Porträt Erich Altenburger: Als Teamarzt in Pyeongchang: „Man fiebert immer mit“

10.03.2018 | Politik


Als Teamarzt des alpinen Damen-Speed-Teams erlebte der burgenländische Sportmediziner und Unfallchirurg Erich Altenburger in Pyeongchang seine ersten Olympischen Spiele. Am liebsten würde er bei den Rennen selbst mitfahren.
Von Ursula Jungmeier-Scholz

Spitzenathleten zu behandeln ist eine ganz eigene Kunst“, erklärt der Sportarzt und Unfallchirurg Erich Altenburger. „Sie ticken von ihrer mentalen Einstellung her ganz anders und ihr Körper benötigt ein Mindestmaß an Training. Für sie wäre ein absolutes Sportverbot unerträglich. Also muss ich als Sportarzt immer eine alternative Sportart in angepasster Intensität anbieten können.“ Schwimmen, wenn der oder die Betroffene nicht auftreten darf, Koordinationstraining oder Krafttraining – was eben möglich ist. Dazu benötigt der Sportmediziner ebenso viel Wissen über Trainingsmöglichkeiten wie über die Rekonvaleszenz nach Verletzungen, außerdem einen Sinn für Sport und eine stabile Vertrauensbasis zum jeweiligen Athleten.

Als ehemaliger Leistungssportler ist Altenburger prädestiniert für diese Tätigkeit: In jüngeren Jahren fuhr der 57-Jährige selbst Skirennen und nahm an Geräteturn-Meisterschaften teil. Während seines Studiums verdiente er sich ein Zubrot als Surf-, Tennis- und Skilehrer. Noch immer ist er begeisterter Läufer, Golfer (mit einem Handicap von 12), Mountainbiker, Windsurfer und Skifahrer. Auf Skiern steht er übrigens schon seit seinem vierten Lebensjahr – dafür haben seine Eltern gesorgt.

Oszillation zwischen Sport und Medizin

Dass sein Leben zwischen Sport und Medizin oszillieren würde, wusste Altenburger schon von klein auf. „Anfangs wollte ich Sportlehrer werden, habe mich dann aber für die Medizin entschieden. Nach kurzer Zeit habe ich mein übliches Bewegungspensum so vermisst, dass ich parallel dazu Sportwissenschaften studiert habe.“ Aber auch die medizinische Spezialisierung erfolgte nach sportlichen Aspekten. Zwar absolvierte er nach Abschluss des Studiums in Wien zunächst den Turnus, machte zur selben Zeit aber auch schon das Diplom für Sportmedizin. Er betreute die Fußball- Nationalmannschaft des ÖFB und wurde Vereinsarzt bei Austria Wien. Sein erklärtes medizinisches Ziel hieß jedoch Unfallchirurgie, „weil dieses Fach für Sportler so wichtig ist“. 1996 schloss er die Facharztausbildung ab und war ab 1999 bis ins Jahr 2006 Oberarzt an der unfallchirurgischen Abteilung des Landesklinikums Weinviertel. Noch parallel zur klinischen Tätigkeit eröffnete er seine Ordination in Korneuburg. „Früher waren die Unfallchirurgen ans Spital gebunden. Aber als es realistisch erschien, von einer Ordination leben zu können, war mir sofort klar: Das ist mein Weg.“

Auch der Weg von Altenburger zu Olympia nach Pyeongchang war ein jahrelanger Prozess, initiiert durch einen befreundeten Arzt, der ihm im Jahr 2001 auf einem gemeinsamen Skiausflug vorgeschlagen hat, sich doch beim ÖSV zu bewerben. „Wer ÖSV-Teamarzt werden will, muss selbst so gut Skifahren können, dass er ohne Stöcke auf eisiger und steiler Piste einen Verletzten erreichen kann – und zwar vom Start weg, denn so eine Abfahrt ist wie ein Sack abgeriegelt. Dann muss er ihn erstversorgen können, ohne die Skier abzuschnallen, denn nur mit den Schuhen rutscht man zu sehr.“

