa ein Drit­tel komme in die Auf­nah­me­am­bu­lanz, die meist nur wenige Schritte ent­fernt liegt. 

Schriefl kann auch aus eige­ner „Pra­xis“ in der Akutor­di­na­tion in Eisen­stadt berich­ten: „Zwei­mal habe ich bis­her Dienst gehabt. Beim ers­ten Mal habe ich gleich mit 17 Pati­en­ten deut­lich mehr gehabt als sonst kom­men. Beim zwei­ten Mal waren es etwas weni­ger.“ Am höchs­ten seien die Fre­quen­zen der­zeit in Eisen­stadt und Ober­wart mit jeweils rund zehn Pati­en­ten, gerin­ger an den ande­ren Stand­or­ten. Nehme man zehn Pati­en­ten, wel­che an einem Abend in eine Akutor­di­na­tion kom­men als Bei­spiel, wür­den diese nur drei bis vier wirk­lich direkt ansteu­ern. „Der Rest sind Triage-Pati­en­ten“, sagte Schriefl. Ein Vor­teil der Akutor­di­na­tio­nen in den Spi­tä­lern könne auch sein, dass die nie­der­ge­las­se­nen Ärzte wie­der mehr Kon­takt zu ihren Kol­le­gen im Kran­ken­haus bekommen. 

Kos­ten­tei­lung

Die Kos­ten für das neue Sys­tem tei­len sich Land Bur­gen­land, Gemein­den sowie Sozi­al­ver­si­che­rung. Man rech­net pro Jahr mit rund 1,8 Mil­lio­nen Euro für das ganze Sys­tem. Ein erheb­li­cher Anteil davon war in der Ver­gan­gen­heit schon für das bis­her übli­che Sys­tem der Nacht­dienste not­wen­dig. Im Rah­men der nun­meh­ri­gen Neu­re­ge­lung im Bur­gen­land erhal­ten die dienst­ha­ben­den Ärzte eine Pau­schale von 500 Euro für fünf Stun­den Dienst. In der Ver­gan­gen­heit war das kom­pli­ziert über Pau­schal­zah­lun­gen und Ein­zel­leis­tun­gen abge­rech­net wor­den. Ein Vor­teil für die Visi­ten­ärzte im neuen Sys­tem: Fahr­zeug und Fah­rer wer­den von der loka­len Ret­tungs­or­ga­ni­sa­tion bereitgestellt. 

„Das Ziel ist ein­fach die Ent­las­tung der ambu­lan­ten und der sta­tio­nä­ren Struk­tu­ren und eine effi­zi­ente Steue­rung der Pati­en­ten zu den Tages­rand­zei­ten und eine Attrak­ti­vie­rung des Berufs des Land­arz­tes für All­ge­mein­me­di­zi­ner als Gegen­maß­nahme zur Nach­be­set­zungs­pro­ble­ma­tik“, meinte Schriefl zusam­men­fas­send. Dar­auf hofft auch Grafl, die in den ers­ten 15 Jah­ren ihrer Tätig­keit als Land­ärz­tin unter der Woche fak­tisch fast stän­dig im Dienst oder Bereit­schaft war. 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 11 /​10.06.2018