Spitalsärzte: Pensionierungswelle kommt

10.03.2018 | Politik


Nicht nur die Allgemeinmedizin hat mit Nachwuchsmangel zu kämpfen. Auch den Spitälern steht in den nächsten zehn Jahren eine Pensionierungswelle bevor. Generell ist die Situation in Spitälern alles andere als rosig. Gegenmaßnahmen sind überfällig. Von Margret Handler

Fast jeder vierte Spitalsarzt erreicht in zehn Jahren das Pensionsalter von 65 Jahren. Den Spitälern steht eine Pensionierungswelle bevor. Mit ihr geht den Krankenanstalten eine wichtige Ressource verloren: Erfahrene Ärztinnen und Ärzte, deren wertvoller Wissens- und Erfahrungsschatz, es so lange wie möglich zu nutzen gilt. „Spitäler müssen dringend an ihren Arbeitszeitmodellen arbeiten, um gerade für ältere Arztinnen und Ärzte möglichst lange attraktiv zu bleiben“, fordert Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Besonders in der Ausbildung von angehenden Ärzten seien die älteren Kollegen wichtig. Was es jedoch dringend braucht, sind attraktive Rahmenbedingungen, die flexibleres Arbeiten ermöglichen – besonders für Ältere. Hier muss dringend etwas getan werden. Denn: Nicht nur, dass in den nächsten zehn Jahren viele Spitalsärzte in Pension gehen, auch bei den Jungen gibt es ein Motivationsproblem, sie in den Spitälern zu halten. „Die junge Generation kann sich kaum noch vorstellen, ihre gesamte berufliche Laufbahn im Krankenhaus zu verbringen“, beruft sich Mayer auf die Ergebnisse einer IFES-Studie. „Wenn kein Umdenken stattfindet, steht uns demnächst ein wirklicher Engpass bevor.“

Spital in Not

Als Arbeitsplatz verlieren die Spitäler zusehends an Reiz. Was aber nicht an der Tätigkeit an sich oder der Motivation der dort arbeitenden Menschen liegt, sondern vielmehr an der Arbeitsbelastung. In der vom IFES durchgeführten Befragung zur Arbeitssituation der Spitalsärztinnen und Spitalsärzte gaben neun von zehn an, dass die Personalknappheit ein wesentliches Manko in ihrem Krankenhaus ist. Mit der Umsetzung des novellierten Krankenanstalten- Arbeitszeitgesetzes (KA-AZG) im Jahr 2015 hat sich für Spitalsärzte zwar einiges zum Positiven verändert. Die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit hat grundsätzlich zu einer Verbesserung der Situation der Spitalsärzte beigetragen. Das Ausmaß der wöchentlichen Arbeitszeit wurde auf 48 Stunden deutlich verringert. „Der Haken an der Sache ist aber, dass nun in weniger Zeit der gleiche oder mehr Einsatz verlangt wird. Arbeitsverdichtung ist das Stichwort. Das Personal wurde in den meisten Fällen nicht aufgestockt. Und somit steigen der Druck und die Belastung im Dienst spürbar“, kritisiert Mayer.

Ein ähnlich düsteres Bild zeigen aktuelle Umfragen zum neuen Arbeitszeitgesetz, die zuletzt in Wien und Salzburg durchgeführt wurden. In beiden Bundesländern gibt rund die Hälfte der befragten Spitalsärzte an, dass sie regelmäßig Überstunden leisten muss und diese Überstunden nicht korrekt in der Arbeitsaufzeichnung anführt. Was sich hier deutlich zeigt: Es fehlt an Ärztinnen und Ärzten. Und es ist anzunehmen, dass die Situation in den anderen Bundesländern ähnlich ist. Worüber man ebenfalls nicht hinwegtäuschen kann: Die Bevölkerung wächst und wird älter, Spitalsaufenthalte werden mehr. Und auch die Aufgaben, die Spitäler übernehmen, wachsen beziehungsweise scheinen sich zu verschieben: Stichwort Pflege. Eine interessante Zahl sei dazu angemerkt: Ein Blick in die Statistik der Spitalsentlassungen zeigt: Im Jahr 2006 lag die Zahl der Entlassungen von Patienten im Alter von 85 bis 94 Jahre bei rund 130.500. Zehn Jahre später ist dieser Wert bereits deutlich gestiegen – nämlich auf rund 200.000 Patienten in dieser Altersgruppe. Eine Steigerung um 53 Prozent. „Diese Zahlen belegen klar, dass die Ärzteschaft in den Spitälern seit Jahren mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert ist. Damit darf man sie nicht alleine lassen“, so der Standesvertreter.

