Pneumonie und Sepsis: Häufig vergesellschaftet

10.11.2018 | Medizin


Der Großteil aller Sepsisfälle geht von einer Pneumonie aus. Pro Jahr erkranken rund 100.000 Menschen in Österreich an einer Pneumonie. Das Fehlen eines pathognomischen Leitsymptoms macht es oft schwierig, eine Sepsis zu diagnostizieren. Die Diagnose erfolgt anhand von klinischen Parametern und diagnostischen Markern.

Sepsis ist wahrscheinlich das Syndrom, an dem die meisten Menschen im Krankenhaus sterben, obwohl man das in einigen Fällen verhindern könnte“, betont Univ. Prof. Klaus Markstaller von der Universitätsklinik für Anästhesie, allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie am AKH Wien. Da es sich bei der Sepsis um ein Syndrom und keine Krankheit handle, die sich nicht auf ein Organ beschränke und durch unterschiedliche Erreger oder auch Traumen verursacht werden kann, wird sie „oft nicht wirklich als eigenständige Erkrankung wahrgenommen“, führt Markstaller weiter aus.

Zwischen 40 und 60 Prozent aller Sepsisfälle gehen von einer Pneunomie aus. Bei nosokomialen Pneumonien kommt es im Gegensatz zu ambulant erworbenen Pneumonien häufiger zu Komplikationen wie beispielsweise zu einer Sepsis. Auch ist die Letalität um bis zu 50 Prozent höher, da die Betroffenen oft aufgrund einer Grunderkrankung beeinträchtigt und geschwächt sind.

Ganz prinzipiell ist es von zentraler Bedeutung, eine allfällige Pneumonie überhaupt zu erkennen und adäquat zu behandeln, damit es gar nicht zu einer Sepsis kommen kann. Markstaller dazu: „Darauf ist vor allem bei Menschen mit vorhandenen Risikofaktoren und Vorerkrankungen zu achten, da diese besonders gefährdet sind, im Verlauf eine Sepsis oder andere Komplikationen zu entwickeln“. Risikofaktoren sind beispielsweise Immunsuppression, onkologische Erkrankungen, Diabetes mellitus, chronische Atemwegserkrankungen, Multimorbidität und hohes Alter. Mit dem Alter erhöht sich die Sterblichkeit der Pneumonie. So beträgt etwa die Mortalität bei ambulant erworbenen Pneumonien bei den unter 65-Jährigen fünf Prozent, bei den über 65-Jährigen 13 Prozent.

Besteht der Verdacht auf eine Pneumonie und der Patient ist stabil, können diagnostische Maßnahmen wie ausgedehnte Auskultation auf feuchte Rasselgeräusche, Oxygenierungskontrolle, Erhebung von Entzündungsparametern wie das CRP und Thorax- Röntgen erfolgen. Instabile Patienten, bei denen eine i.v.-Antibiose notwendig ist, sollten in ein Spital eingewiesen werden.

Kommt es auf Basis einer Pneumonie zur Sepsis, zeigt sich dies an Veränderungen der Vitalparameter: Blutdruck, Atem- und Herzfrequenz, Wahrnehmung, Körpertemperatur etc. „In der Regel kommt es bei allen Sepsis-Patienten zu einer Reduktion des Allgemeinzustandes ohne erklärbare Ursache“, betont Univ. Prof. Günter Weiss von der Abteilung für Pneumologie, Infektiologie, Immunologie und Rheumatologie an der Uniklinik Innsbruck. Die Diagnose selbst erfolgt anhand von klinischen Parametern und den vorliegenden diagnostischen Markern. „Ein pathognomisches Leitsymptom gibt es nicht“, unterstreicht Weiss.

Mit Hilfe des SOFA-Score oder des APACHE II-Score können Wahrscheinlichkeit, Akutheit sowie Letalitäts- beziehungsweise Mortalitätsrate einer Sepsis abgeschätzt werden. Diese Scores dienten allerdings nicht dazu, den Erfolg von medizinischen Eingriffen oder Maßnahmen zu berechnen oder zu beeinflussen, sondern „lediglich für die klinische Untersuchung, die Risiko- und Prognosebestimmung“, stellt Weiss klar. Auf Intensivstationen, wo solche Scores vorwiegend zum Einsatz kommen, werden sie eingesetzt, um eine initiale Risikostratifizierung vornehmen zu können.

