Steuer: Verbot des Vorsteuerabzugs: verfassungswidrig

25.02.2018 | Service


Das Verbot des Vorsteuerabzugs bei Vermietung an Ärzte ist verfassungswidrig. Ein Gutachten zeigt klar Verstöße gegen den Gleichheitssatz und europarechtliche Bestimmungen bezüglich der Diskriminierung von Ärzten beim Anmieten auf.
Von Felix Müller*

Bis zum Jahr 2012 war es Usus, dass zahlreiche unecht umsatzsteuerbefreite Banken, Versicherungen aber auch Gemeinden vorgeschaltete vorsteuerberechtigte Immobiliengesellschaften gegründet haben, um zu steuerlichen Vorteilen zu kommen. Der Gesetzgeber wollte diese Praxis abstellen, hat aber mit dem novellierten Gesetz übers Ziel hinausgeschossen. Nicht nur Unternehmen und Gebietskörperschaften, die von diesen Steuergestaltungsmodellen gezielt profitierten, sind getroffen, sondern auch Ärzte, Kleinunternehmer und deren Vermieter. Wird beispielsweise seit dem 1.4.2012 ein Objekt an einen nicht vorsteuerabzugsberechtigten Arzt neu vermietet, kann der Vermieter die Umsatzsteuer nicht mehr geltend machen. Jeder Vermieter überlegt sich daher seither, ob er einen Mietvertrag mit einem Arzt abschließt, wodurch sich die Lage auf dem Mietmarkt für Ordinationen extrem zugespitzt hat.

Mit dieser seit mehr als fünf Jahren geltenden Bestimmung räumt der Gesetzgeber diese Möglichkeit des Vorsteuer-Abzuges bei der Vermietung an direkte Mitbewerber im Gesundheitsbereich sehr wohl ein. Somit sind selbstständige Ärzte gegenüber öffentlichen Krankenanstalten, Sozialversicherungsträgern aber auch Betreibern privater Krankenanstalten ohne ersichtlichen sachlichen Grund schlechter gestellt. Weiters kann etwa der Kleinunternehmer auf die Kleinunternehmerregelung verzichten, der Arzt jedoch nicht.

In einem Gutachten kommen die Experten der PKF CENTURION Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mbH zum Schluss, dass die Änderungen, die seit dem Jahr 2012 Ärzte und deren Vermieter treffen, in mehrfacher Hinsicht dem Gleichheitssatz der Bundesverfassung und den europarechtlichen Bestimmungen widersprechen. Die unbegründete Einbeziehung von Ärzten, Kleinunternehmern und deren Vermieter in eine Regelung, die typische Steuergestaltungsmethoden anderer Gruppen legitimer Weise unterbinden soll, widerspricht der Bundesverfassung. Es wäre für Parlament und Regierung einfach gewesen, hier eine zielgenaue Regelung zu finden. Der Gesetzgeber darf nicht unsachlich unschuldige Gruppen mit einer Regelung treffen. Dies widerspricht dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot.

Aus grundrechtlicher Sicht ist besonders heikel, dass fast alle im Gesundheitsbereich Betroffenen durch einen Abänderungsantrag im Parlament von der Schlechterstellung ausgenommen wurden. Während öffentliche Träger von Krankenhäuser und Sozialversicherungsträger als Mieter ihrem Vermieter den Vorsteuerabzug ermöglichen, sind niedergelassene Ärzte und Dentisten nicht privilegiert. Zwischen den Vergleichsgruppen – Ärzte, öffentliche Krankenanstaltenbetreiber und Sozialversicherungsträger – bestehen wesentliche Gemeinsamkeiten.Für all diese Gruppen gilt nicht nur der gesetzliche Auftrag der Gesundheitsversorgung, sondern sie sind – da sie auch nach dem GSBG zusammengefasst sind – berechtigt, pauschalierte Ausgleichszahlungen zu beziehen. Alle Betroffenen müssen daher auch bei der Anmietung von Ordinationen und Geschäftsräumlichkeiten gleichbehandelt werden.

Auch die aus Sicht der Vermieter teilweise nachteilig rückwirkend geltende Regelung ist im Hinblick auf die „allgemeine Sachlichkeit“, die der Gesetzgeber beachten muss, problematisch: Hat jemand ein Gebäude zur Weitervermietung vor dem 1. September 2012 gekauft, basiert sein Investment regelmäßig auf einem konkreten Finanzierungsplan, den der Bundesgesetzgeber rückwirkend unsicher oder gar unrentabel macht. So dauert es bei vielen Finanzierungsplänen oft zehn Jahre oder mehr bis zur Amortisation. In den meisten Fällen wird es in diesem Zeitraum auch zu einem Mieterwechsel kommen. Aber auch für den Zeitraum nach der Rückzahlung der Anschaffungskosten erleidet der Vermieter von gekauften Gebäuden auf lange Sicht reelle finanzielle Einbußen. Werden beispielsweise aufgrund von Lage, Ausstattung und Grundriss speziell für Ärzte geeignete Immobilien gekauft, sind diese – de facto – zumindest um die Höhe des laufenden Vorsteuerabzugs für die Zukunft entwertet. Viele Vorsorge-Kalkulationen werden somit rückwirkend erheblich vom Gesetzgeber durchkreuzt und verschlechtert.

Genau diese beiden Aspekte des Rückwirkungsverbots und der Ungleichbehandlung bringt das Gesetz auch in Konflikt mit dem EU-Recht. Das österreichische Umsatzsteuerrecht ist nämlich die nationale Umsetzung der sogenannten EU Mehrwertsteuersystem-Richtlinie. Dadurch ist die Europäische Grundrechts-Charta bindend. An diese EU-rechtlichen Vorgaben hat sich das österreichische Parlament zu halten. Besonders die Ungleichbehandlung von einander im direkten Wettbewerb stehenden Gruppen widerspricht dem Verbot der Wettbewerbsverzerrung und dem Grundsatz der Steuerneutralität. Bei der Ausübung ihres Arztberufs stehen niedergelassene Ärzte und Dentisten regelmäßig unmittelbar in Konkurrenz mit öffentlichen Krankenhausbetreibern oder Sozialversicherungsträgern. So werden Labors oder Ambulatorien von freiberuflichen Ärzten, aber auch von Krankenhausbetreibern oder Sozialversicherungsträgern betrieben. Zahnärzte stehen fast überall mit Zahnambulatorien der Krankenkassen im Wettbewerb. Der Gesetzgeber hat hier verzerrend in den Markt eingegriffen, da Ärzte und Zahnärzte seit 2012, wenn sie als Mieter dem Vermieter keinen Vorsteuerabzug ermöglichen, entweder höhere Mieten und Pachtzinse zu zahlen haben oder aber oft überhaupt nicht als Mieter akzeptiert werden. In ähnlichen Fällen hat der Europäische Gerichtshof eine Verletzung der Wettbewerbsneutralität und damit des europäischen Grundsatzes der Gleichbehandlung gesehen.


*) Dr. Felix Müller, PKF CENTURION Wirtschaftsprüfungs GmbH

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2018