CIRSmedical: Risiko durch Delegation

10.06.2018 | Service


Eine Angehörige der diplomierten Gesundheits- und Krankenschwestern delegiert die Verabreichung einer MMR-Impfung, woraufhin es zu einer fatalen Verwechslung kommt.

Im Routinebetrieb eines Krankenhauses wollte eine diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester einer Patientin im Wochenbett eine MMR-Impfung verabreichen. Die Patientin wurde entsprechend aufgeklärt; die DGKS fragt den Ehemann der Frau, der Arzt in Ausbildung an einem anderen Krankenhaus ist, ob er seine Frau impfen möchte. Er bejaht und erhält den MMR-Impfstoff, verabreicht ihn aber nicht seiner Frau, sondern dem einen Tag alten Neugeborenen. Das Neugeborene kommt auf die Kinderstation, erhält Immunglobuline. Zunächst keine Klinik für Infektion; der weitere Verlauf war jedoch aufgrund fehlender Erfahrung nicht absehbar. Als „besonders ungünstig“ für das Ereignis gab die meldende Ärztin an, dass nicht im Krankenhaus tätiges Personal mit der Verabreichung von Medikamenten beauftragt wurde, nicht beaufsichtigt wurde und es eventuell an Kommunikation mangelte.

Feedback des CIRS-Teams/Fachkommentar


Rechtliche Gegebenheiten:

Losgelöst von den Fragestellungen im Zusammenhang mit den Voraussetzungen zur Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten an den gehobenen Dienst der GuK-Pflege (§49 Abs. 3 ÄrzteG iVm § 15 GuKG) einerseits sowie zur Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten durch den gehobenen Dienst der GuK-Pflege an andere Personen andererseits, ist zum gegenständlichen Fall Folgendes festzuhalten: Gemäß § 50a ÄrzteG kann der Arzt im Einzelfall einzelne ärztliche Tätigkeiten an Angehörige des Patienten, Personen, in deren Obhut der Patient steht, oder an Personen, die zum Patienten in einem örtlichen und persönlichen Naheverhältnis stehen, übertragen, sofern sich der Patient nicht in einer Einrichtung, die der medizinischen oder psychosozialen Behandlung, Pflege oder Betreuung dient (ausgenommen Einrichtungen der Behindertenbetreuung), befindet. Eine Übertragung ärztlicher Tätigkeiten (jeder Art) an „spitalsfremde” Personen ist daher in einem Krankenhaus generell unzulässig, und zwar auch an einen „spitalsfremden” Arzt in Ausbildung. Gemäß § 3 Abs. 3 ÄrzteG sind die in Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum Facharzt befindlichen Ärzte (Turnusärzte) lediglich zur unselbstständigen Ausübung ärztlicher Tätigkeiten in anerkannten Ausbildungsstätten (sowie Lehrpraxen und Lehrambulatorien) unter Anleitung und Aufsicht der ausbildenden Ärzte berechtigt. Die Ausübung ärztlicher Tätigkeiten durch einen Turnusarzt ohne Ausbildungsverhältnis zu dieser Einrichtung wäre schon per se unzulässig.

Haftungsfragen:

Gemäß § 8 (2) KAKuG dürfen Pfleglinge von Krankenanstalten nur nach den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen beziehungsweise zahnmedizinischen Wissenschaft ärztlich beziehungsweise zahnärztlich behandelt werden. Das wäre bei Zugrundelegung des geschilderten Falles wohl unzweifelhaft nicht gegeben und wäre eine Haftung des Krankenanstalten-Trägers wahrscheinlich. Abgesehen von den möglichen zivilrechtlichen Folgen, hätten sich bei einer derartigen Fallkonstellation im Falle einer Schädigung sicher auch die handelnden Personen einer strafrechtlichen Verantwortung zu stellen.

Experte der Österreichischen Ärztekammer

www.cirsmedical.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2018