Pul­mo­n­al­em­bo­lie: Gefähr­lich oft unentdeckt

10.10.2018 | Medizin


Die Leta­li­tät der aku­ten Pul­mo­n­al­em­bo­lie ist hoch, ebenso die Rate an nicht ent­deck­ten Lun­gen­em­bo­lien. Wegen der unspe­zi­fi­schen Sym­ptome dau­ert es durch­schnitt­lich drei Tage bis die Dia­gnose gestellt wird. Mit der Prü­fung von acht Kri­te­rien kann mit­un­ter ein ers­ter Ver­dacht erhär­tet oder eine Pul­mo­n­al­em­bo­lie aus­ge­schlos­sen werden.

Ein bis zwei Öster­rei­cher von 1.000 Per­so­nen erleidet/​erleiden im Lauf ihres Lebens eine Lun­gen­em­bo­lie. Zusätz­lich gibt es eine nicht zu unter­schät­zende Dun­kel­zif­fer, da eine Pul­mo­n­al­em­bo­lie auch asym­pto­ma­tisch ver­lau­fen kann. Ver­mut­lich erlei­den viele Men­schen im Lauf ihres Lebens eine leichte Pul­mo­n­al­em­bo­lie, die jedoch durch die hohe Eigen-Lys­e­fä­hig­keit der Lunge auf­ge­löst und gar nicht ent­deckt wird. Zu den häu­figs­ten kar­dio­vas­ku­lä­ren Not­fäl­len hin­ge­gen zählt die akute Pul­mo­n­al­em­bo­lie, die mit einer Leta­li­tät von elf Pro­zent inner­halb der ers­ten bei­den Wochen nach Dia­gno­se­stel­lung einhergeht. 

Vor allem bei chro­nisch Kran­ken blei­ben Lun­gen­em­bo­lien oft unent­deckt, obwohl sie häu­fig sogar die Todes­ur­sa­che sein kön­nen. Auch bei Tumor­pa­ti­en­ten bleibt eine Lun­gen­em­bo­lie oft sym­ptom­los und undia­gnos­ti­ziert. „Es gibt lei­der keine genauen, aktu­el­len Daten zur jähr­li­chen Inzi­denz und Mor­ta­li­tät der Lun­gen­em­bo­lie in Öster­reich. Die Awa­re­ness für die Erkran­kung hat sich in den letz­ten Jah­ren aber deut­lich ver­bes­sert“, sagt Univ. Prof. Mari­anne Brod­mann von der Kli­ni­schen Abtei­lung für Angio­lo­gie an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­täts­kli­nik Graz. „Die Inzi­denz der unent­deck­ten Lun­gen­em­bo­lien mit töd­li­chem Aus­gang ist jedoch nach wie vor hoch“, wie sie betont. Bis zu 30 Pro­zent der leta­len Lun­gen­em­bo­lien wer­den erst post mor­tem vom Patho­lo­gen festgestellt. 

Mit zuneh­men­dem Alter steigt die Inzi­denz für eine Pul­mo­n­al­em­bo­lie expo­nen­ti­ell an. Die Geschlech­ter­ver­tei­lung ist recht aus­ge­gli­chen. Neben gene­ti­schen Prä­dis­po­si­tio­nen ist unter ande­rem auch bei Tumor-Pati­en­ten das Risiko für eine Throm­bos Pul­mo­n­al­em­bo­lie um ein Viel­fa­ches erhöht. Mit einer prä­ven­ti­ven Anti­ko­agu­la­tion könnte man diese Embo­lien bezie­hungs­weise Throm­bo­sen ver­hin­dern; jedoch schwankt das Risiko je nach Pati­en­ten­gruppe stark. 

Unter­tei­lung nach Risiko 

Der Schwe­re­grad einer Lun­gen­em­bo­lie wird nach der Höhe des durch die Erkran­kung beding­ten Todes­ri­si­kos bestimmt; man unter­schei­det nied­ri­ges, mitt­le­res und hohes Risiko. Von Bedeu­tung ist dabei die Unter­tei­lung in Hoch­ri­siko-Pul­mo­n­al­em­bo­lien und Nicht-Hoch­ri­siko-Pul­mo­n­al­em­bo­lien auf­grund von Hämo­dy­na­mik, CT, Echo und Bio­mar­kern. Wie Brod­mann betont, steht bei kli­nisch sta­bi­len, norm­o­ten­si­ven Pati­en­ten die dia­gnos­ti­sche Sicher­heit an obers­ter Stelle, wäh­rend es sich bei hämo­dy­na­misch insta­bi­len Pati­en­ten mit Ver­dacht auf eine Hoch­ri­siko- Pul­mo­n­al­em­bo­lie um einen medi­zi­ni­schen Not­fall han­delt. Ganz grund­sätz­lich ist ent­schei­dend, dass man an eine mög­li­che Lun­gen­em­bo­lie denkt. Der Hin­weis der Exper­tin: Auch bei nur mäßi­ger Wahr­schein­lich­keit muss eine Pul­mo­n­al­em­bo­lie aus­ge­schlos­sen wer­den. Brod­mann wei­ter: „Eine Lun­gen-Szin­ti­gra­phie reicht nicht aus für den Aus­schluss einer Pul­mo­n­al­em­bo­lie.“ Die unzu­rei­chende Abklä­rung bezeich­net sie als eines der größ­ten Pro­bleme. Oft wür­den Pul­mo­n­al­em­bo­lien über­se­hen und irgend­wann ein­mal erhält der Pati­ent den Zufalls­be­fund ‚abge­lau­fene Lun­gen­em­bo­lie‘. „Das sollte nicht pas­sie­ren“, so die Exper­tin. Da es für die Sym­ptome einer Lun­gen­em­bo­lie auch harm­lose Ursa­chen geben kann, eine mas­sive Form der Lun­gen­em­bo­lie jedoch töd­lich ver­lau­fen kann, werde meist eine sofor­tige Abklä­rung per CT-Angio­gra­phie angesteuert. 

