Gynäkologie: Wenn Unterbauchschmerzen chronifizieren

25.03.2018 | Medizin


Ob gynäkologisch, urologisch, muskuloskelettal, vom Darm ausgehend oder psychogen – die Bandbreite für die Ursache des chronischen Unterbauchschmerzes der Frau ist sehr groß. Neben einer gründlichen Abklärung und sorgfältigen Anamnese ist eine Laparoskopie meist unerlässlich.
Christina Schaar

Dauert der Schmerz länger als sechs Monate, spricht man vom chronischen Unterbauchschmerz“, erklärt Alexandra Ciresa- König von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde Innsbruck. Zuerst ist abzuklären, was auszuschließen ist, denn ein vermuteter Schmerz aus dem Bereich der Gebärmutter kann auch von den harnableitenden Wegen kommen und bedarf einer urologischen Abklärung. Im Fall der interstitiellen Zystitis handelt es sich zum Beispiel um einen Blasenschmerz, obwohl die Patientinnen meinen, der Schmerz komme von der Gebärmutter. Diese erweist sich bei der gynäkologischen Untersuchung jedoch als unauffällig.

Aus gynäkologischer Sicht können Infektionen, Lageanomalien der Gebärmutter und bei älteren Frauen auch Varizen die Ursache sein. Hierbei können sich Krampfadern am Bein oder am Oberschenkel auch ins kleine Becken fortsetzen und als Vasokongestion zeigen. Um einen „Klassiker“ für chronische Unterbauchschmerzen handelt es sich bei der Endometriose. „Die tief infiltrierende Endometriose ist ein ernsthaftes Problem“, erklärt ao. Univ. Prof. Martin Langer von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am AKH Wien. Diese müsse durch einen erfahrenen Operateur, meist laparoskopisch, saniert werden.

Endometriose-Patientinnen können zu chronischen Schmerzpatientinnen werden, da die Schmerzen prolongierte Schmerzen sind. „Man gewöhnt sich nicht an die Schmerzen, sondern sie werden mit der Dauer der Präsenz intensiver“, so Ciresa- König. Auch eine unbehandelte Ovarialzyste kann zum chronischen Beckenschmerz führen. „Nach einer klassischen Zystenentfernung an einem Eierstock kann es zu Adhäsionen kommen“, führt Langer weiter aus, denn diese postoperativen Verwachsungen können Schmerzen verursachen.

Aber auch Beschwerden aus dem Darmbereich können sehr starke Unterbauchschmerzen verursachen, was sehr häufig bei älteren Patientinnen der Fall ist. Diese können oft gar nicht glauben, dass nicht mehr hinter derartigen Schmerzen steckt. Besonders stark können Schmerzen während eines akuten Schubs im Rahmen einer chronischen Obstipation wahrgenommen werden. Hierbei sind eine Stuhlregulation und Diätberatung im Sinn von ballaststoffreicher Kost von großer Bedeutung.

Wirbelsäule als Ursache

Jedoch auch der muskuloskelettale Bereich kann chronische Unterbauchbeschwerden verursachen: Probleme mit der Lendenwirbelsäule, Abnützungserscheinungen an der Wirbelsäule bis hin zum Hüftgelenk und Kreuzbein, aber auch alte Verletzungen „Die Frage nach einem vorangegangenen Unfall kann sehr aufschlussreich sein, denn auch ganz banale Stürze, die zwar keine schwerwiegenden Verletzungen verursacht haben, können eine muskuloskelettale Problematik verursachen“, meint Ciresa-König. Besonders bei Iliosakral-Problematiken macht es Sinn, die Patientin aufstehen und einige Schritte gehen zu lassen und sie zu fragen, wo sie Schmerzen verspürt.