Teilzeit-Trend

Ein Trend der sich seit Jahren zeigt: Vor allem jüngere Ärzte wünschen sich eine verkürzte Arbeitszeit – bei 41 Wochenstunden liegt das gewünschte Arbeitsausmaß. „Ein guter Ausgleich zwischen Job und Privatleben ist den jungen Kolleginnen und Kollegen wichtig“, betont Mayer. Auch die Zahl der Teilzeitkräfte wird mehr. Was sich hier vermutlich auch auswirkt: Mehr als die Hälfte der österreichischen Ärzteschaft ist weiblich – und darunter sind auch viele in Teilzeit beschäftigt.

All diese Entwicklungen zeigen: Die Gesellschaft verändert sich, Lebenskonzepte unterliegen einem Wandel. So bringt auch ein Generationenwechsel in der Ärzteschaft Veränderungen mit sich. Darauf muss reagiert werden.

Die Bundeskurie der angestellten Ärzte hat in der Ärzteschaft abgefragt, wie sie ihre Arbeitsfähigkeit mit 65 Jahren bewertet. Die Befragten wurden gebeten, an ihre Arbeit und ihren Gesundheitszustand zu denken und eine Einschätzung abzugeben, ob sie ihre derzeitige Tätigkeit auch mit 65 Jahren noch ausüben können. Jeder Dritte gab damals (2016) an, dass dies sehr unwahrscheinlich sei, weitere 28 Prozent antworteten mit „eher unwahrscheinlich“.

Interessantes bringt auch hier ein Blick in die Statistik zutage. 440 angestellte Ärzte sind derzeit älter als 65. Im niedergelassenen Bereich ist diese Zahl viel höher. „900 Privatärzte und rund 700 niedergelassene Kassenärzte im Alter von 65 plus zählt unsere Statistik“, sagt Mayer. Das legt den Schluss nahe, dass der niedergelassene Bereich für Ältere attraktiver ist als das Spital. Die Tatsache, dass man sich in der eigenen Ordination die Rahmenbedingungen flexibler und den eigenen Bedürfnissen gerechter zurechtlegen kann, scheine hier eine entscheidende Rolle zu spielen.

„Es braucht Rahmenbedingungen, die es älteren, erfahreneren Kollegen ermöglichen, möglichst lange im System zu bleiben“, betont Harald Mayer. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Ärzte mit jahrzehntelanger praktischer Erfahrung sind eine wertvolle Ressource. „Sie haben einen unglaublichen Erfahrungsschatz. Von ihrem Know how können vor allem die nachkommenden Generationen profitieren“, sagt Mayer.

Flexibles Arbeiten möglich machen

Teilzeitregelungen, Gleitzeitmodelle, die flexibleres Arbeiten ermöglichen, könnten motivierend wirken. „Das müssen die Verantwortlichen sehen und dafür machen wir uns stark“, betont der Kurienobmann. Denn eines zeigt sich in der Spitalsärzteschaft deutlich: Als wichtigstes Motiv bei der Arbeit wird in allen Umfragen immer die Freude an der Tätigkeit genannt, gefolgt von persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten und der Tatsache, für andere Menschen und die Gesellschaft nützlich sein zu wollen. Erst dann wird die materielle Absicherung genannt. Es geht also nicht – wie gerne behauptet – um das liebe Geld, sondern um Rahmenbedingungen, die gute Arbeit ermöglichen und dafür auch Wertschätzung vermitteln.

Spitalsärzte in Zahlen

• 7.152 (rund 22 Prozent) der angestellten Ärzte kommen in den nächsten zehn Jahren ins Pensionsalter. 440 Ärzte sind bereits jetzt älter als 65 Jahre.

• 89 Prozent der Ärzte registrieren Personalknappheit in ihrem Krankenhaus. 77 Prozent sehen darin ein gravierendes Problem.

• Nur 58 Prozent der Arbeitszeit wird für medizinische Tätigkeit aufgewendet, mehr als ein Drittel entfällt auf Administration.

• Der Frauenanteil steigt: Bei den Nachwuchs-Ärzten sind 61 Prozent Frauen, in der Ausbildung zur Allgemeinmedizin beträgt die Frauenquote 73 Prozent, bei den Fachärzten 60.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2018