In aktu­el­len Stu­dien wur­den acht Kri­te­rien ermit­telt, mit Hilfe derer bei Per­so­nen mit einer nied­ri­gen Vor­test-Wahr­schein­lich­keit eine Lun­gen­em­bo­lie mit hoher Sicher­heit aus­ge­schlos­sen wer­den kann. Trifft kei­nes der acht PERC-Kri­te­rien (pul­mo­nary embo­lism rule-out, siehe Kas­ten) bei Per­so­nen mit einer nied­ri­gen Pul­mo­n­al­em­bo­lie- Wahr­schein­lich­keit zu, ist auch keine wei­tere Dia­gnos­tik erforderlich. 

Die große Varia­bi­li­tät der Sym­ptome erschwert nicht nur die Dia­gnose, son­dern ist auch einer der Gründe für die ver­spä­tete Dia­gnose bezie­hungs­weise die hohe Dun­kel­zif­fer. „Bei eini­gen Sym­pto­men bezie­hungs­weise Kon­stel­la­tio­nen sollte man auf jeden Fall beden­ken, dass es sich um eine Pul­mo­n­al­em­bo­lie han­deln könnte“, betont Ass. Prof. Karin Janata von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Not­fall­me­di­zin am AKH Wien. Klagt bei­spiels­weise ein Pati­ent über plötz­li­che Atem­not oder Tho­rax­schmer­zen, tre­ten ohne ersicht­li­chen Grund plötz­lich Syn­ko­pen auf, sollte auch bei jun­gen und gesun­den Men­schen eine Pul­mo­n­al­em­bo­lie als Ursa­che in Erwä­gung gezo­gen wer­den. So wurde in einer rezen­ten Stu­die bei jedem sechs­ten Men­schen, der wegen einer Syn­kope hos­pi­ta­li­siert wurde, letzt­lich eine Pul­mo­n­al­em­bo­lie entdeckt. 

„Mus­ku­los­ke­lettale Beschwer­den, aku­tes Koro­nar­syn­drom und Lun­gen­ent­zün­dun­gen sind klas­si­sche Dif­fe­ren­ti­al­dia­gno­sen“, so Janata. Gleich­zei­tig kön­nen akute respi­ra­to­ri­sche Infekte die Ent­ste­hung von Pul­mo­n­al­em­bo­lien trig­gern, ins­be­son­ders dann, wenn Bett­lä­ge­rig­keit besteht. Es sollte daher bei Pati­en­ten mit Atem­wegs­in­fek­ten, deren Sym­ptome unter einer adäqua­ten The­ra­pie nicht bes­ser wer­den bezie­hungs­weise nach initia­ler Bes­se­rung wie­der aggra­vie­ren, auch an eine Pul­mo­n­al­em­bo­lie gedacht wer­den. Zeigt sich bei Schmer­zen am Mus­kel- und Bewe­gungs­ap­pa­rat auf eine adäquate Schmerz­the­ra­pie keine Bes­se­rung oder sind sie Atem-abhän­gig, sollte auch eine Pul­mo­n­al­em­bo­lie in Erwä­gung gezo­gen werden. 

Auch ver­schie­denste unde­fi­nierte Atem­be­schwer­den und Tho­rax­schmer­zen kön­nen auf eine Pul­mo­n­al­em­bo­lie hin­wei­sen. Dys­pnoe mit plötz­li­chem Beginn ist bei 80 Pro­zent der in Folge als Pul­mo­n­al­em­bo­lie dia­gnos­ti­zier­ten Fälle vor­han­den; Atem­not allein ist jedoch kein spe­zi­fi­sches Sym­ptom einer Pul­mo­n­al­em­bo­lie. Bei 70 Pro­zent der Betrof­fe­nen tritt zusätz­lich eine Tac­hyp­noe auf und 52 Pro­zent der Pati­en­ten geben pleu­ri­ti­sche oder retrost­er­nale Tho­rax­schmer­zen an. Tachy­kar­die, Hus­ten, Zya­nose, Häm­op­ty­sen und auch Fie­ber gehö­ren eben­falls zu den typi­schen, jedoch unspe­zi­fi­schen Sym­pto­men, die viel Platz für Fehl­dia­gno­sen bie­ten. Zwar gehört die Unter­su­chung auf das Vor­lie­gen einer Bein­ve­nen­throm­bose zur kli­ni­schen Stan­dard­ab­klä­rung bei Ver­dacht auf eine Pul­mo­n­al­em­bo­lie; jedoch liegt die Inzi­denz ein­deu­ti­ger kli­ni­scher Zei­chen dafür ledig­lich bei 15 Pro­zent. „Das Feh­len typi­scher kli­ni­scher Zei­chen einer tie­fen Venen­throm­bose schließt das Vor­lie­gen einer sol­chen aller­dings nicht aus“, so Janata. YM 

PERC-Kri­te­rien

• Erhöhte Puls­fre­quenz (min­des­tens 100 Schläge pro Minute)
• Arte­ri­elle Sau­er­stoff­sät­ti­gung von 94 Pro­zent oder weni­ger
• Ein­sei­tige Bein­schwel­lung
• Häm­op­tyse
• Kürz­li­che Ope­ra­tion oder Ver­let­zung
• Lun­gen­em­bo­lie oder tiefe Venen­throm­bose in der Ver­gan­gen­heit
• Alter über 50 Jahre
• Ein­nahme von Östrogenen

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 19 /​10.10.2018