Wer vom ÖSV angeheuert wird, darf zunächst einmal die Nachwuchsläufer betreuen und dient sich langsam von den Trainingslagern zu den Wettbewerben hoch. Mittlerweile blickt Altenburger stolz auf zwei Weltmeisterschaften zurück: 2015 in Vail und 2017 in St. Moritz; bei Olympia war er heuer erstmals dabei. „Es war einfach cool“, lautet sein emotionales erstes Resümee, das er gleich darauf präzisiert: „So viele Sportler und Teamärzte aus derart vielen Kulturen an einem Ort – das ermöglicht einen wunderbaren Austausch untereinander.“ Um derartige Erfahrungen machen zu können, muss er zeitlich sehr flexibel sein – ein weiteres Argument für die eigene Ordination. „Die Tätigkeit selbst ist mehr oder minder ehrenamtlich, und ich bin pro Jahr sicher zwei bis sechs Wochen mit den Athletinnen unterwegs.“

Bauchweh statt Beckenbruch

Die vorranginge Aufgabe eines Teamarztes bei Olympischen Spielen besteht nicht – wie man vielleicht meinen möchte – in der Versorgung von akuten Verletzungen auf der Piste, sondern vielmehr im Kurieren von Husten, Schnupfen und Bauchweh des gesamten Teams – inklusive des nicht-medizinischen Betreuerstabs. Klar, nach dem Sturz von Stephanie Venier im Abfahrtstraining oblag es Altenburger, ihre Verletzung bestmöglich nachzubehandeln. Erleidet allerdings jemand auf der Piste eine Beinfraktur, wird der Teamarzt zwar von der Jury per Funk verständigt. Die eigentliche medizinische Versorgung übernehmen aber die Veranstaltungsärzte des jeweiligen Landes. „Ansonsten hätte ich ein südkoreanisches ius practicandi benötigt …“. Bei derartigen Wettbewerben sind die Ärzte aller Nationen um einen bestmöglichen Austausch bemüht. Täglich gibt es ein „doctor´s meeting“, bei dem allerdings auch länderspezifische Auffassungsunterschiede zu Tage treten. „In Zentraleuropa ist es bei Verunfallten üblich, bereits auf der Piste mit der Schmerztherapie zu beginnen und danach mittels Hubschrauber zu bergen. In Südkorea ist es Standard, per Akja und Schlitten die gesamte Abfahrt hinunterzufahren. Und wegen einer Schmerztherapie am Berg musste das Ärzteteam erst verhandeln.“

In seinem Alltag, in dem „die Spitzenathleten nur einen Bruchteil der Klientel ausmachen“, setzt Altenburger konsequent auf Teamarbeit. Als einer der wenigen österreichischen Unfallchirurgen operiert er seit 14 Jahren nach der Cockpit-Methode. Das bedeutet, dass er stets mit seinem Kollegen Klaus Dann – er führt in Wien eine Ordination – im OP steht. Der Vorteil: Man hat immer eine dritte und vierte Hand zur Verfügung, die Gewebe oder Sehnen zur Seite drücken können, damit das umliegende Gewebe bestmöglich geschont werden kann, was wiederum die Rehabilitation des Patienten erleichtert. Altenburger schätzt an dieser Form der eingespielten Teamarbeit aber auch „die gegenseitige Kontrolle, die immer wieder einen Ansporn bietet, noch besser zu werden“.

Verletzung als Chance

Eine Chance, besser zu werden, sieht Altenburger sogar in der Verletzung von Athletinnen und Athleten. „Egal, was passiert, ein Sportler kann wieder so gut werden wie vorher. Muss er sein übliches Training unterbrechen, konzentriert er sich vielleicht mehr auf die Balance oder die Kraft in Muskelpartien, die zuvor vernachlässigt wurden.“ Daher ist für Altenburger ganz wichtig, seine Patienten nicht nur zu versorgen, sondern sie zu betreuen, bis die Verletzung komplett ausgeheilt ist – zusammen mit den fünf Physiotherapeuten in seiner Ordination. „Ich behandle sie so, wie ich es bei einer eigenen Verletzung gerne hätte.“

Seine Arbeit findet er „so faszinierend wie am ersten Tag“ und mit „seinen“ Athleten fiebert er so richtig mit. Entspannung findet der verheiratete Vater zweier jung erwachsener Söhne – wie zu erwarten – beim Sport. Aber auch beim Musizieren und Musikhören. Da spielt der gebürtige Eisenstädter sozusagen in der Nationalmannschaft: Sein Lieblingskomponist ist Joseph Haydn.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2018