Europäische Impfwoche 2018 – Größere Sensibilisierung erreichen

25.04.2018 | Medizin


Eine der zentralen Botschaften der von der WHO und ECDC ausgerufenen Europäischen Impfwoche ist trotz der allgemein gehaltenen Formulierung „Prevent. Protect. Vaccinate“ die aktuelle Masern-Situation in Europa. Ein weiteres Ziel: ein größeres Impfverständnis mit höheren Durchimpfungsraten zu erreichen.

Christina Schaar

Die diesjährige Europäische Impfwoche – sie findet vom 23. bis 29. April 2018 statt – steht unter dem Motto „Vorbeugen. Schützen. Impfen“ und wird in alle Teile der Europäischen Region getragen. Ziel ist es, eine erhöhte Sensibilisierung von Eltern und Betreuern, in Gesundheitsberufen Tätigen, politischen Entscheidungsträgern und Medien für eine höhere Akzeptanz von Impfungen und höhere Durchimpfungsraten zu erreichen. Aus diesem Anlass veranstaltet die Österreichische Gesellschaft für Vakzinologie in dieser Woche (25. April) ein Symposium rund um das Thema Impfen. Eines der Hauptthemen dabei stellt die hohe Zahl der Masern-Erkrankungen in Europa dar. Die aktuellen Daten des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) verdeutlichen, dass in den letzten zwei Jahren in den Staaten der EU sowohl Kinder als auch Erwachsene an Masern oder deren Komplikationen gestorben sind – „obwohl effektive und gut verträgliche Impfstoffe zur Verfügung stehen“, wie Univ. Prof. Ursula Wiedermann-Schmidt vom Institut für Prophylaxe und Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien betont.

Impfbereitschaft geringer

Viele junge Eltern wollen ihre Kinder nicht impfen lassen oder aber es fehlen die Einstellung und Bereitschaft zum „Gemeinschaftsschutz“. Durch mangelndes Wissen, eine zu geringe Gesundheitskompetenz oder der Einstellung „mein Immunsystem ist gut“ und „ich ernähre mich gesund“ fehle es oftmals an Verständnis, dass es sich um ein Gesamtkonzept handelt und jedes Mitglied in der Gesellschaft ein Teil des Ganzen ist, berichtet Wiedermann aus der Praxis. Neben Masern und Keuchhusten zählt Influenza zu den pro-blematischen Erkrankungen in Österreich: Mit bis zu 3.000 Todesfällen pro Jahr und einer Durchimpfungsrate von unter zehn Prozent besteht großer Handlungsbedarf, wenngleich auch die Impfung „nicht immer so wirksam ist“, gesteht die Expertin ein. Und weiter: „Wenn sich jedoch alle impfen lassen würden, könnte die Ausbreitung der Erkrankung deutlich reduziert werden.“ Neben älteren Menschen, die oft schwerer von Influenza betroffen sind, waren heuer sehr häufig Kinder davon betroffen.

Insgesamt jedoch „ist sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen die Impf-Compliance besonders Influenza betreffend nicht sehr gut“, konstatiert Wiedermann-Schmidt. Erwachsene etwa gingen oft davon aus, ohnehin nicht zu erkranken und übersehen dabei auch die Tatsache, dass sie Überträger sein könnten. Davon würden nicht nur alte Menschen und kleine Kinder profitieren, sondern „es steht auch der Gemeinschaftseffekt im Vordergrund: Erkrankungen, die sehr leicht von Mensch zu Mensch übertragbar sind, zu verhindern“. Die grundlegende Problematik beschreibt Wiedermann- Schmidt folgendermaßen: „Vielen Erwachsenen fehlt es generell am Bewusstsein für Impfungen. Sie wissen nicht, dass sie regelmäßig impfen sollten oder vergessen einfach darauf. Jeder Arztbesuch sollte daher genutzt werden, um den Impfstatus zu kontrollieren und diese Aufgabe kommt primär den Ärzten zu – nicht immer ist aber der Impfstatus Teil der Anamneseerhebung.“

Vergleicht man beispielsweise den „Beliebtheitsgrad“ von Impfungen gegen Masern, Pertussis, Influenza und FSME, wird letztere „zweifellos“ am besten angenommen, unterstreicht Wiedermann-Schmidt. Hier habe sich in den Köpfen vieler Menschen das Bewusstsein eingeprägt, dass es sehr gefährlich sein kann, an FSME zu erkranken und die Impfung davor schützen kann. Nicht von ungefähr kommt es daher, dass Österreich mit einer Durchimpfungsrate von mehr als 80 Prozent im Vergleich zu Tschechien oder der Schweiz, wo die Durchimpfungsraten deutlich niedriger sind, sehr gut da steht.

Drei Fragen an…

Ursula Wiedermann-Schmidt


In welchen Bereichen gibt es in Österreich Impflücken?
20 Prozent der Masernfälle betreffen das Gesundheitspersonal, das ist ein erschreckend hoher Prozentsatz. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Schritt zurück ins vorige Jahrhundert. Ein besonderes Risiko haben beispielsweise Schwangere, die ins Spital kommen oder Neugeborene, die im Wartezimmer von Pflegepersonal angesteckt werden. Das bedeutet eine Katastrophe, da diese Personen gar nicht geschützt werden können. Babys können frühestens im Alter von neun Monaten geimpft werden. Hier kommt es zur Transmission von Personen an diejenigen, die eigentlich davon ausgehen, dass es einen Herdenschutz gibt. Masern sollten eigentlich überhaupt kein Thema mehr sein.

Wie sieht der aktuelle Diskussionsstand zum Thema Adjuvantien aus? Immer wieder stellt sich die Frage nach dem Themenkomplex Adjuvantien, Aluminium und Sicherheit. Natürlich befassen wir uns auch mit der Frage, ob es nicht bessere Alternativen zu Aluminium gibt, die Diskussion rund um das Aluminium in Impfstoffen damit beendet wird und in Zukunft die Akzeptanz für Impfungen besser ist. Es gibt tatsächlich bessere Substanzen als Aluminium. Man muss also schon nachfragen, warum man hier nicht ansetzt und wir de facto auf dem gleichen Niveau wie vor 100 Jahren sind.

Wo sehen Sie die größte Herausforderung für die Zukunft?
Es gibt mannigfaltige Herausforderungen. Die sicherlich größte im Public Health-Bereich ist: Die Gesundheitskompetenz muss so groß sein, dass dem Impfen gegenüber wieder eine positive Grundeinstellung vorherrscht. So wird beispielsweise auf den Social-Media- Kanälen enorm viel Information verbreitet, die nicht richtig ist. Hier gilt es, auf neutraler Ebene gezielt anzusetzen und seriös zu informieren, dass die Menschen wieder Vertrauen in Impfungen fassen. Es ist im Grunde furchtbar, dass prophylaktische Maßnahmen so verdammt werden, anstatt sie zu nutzen. Als Vakzinologin und Immunologin sehe ich aber auch Herausforderungen bei der Impfstoffentwicklung generell. Ich bin überzeugt davon, dass die sogenannten stratifizierten Impfprogramme zunehmen müssen und Risikopopulationen besser definiert werden sollten. Ein alter Mensch muss anders geimpft werden als ein junger, ein chronisch Kranker anders als ein gesunder. Darüber hinaus zeigen sich auch in der Demographie Veränderungen: Es gibt immer mehr ältere und auch kranke Menschen und auch immer mehr Adipöse. Den sogenannten Durchschnittsbürger, für den wir früher unsere Konzepte erstellt haben, gibt es nicht mehr.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2018