Bei Verdacht auf muskuloskelettale Beschwerden sollte an Physiotherapie oder Orthopädie gedacht werden. Nicht selten klagen Patientinnen mit einem Beckenschiefstand aufgrund der unterschiedlichen Beinlänge über Unterbauchschmerzen, obwohl es sich hierbei um ein orthopädisches Problem handelt. „Das Auge muss geschult werden, auch das Denken, um nicht nur auf das Organ zu schauen, sondern ganzheitlich zu denken“, unterstreicht Ciresa-König.

Sehr wichtig ist eine gute und genaue Anamnese, um zu erfragen, wann der Schmerz grundsätzlich auftritt, wie das Stuhl- und Miktionsverhalten ist und ob irgendwelche Zusammenhänge mit der Menstruation zu erkennen sind. Weitere Fragen wie nach dem Geschlechtsverkehr (eventueller Schmerz während des Geschlechtsverkehrs), ob es einen Partner gibt (Sexualanamnese), nach dem Beruf der Patientin und ihrer Lebensumstände vervollständigen das Bild. Dadurch können auch Rückschlüsse im Hinblick auf die Belastung gezogen werden – sowohl der Gegenwart als auch aus der Vergangenheit. Neben einer gründlichen gynäkologischen Untersuchung, der Anamnese, dem vaginalen Ultraschall, MR (bei einem konkreten Anhaltspunkt) „ist die Laparoskopie beim chronischen Beckenschmerz für eine gute und ausreichende Diagnostik unabdingbar“, so Langer. Mehr als zwei Drittel aller Frauen, die als Kind, im Jugendalter oder zu einem späteren Zeitpunkt körperliche oder vor allem sexuelle Traumata erlitten haben, reagieren darauf mit chronischen Beckenschmerzen, weswegen diese „immer auf beiden Ebenen behandelt werden müssen“, betont Langer.

Auch häusliche Gewalt spielt als Ursache von chronischen Beckenschmerzen eine große Rolle – immer wieder kommen Frauen auch aufgrund anderer Symptome. „Hier sind wir gefordert, darauf zu achten, dass die Ursache eine andere ist“, meint Ciresa -König. Liegt vielleicht ein traumatisches Ereignis in der frühen Kindheit, so ist es durchaus möglich, dass trotz organischer Abklärung und Psychotherapie keine Ursache gefunden wird, da das Problem „gut versteckt“ ist. Wichtig ist, der Patientin nach genauer organischer Abklärung die Angst zu nehmen, dass es sich hierbei um nichts Gefährliches handelt und sie nicht aus der Betreuung zu entlassen.

Unterschiedliche Schmerzwahrnehmung

Dass die Korrelation zwischen den objektiv gefundenen Befunden und den subjektiv verspürten Beschwerden nicht sehr gut ist, veranschaulicht Langer an folgendem Beispiel. So gibt es zum Beispiel Patientinnen, die massivste Endometrioseveränderungen und wenige bis gar keine Beschwerden haben und dann wiederum andere Betroffene, die minimale Veränderungen aufweisen und über massive Schmerzen klagen. Die Frauen kommen oft mit einem sehr großen Leidensdruck; sie waren bei unzähligen Ärzten und leiden unter Schmerzen – mit der Gefahr, dass die Betroffenen nicht ernst genommen und abgestempelt werden. „Daher ist es sehr wichtig, nicht aufzugeben und weiter nach der Ursache der Schmerzen zu suchen“, betont Ciresa-König. Vorsicht ist jedoch bei der Einnahme von Schmerzmitteln geboten, wenn keine klare Ursache gefunden werden kann, damit die Patientin nicht unter Umständen in eine medikamentöse Abhängigkeit gerät. „Sind ungeklärte Bauchschmerzen so stark, dass Schmerzmittel nötig sind, stimmt etwas nicht und man muss die Ursache finden“, so Ciresa-König. Alternative Behandlungs- und Entspannungsmethoden, Massagen, Wärmebehandlungen können manchmal hilfreich sein. Oft ist auch ein stationärer Aufenthalt in einer Psychosomatischen Klinik nötig, um den Umgang mit dem Schmerz zu erlernen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2018