CIRSmedical: Mexalen bei cerebraler Aneurysmablutung

10.09.2018 | Service


Eine über 40-jährige Patientin, die vor vier Jahren eine cerebrale Aneurysmablutung erlitt, nimmt – nach Rücksprache mit ihrer Hausärztin – wegen Kopfschmerzen Mexalen ein und verstirbt kurz danach.

Eine über 40-jährige Patientin ist nach einer cerebralen Aneurysmablutung vor vier Jahren in regelmäßiger Observanz an einer neurochirurgischen Abteilung. Sie erkundigt sich gegen Ende der Ordination telefonisch bei ihrer Hausärztin, ob sie Mexalen einnehmen dürfe, weil sie an Kopfschmerzen leidet. Die Nachfrage der Ärztin, ob die Kopfschmerzen anders seien als sonst, verneint die Patientin, woraufhin Mexalen empfohlen wird. Bei Verschlechterung der Beschwerden möge die Patientin sich melden. Am darauffolgenden Tag wurde die Patientin tot aufgefunden; die Obduktion ergab als Todesursache eine Ruptur des Aneurysmas. 

Feedback des CIRS-Teams/Fachkommentar

Lösungsvorschlag bzw. Fallanalyse

Eine gänzliche Vermeidung solcher unglücklichen Fälle ist wahrscheinlich unmöglich. Man kann nur das Risiko solcher Verläufe minimieren. Die bestehende Vorgeschichte weist auf ein erhöhtes Risiko für eine Hirnblutung hin. Durch eine eingehendere Anamnese und eine genauere klinische Untersuchung wäre es möglich, klarere Hinweise auf einen (eventuell noch abwendbaren) gefährlichen Verlauf zu bekommen. Manchmal hilft Hausärzten bei der persönlichen Untersuchung auch die Intuition, es könnte doch etwas gefährliches sein. Im konkreten Fall ist zu berücksichtigen, dass die Patientin offenbar schon öfter über Kopfschmerzen klagte, diese nicht anders als sonst waren und die Patientin nur die Frage nach der Medikamenteneinnahme stellte.

Rechtliche Gegebenheiten: Der Fall zeigt die Risiken von telefonischen Beratungen und Therapieempfehlungen auf. Eine Untersuchung durch den Arzt hätte möglicherweise eher den Verdacht auf eine neuerliche Blutung gelenkt.

Gefahren-/Wiederholungspotenzial: In vielen Fällen sind Kopfschmerzen harmlos, aber es ist oft nicht einfach, den abwendbar gefährlichen Verlauf gänzlich auszuschließen. Eine klare Differentialdiagnose ist klinisch nicht immer möglich. Im Zweifelsfall muss bei akuten oder zunehmenden Schmerzen und natürlich bei anderen neurologischen Auffälligkeiten eine rasche Abklärung erfolgen.

ExpertIn der ÖGAM (medizinisch-fachlicher Aspekt, Allgemeinmedizin)

Lösungsvorschlag bzw. Fallanalyse

Im vorliegenden Fall bestehen regelmäßige neurochirurgische Kontrollen, welche offensichtlich keine weitere OP-Indikation sehen. Nicht angegeben ist die Lokalisation des operierten Aneurysmas (vorderer oder hinterer Kreislauf), vermutlich finden sich keine Aneurysmen über 7mm Größe. Die Wahrscheinlichkeit einer Aneurysmenruptur bei vorangegangener Blutung, liegt – ohne genau Angaben – ungefähr zwischen 0,5 und 1 Prozent pro Jahr. Im konkreten Fall ist sie vermutlich deutlich geringer einzuschätzen. Grundsätzlich ist die Entscheidung bezüglich einer operativen Intervention von vielen Faktoren abhängig; eine konservative Vorgehensweise ist vermutlich meist die sinnvollere Maßnahme.

Der Allgemeinmediziner hat sich ausreichend über die Art des Kopfschmerzes informiert; laut Patientin wären diese nicht anders als sonst, weshalb eine akute bildgebende Untersuchung meines Erachtens nicht zwingender Weise indiziert ist. Selbst bei Durchführung einer Bildgebung hätte ein negatives CT sicherlich keine akute neurochirurgische Intervention bedingt. Mikroblutungen gehen häufig mit einer negativen CT-Untersuchung einher, insbesondere mit zunehmendem Abstand zum Ereignis. Das Versterben der Patientin legt jedoch eine massive Reblutung nahe, wobei eine direkte neurochirurgische Intervention vermutlich nicht in Frage gekommen wäre. Meines Erachtens ist der Verlauf bedauerlicher Weise als schicksalhaft anzusehen. Eine Unterlassung von medizinischen Maßnahmen liegt nicht vor.

Gefahren-/Wiederholungspotenzial:
Aufgrund der relativen Häufigkeit trotz geringer Blutungsgefahr durchaus möglich.

ExpertIn der KRAGES (medizinisch-fachlicher Aspekt, Neurologie)

Lösungsvorschlag bzw. Fallanalyse

Hier wurde möglicherweis eine telefonische medizinische Auskunft während der Routine-Ordination gegeben; es muss – auch wenn großer Zeitdruck besteht – die Patientenakte eingesehen werden, um ein möglicherweise bestehendes Risiko zu erkennen. Das Gespräch sollte jedenfalls in der Patientenakte dokumentiert werden. Idealerweise sollten Telefonate außerhalb der Ordinationszeiten in Ruhe durchgeführt werden, um Ablenkungen zu vermeiden.

ExpertIn des BIQG (Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen)

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2018