Inter­view Univ. Prof. Bea­trix Volc-Plat­zer: Schu­lun­gen redu­zie­ren Kosten

25.06.2018 | Medizin

Die posi­ti­ven sozio­öko­no­mi­schen Aus­wir­kun­gen von Neu­ro­der­mi­tis-Schu­lun­gen kön­nen einer­seits Medi­ka­men­ten­kos­ten sen­ken und tra­gen ande­rer­seits auch zur Reduk­tion von krank­heits­be­ding­ten Aus­fäl­len im Job bei, erklärt Univ. Prof. Bea­trix Volc-Plat­zer von der Der­ma­to­lo­gi­schen Abtei­lung am Kran­ken­haus SMZ Ost in Wien im Gespräch mit Yvonne Moriel.

Wie sieht die Betreu­ung von Neu­ro­der­mi­tis- Betrof­fe­nen in Öster­reich aktu­ell aus? Zur Vor­ge­schichte: In Deutsch­land wurde in den 1990er Jah­ren von der Arbeits­ge­mein­schaft Neu­ro­der­mi­t­is­schu­lung AGNES ein struk­tu­rier­tes Cur­ri­cu­lum für Neu­ro­der­mi­tis-Schu­lun­gen für Pati­en­ten bezie­hungs­weise deren Ange­hö­rige sowie ein Aus­bil­dungs­cur­ri­cu­lum für Neu­ro­der­mi­tistrai­ner, Ärzte, Psy­cho­lo­gen, Ernäh­rungs­be­ra­ter ent­wi­ckelt. 2010 haben wir in Öster­reich die erste Trai­ner­aus­bil­dung durch ein Team der AGNES unter der Lei­tung von Prof. Uwe Gie­ler durch­ge­führt und in wei­te­rer Folge die ers­ten Neu­ro­der­mi­t­is­schu­lun­gen für Pati­en­ten ange­bo­ten. Dabei erfolgt die Betreu­ung durch das spe­zi­ell aus­ge­bil­dete Team bestehend aus Psy­cho­lo­gen, Der­ma­to­lo­gen und Ernäh­rungs­be­ra­tern. Die Schu­lung wird in sechs Modu­len à zwei Stun­den ein­ma­lig abge­hal­ten. Die von der AGNES kal­ku­lier­ten Kos­ten belau­fen sich je nach Alters­gruppe der Pati­en­ten auf circa 400 bis 700 Euro.

Was ist das Ziel die­ser Schu­lun­gen?
Die umfas­sende Auf­klä­rung über die Krank­heit selbst und der Umgang damit ste­hen an ers­ter Stelle. Da Neu­ro­der­mi­tis als chro­ni­sche Haut­krank­heit auch einen star­ken psy­chi­schen Aspekt hat, ist die fach­spe­zi­fi­sche Betreu­ung in diese Rich­tung eben­falls sehr wich­tig. Die Pati­en­ten ler­nen bei­spiels­weise Ent­span­nungs­übun­gen, Ver­mei­dungs­stra­te­gien, um wei­tere Haut­ir­ri­ta­tio­nen zu ver­hin­dern, spe­zi­elle Ver­hal­tens­maß­nah­men, um den star­ken Juck­reiz kon­trol­lie­ren zu kön­nen und das Krat­zen zu ver­mei­den und wel­chen Stel­len­wert die Ernäh­rung hat. Der Juck­reiz ist eines der quä­lends­ten Sym­ptome der Krank­heit. Er beein­träch­tigt die Lebens­qua­li­tät und schränkt die Leis­tungs­fä­hig­keit stark ein. 

Gibt es Stu­dien bezüg­lich der posi­ti­ven sozio­öko­no­mi­schen Aus­wir­kun­gen die­ser Schu­lungs­pro­gramme? Ja, mitt­ler­weile gibt es eine Reihe kon­trol­lier­ter Stu­dien. Der sozio­öko­no­mi­sche Impact der Krank­heit ist gene­rell nicht zu unter­schät­zen. Die posi­ti­ven wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen kom­men jedoch nicht rein durch nied­ri­gere Medi­ka­men­ten­kos­ten etc. zu Stande, son­dern vor allem durch die gerin­ge­ren krank­heits­be­ding­ten Aus­fälle im Job, durch eine gerin­gere Zahl an Pfle­ge­ta­gen bei den Eltern und eine Reduk­tion schwe­rer Krank­heits­schübe durch Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men durch die umfas­sende Auf­klä­rung inklu­sive der Infor­ma­tio­nen über Verhaltensmaßnahmen. 

Wel­che neuen Erkennt­nisse bei Neu­ro­der­mi­tis gibt es aus dem Bereich der For­schung? Die For­schung geht in Rich­tung genaue­rer Cha­rak­te­ri­sie­rung der an der Ent­zün­dung betei­lig­ten T‑Hel­fer-Zel­len und den­dri­ti­schen Zel­len, der Inter­leu­kine und Che­mo­kine bezie­hungs­weise deren Rezep­to­ren und in Rich­tung mole­ku­lar­ge­ne­ti­scher Grund­la­gen von Ent­zün­dungs­mus­tern, nicht zuletzt um geziel­tere und auf den ein­zel­nen Pati­en­ten zuge­schnit­tene The­ra­pien zu ermög­li­chen. So gibt es neue The­ra­pie­an­sätze im Bereich der „small mole­cu­les“ – Janus­ki­nase oder JAK-Inhi­bi­to­ren – und der mono­klon­a­len Anti­kör­per gegen Inter­leu­kine oder deren Rezep­to­ren, die vor allem für Pati­en­ten mit schwe­rem Krank­heits­ver­lauf, bei Nicht­an­spre­chen oder Unver­träg­lich­keit von Cor­ti­son oder Immun­sup­pres­siva eine poten­ti­elle Alter­na­tive dar­stel­len. Ein mono­klon­a­ler Anti­kör­per gegen den Inter­leu­kin 4‑Rezeptor ist bereits für Erwach­sene zuge­las­sen, Stu­dien mit Anti­kör­pern zum Bei­spiel gegen Inter­leu­kin 31 oder Inter­leu­kin 13 lau­fen gerade. Stu­dien zur The­ra­pien mit­tels Janus­ki­nase-Inhi­bi­to­ren lau­fen ebenfalls.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 12 /​25.06.2018