Interview Univ. Prof. Kurt Widhalm: Mehr Aktivitäten

25.06.2018 | Medizin

Für eine stärkere Verankerung der Ernährungsmedizin in der klinischen Medizin plädiert Univ. Prof. Kurt Widhalm, Herausgeber des Journals für Ernährungsmedizin, das im Verlagshaus der Ärzte erscheint. Das Gespräch führte Christina Schaar.

Das Journal für Ernährungsmedizin feiert dieses Jahr sein 20-Jahr-Jubiläum. Wie kam es dazu? Die Gründung des Journals für Ernährungsmedizin erfolgte 1998 parallel zur Gründung des Österreichischen Instituts für Ernährungsmedizin in Anlehnung an deutsche Aktivitäten. Schon vor mehr als 20 Jahren hat man beim Deutschen Ärztetag festgestellt, dass Ärzte für Ernährungsfragen nicht kompetent genug ausgebildet sind. Daraufhin wurden in Freiburg, Göttingen und München Institute gegründet, um die postgraduelle Ausbildung von Ärzten im Bereich Ernährungsmedizin sicherzustellen. Die Gründung der Akademie in Österreich war wegen der großen Nachfrage in Österreich und des offensichtlichen Bedarfs nur ein logischer Schritt. Die neuesten Erkenntnisse aus dem Bereich der Ernährungsmedizin, speziell jene aus englischsprachigen Journalen, werden im Journal für Ernährungsmedizin publiziert.

Was hat sich in diesen 20 Jahren getan? Wir haben rund 1.800 Ärztinnen und Ärzte in Ernährungsmedizin ausgebildet. Im Bereich der Ernährungsmedizin selbst hat sich viel getan, denkt man etwa an Probiotika, das Reizdarmsyndrom, Transfettsäuren, verschiedene Mangelzustände, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, aber auch an den Stellenwert der Ernährung bei onkologischen Erkrankungen. Es gibt sehr viele Themen, die in der täglichen Praxis jedes einzelnen Arztes eine große Rolle spielen. Das ist eines der vorrangigen Ziele der Akademie: die Prävention zu forcieren und nicht erst dann zu intervenieren, wenn ein ernährungsabhängiges Problem eingetreten ist.

Vor welchen Herausforderungen steht die Ernährungsmedizin?
Es muss noch viel mehr geschehen in diesem Bereich. Die Ernährungsmedizin sollte ein wesentlicher Bestandteil der klinischen Medizin werden und auch noch viel stärker verankert werden. In Österreich wird in der Medizin immer noch der medikamentöse und technische Bereich sehr stark forciert, jedoch der „Lifestyle-Bereich“ viel zu wenig berücksichtigt. Im Vergleich zu Schweden verbringen Österreicher zehn Jahre weniger ihrer Pension ohne Krankheiten. Die Menschen gehen auch früher in Pension aufgrund von Invalidität und dabei spielen ernährungsabhängige Erkrankungen wie Herzinfarkt, Skelett- und Gefäßerkrankungen, Schlaganfälle, Übergewicht, Fettleber, Diabetes mellitus und vieles mehr eine sehr große Rolle. Hier könnte sehr viel Leid erspart werden und es gibt auch Untersuchungen, die belegen, dass auch viel Geld eingespart werden könnte, würde man Prävention ernsthaft und konsequent betreiben.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2018