Um das Sepsis-Risiko schneller abschätzen zu können, wurde der quick Sequential Organ Failure Assessment-Score (qSOFA) entwickelt. Sind zwei der drei Kriterien Bewusstseinsveränderung (Glasgow Coma Scale <15), Atemfrequenz ≥22/min und systolischer Blutdruck ≤100 mmHg erfüllt, ist das Risiko für eine Sepsis und einen schlechten Outcome hoch. Weiss dazu: „Der qSOFA ist prognostisch sehr sensitiv und erzielt außerhalb von Intensivstationen bessere Ergebnisse als der SOFA-Score.“ Mit diesem kann die Dysfunktion von verschiedenen Organsystemen untersucht werden; allerdings ist er sehr aufwändig. Darüber hinaus existiert noch eine Vielzahl an weiteren Scores; in der Praxis hat sich für die Diagnose und Risikoabschätzung einer Sepsis jedoch der qSOFAScore als am geeignetsten erwiesen. Besteht der Verdacht, dass eine Infektion streuen könnte, sollte der qSOFA-Test angewendet werden. „Eine Infektion kann zu Beginn allerdings auch recht unauffällig und ohne Fieber verlaufen. Das heißt zum Beispiel bei diffus reduziertem Allgemeinzustand mit eingeschränkter Bewusstseinslage muss ebenfalls eine Sepsis als Ursache in Erwägung gezogen und die restlichen Vitalparameter überprüft werden“, erklärt Weiss. Auch der Laktat- und Procalcitonin-Wert sind von Bedeutung. So ist Laktat ein „sehr guter“ (Weiss) Indikator für Organstörungen und die Durchblutung; im Verlauf ist er wichtig für die Ausgestaltung der Intensiv-Therapie. Procalcitonin wiederum informiert über den Verlauf der Infektion und die Wirksamkeit der antibiotischen Therapie. Erhärtet sich die Verdachtsdiagnose „Sepsis“, ist der Zeitfaktor entscheidend. Markstaller: „Der Verdacht auf Sepsis gilt als Notfall und ist vom Stellenwert mit einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu vergleichen und auch so zu behandeln“. Im Vordergrund sollte ein möglichst schneller Transfer in die Klinik stehen – idealerweise mit einer telefonischen Vorinformation an das Krankenhaus, „um eine lückenlose und angemessene Betreuung des Patienten zu gewährleisten“, wie Markstaller unterstreicht. In der ersten Stunde sollten Blutkulturen abgenommen werden, um Erreger zu bestimmen, eine breite i.v.-Antibiose in Richtung des vermuteten Keims und zusätzlich ebenso eine Volumentherapie zur Kreislaufstabilisierung begonnen werden.

Genaue Anamnese

Bei der Anamnese erweist sich auch das Erfragen der Berufsgruppe als wichtig – können doch speziell über Krankenhaus- Mitarbeiter Keime verschleppt werden, die in der Folge eine nosokomiale Infektion verursachen. „Hilfreich ist Wissen über das aktuelle Erregerspektrum der jeweiligen Umgebung, eventuelle Resistenzen und Behandlungsmaßnahmen, um eine leitliniengerechte Therapie zu ermöglichen“, so Weiss. Und weiter: „Informationen dazu können an mikrobiologischen Instituten erworben werden.“

Pneumokokken verursachen rund ein Drittel aller Pneunomien und sind gleichzeitig der insgesamt häufigste Erreger. Markstaller betont die Wichtigkeit der Pneumokokken-Impfung als Präventionsmaßnahme. Diese Impfung sollten – ebenso wie die Hämophilus influenzae-Impfung – vor allem Kinder, Risikopersonen und generell Patienten über 50 Jahre erhalten. Weitere Möglichkeiten, einer Pneumonie und eventuell damit einhergehenden Komplikationen vorzubeugen, sind die fachgerechte Behandlung von chronischen Lungenerkrankungen, Rauchstopp, ausreichend Sport und Bewegung.

Markstaller hebt auch den Stellenwert des niedergelassenen Arztes hervor. „Schon zu Beginn der Erkrankung sollte der Betroffene darauf hingewiesen werden, rasch einen Arzt zu konsultieren, wenn eine Lungenerkrankung nicht abklingt oder ungewöhnlich belastend ist.“ Der Tipp des Experten für Ärztinnen und Ärzte: Bei Infektionen sollte prinzipiell immer auch an die Möglichkeit einer Sepsis gedacht werden – und anhand der qSOFA-Kriterien eine erste Einschätzung erfolgen. (red)

Pneunomie und Sepsis: die Fakten

Weltweit erkranken jährlich bis zu 450 Millionen Menschen an einer Pneumonie; in Österreich sind es rund 100.000. Die Sterblichkeitsrate der hospitalisierten Personen, die an einer Community Aquired Pneumonia leiden, liegt bei zehn Prozent. Damit ist die Lungenentzündung in Österreich die am häufigsten zum Tod führende Infektionskrankheit. Die Sepsis stellt in diesem Zusammenhang eine der bedrohlichsten Komplikationen dar. Die Letalität wird jedoch von zahlreichen Faktoren wie Alter und genereller Konstitution des Patienten im Hinblick auf den Immunstatus, Vorerkrankungen etc. sowie die Art des Erregers, den Beginn der Erkrankung und die Therapie beeinflusst. Kommt es zu einer Sepsis, liegt die Mortalität zwischen 30 und 40 Prozent.

 © Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2018