Fall aus der Pra­xis – Mutterschutz-Freistellung

25.05.2018 | Medizin


Laut Mut­ter­schutz-Gesetz muss für alle Arbeits­plätze, an denen Frauen beschäf­tigt sind, eine Mut­ter­schutz-Eva­lu­ie­rung erfol­gen. Dies sollte schon im Zuge der all­ge­mei­nen Arbeits­platz- Eva­lu­ie­rung erfol­gen – und nicht erst, wenn eine Ange­stellte schwan­ger wird.
Made­leine Rohac

Mir geht es nicht gut! Wenn gefeilt wird, muss ich immer hus­ten und ich habe Angst, dass das Gel mei­nem Baby scha­det“, klagt die 28-jäh­rige Schwan­gere, die als Nagel­de­si­gne­rin tätig ist, beim Inter­nis­ten. Und fragt: „Kön­nen Sie mich nicht freistellen?“ 

Sie ist in der 16. Schwan­ger­schafts­wo­che, laut der ers­ten Unter­su­chung im Mut­ter-Kind-Pass ist alles in Ord­nung bis auf ein leicht ernied­rig­tes Hämo­glo­bin von 10,1 g/​dl bei einer Ery­thro­zy­ten-Zahl von 3,9 T/​l. Bei der letz­ten Ultra­schall­kon­trolle beim Gynä­ko­lo­gen hatte sie über leichte Atem­not beim Stie­gen stei­gen und Herz­klop­fen berich­tet, wes­we­gen er eine Kon­trolle beim Inter­nis­ten emp­foh­len hatte. Mit gefähr­li­chen Arbeits­stof­fen habe sie, seit sie schwan­ger sei, nicht mehr tun, erklärt sie. Seit­her sei sie nur noch am Emp­fang tätig. Das hätte die Arbeits­me­di­zi­ne­rin mit der Che­fin für alle, die schwan­ger wer­den, so festgelegt. 

Eva­lu­ie­rung an allen Arbeitsplätzen 

Die Mut­ter­schutz-Eva­lu­ie­rung muss für alle Arbeits­plätze, an denen Frauen beschäf­tigt sind, gemacht wer­den, legt das öster­rei­chi­sche Mut­ter­schutz-Gesetz (MSchG) fest. „Wich­tig ist, dass die Mut­ter­schutz-Eva­lu­ie­rung im Zuge der all­ge­mei­nen Arbeits­platz- Eva­lu­ie­rung gemacht wird und nicht erst, wenn es eine Schwan­gere im Betrieb gibt“, führt Arbeits­me­di­zi­ne­rin Andrea Kern­mayer von der Abtei­lung Arbeits­me­di­zin und Arbeits­psy­cho­lo­gie im Zen­tral­ar­beits­in­spek­to­rat des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Arbeit, Sozia­les und Kon­su­men­ten­schutz aus. Und wei­ter: „Dann hat man im Falle einer Schwan­ger­schaft sofort zur Hand, wel­che Belas­tun­gen es am Arbeits­platz gibt und wel­che Tätig­kei­ten die Mit­ar­bei­te­rin machen kann und wel­che nicht.“ 

Der Inter­nist stellt bei der Schwan­ge­ren zusätz­lich zur leich­ten Anämie einen Eisen­man­gel fest und ver­ord­net eine Eisen­sub­sti­tu­tion. „Erkran­kun­gen, die vor­über­ge­hen kön­nen, wie Hypere­me­sis, Lum­bal­gie, Eisen­man­gel sind keine Frei­stel­lungs­gründe“, betont Kern­mayer. Die medi­zi­ni­schen Indi­ka­tio­nen gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 Mut­ter­schutz-Gesetz sind in der Mut­ter­schutz­ver­ord­nung gelis­tet und umfas­sen bei­spiels­weise Fehl­bil­dun­gen des Ute­rus, ein throm­bo­em­bo­li­sches Gesche­hen in der lau­fen­den Schwan­ger­schaft oder Prä­ek­lamp­sie. Wich­tig ist aus Sicht von Kern­mayer, dass fach­ärzt­li­che Frei­stel­lungs- Zeug­nisse nur aus den gesetz­lich fest­ge­leg­ten Grün­den aus­ge­stellt wer­den und nur dafür die in der Anlage der Mut­ter­schutz­ver­ord­nung ent­hal­te­nen For­mu­lare 1 (zur Vor­lage beim Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger) und 2 (ohne Dia­gnose zur Vor­lage beim Dienst­ge­ber) ver­wen­det werden. 

Bei allen ande­ren schwer­wie­gen­den Grund­er­kran­kun­gen, die unab­hän­gig von der Art der Tätig­keit eine Gefahr für Leben oder Gesund­heit von Mut­ter oder Kind dar­stel­len, muss die Frei­stel­lung wei­ter­hin durch einen Amts­arzt oder einen Arbeits­in­spek­ti­ons­arzt erfol­gen. „Dafür bitte fach­ärzt­li­che Atteste aus­stel­len, aber nicht die For­mu­lare der Mut­ter­schutz­ver­ord­nung ver­wen­den, sonst gehen die Schwan­ge­ren damit gleich zum Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger, wer­den von dort wie­der zurück­ge­schickt. Es ent­ste­hen unnö­tige Wege, genau das, was wir mit der neuen Rege­lung ver­mei­den woll­ten“, betont Kernmayer. 

Mut­ter­schutz­ver­ord­nung: Die Details 

Seit 1. Jän­ner 2018 ist die Mut­ter­schutz­ver­ord­nung (MSchV) in Kraft, die Gynä­ko­lo­gen und Inter­nis­ten berech­tigt, Frei­stel­lun­gen für Schwan­gere aus in der Ver­ord­nung auf­ge­lis­te­ten medi­zi­ni­schen Indi­ka­tio­nen aus­zu­stel­len. Bis­her war die Aus­stel­lung von Frei­stel­lungs­zeug­nis­sen Amts­ärz­ten oder Arbeits­in­spek­ti­ons­ärz­ten vorbehalten.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2018