Arterielle Hypertonie – Compliance in den Griff bekommen

25.05.2018 | Medizin


Nach zehn Jahren antihypertensiver Therapie nehmen drei Viertel der Betroffenen die verordneten Medikamente nicht mehr ein. Nicht nur das: Nach wie vor erhält nur ein Bruchteil der Hypertoniker eine ausreichende Behandlung.

Nach einem Jahr Behandlung nimmt rund die Hälfte der Patienten die verordneten Medikamente nicht mehr ein. „Nach zehn Jahren sind es sogar 70 Prozent, berichtet Univ. Prof. Martin Clodi von der Abteilung für Innere Medizin am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Linz. „Ein Problem liegt sicher darin, dass wir zu wenig Zeit haben, mit dem Patienten zu kommunizieren. Dabei ist es für eine erfolgreiche Therapie notwendig, ihm zu erklären, worum es bei der Behandlung geht“.

Jeder vierte bis fünfte Österreicher leidet unter Bluthochdruck. „Doch die Hälfte der Betroffenen weiß nichts davon“, betont Clodi. Das Problem sei jedoch noch viel gravierender, denn: Von denjenigen, die Bescheid wissen über ihren hohen Blutdruck, erhält nur die Hälfte eine Therapie. Und wiederum nur die Hälfte davon wird ausreichend behandelt. „Jeder Patientenkontakt sollte dazu genutzt werden, auch den Blutdruck zu messen“, betont Univ. Prof. Johann Auer von der Abteilung für Innere Medizin I am Krankenhaus St. Josef in Braunau.

Zielwert 130/85 mmHg

Bei Erwachsenen sollte ein Blutdruck von 130/85 mmHg angestrebt werden, „wobei geringe Schwankungen in der Regel akzeptabel sind“. Den Aussagen von Clodi zufolge liegt der physiologisch normale Blutdruck eines gesunden Menschen vermutlich sogar bei 120/80 mmHg. Untersuchungen wie die SPRINT-Studie weisen in diese Richtung: Im Jahr 2015 konnte im Rahmen dieser Studie gezeigt werden, dass der systolische Blutdruck-Zielwert bei Patienten über 50 Jahre, die ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko aufweisen, bei 120 mmHg liegt, weil ein primärer Endpunkt wie ein Myokardinfarkt oder ein Schlaganfall signifikant seltener auftraten. Clodi dazu: „Das bedeutet allerdings nicht, dass dieser Wert uneingeschränkt für alle Menschen empfohlen werden sollte.“ Bei der SPRINT-Studie wurden Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes mellitus nicht berücksichtigt, „obwohl es wahrscheinlich ist, dass Personen mit Prä-Diabetes an der Studie teilgenommen haben“, gibt der Experte zu bedenken. Registerdaten aus Dänemark wiederum zeigen, dass die Einstellung auf einen systolischen Blutdruck von 110 mmHg bei Patienten mit Diabetes mellitus und einer koronaren Herzkrankheit negative Auswirkungen hat. Der Grundsatz „niedriger ist besser“, die für den Großteil der Bevölkerung im Erwachsenenalter gelte, sollte daher für diese Patientengruppen daher nicht angewendet werden. „Das Vorliegen von anderen metabolischen Störungen wie Dyslipidämien oder Diabetes mellitus muss vor einer antihypertensiven Behandlung unbedingt kontrolliert und auch therapiert werden“, macht Clodi aufmerksam.

Das Diagnostik-„Basisprogramm“ (Auer), das bei jedem Hypertonie-Patienten durchgeführt werden sollte, sollte neben der klinischen Untersuchung die Familienanamnese, eine Basis-Labordiagnostik inklusive Harnuntersuchung sowie ein EKG beinhalten. Weist der Patient neben einer milden Hypertonie keine weiteren Risikofaktoren auf, kann zunächst versucht werden, mit einer Änderung des Lebensstils eine Normalisierung des Blutdrucks anzustreben. Was die Wirksamkeit einer Lebensstil-Modifikation anlangt, zeigt sich Clodi deutlich skeptischer: „Das bringt nur etwas, wenn der Patient es auch wirklich konsequent durchführt.“ Seine Erfahrung: Bei Vorliegen einer Hypertonie jedenfalls mit einer medikamentösen Behandlung zu beginnen, denn „sobald sich der Blutdruck-Wert normalisiert hat, kann der Arzt die Medikamente reduzieren.“

Nebenwirkungsfreie Medikamente

Zu Beginn sollte man darauf achten, möglichst Medikamente zu verordnen, die nebenwirkungsfrei sind wie beispielsweise RAAS-Blocker – ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker wie Sartane. Ist eine Kombinationstherapie erforderlich, beginnt die Standard-Therapie der unkomplizierten Hypertonie meist mit einem RAASBlocker in Kombination mit einem Kalzium-Antagonisten oder einem Diuretikum.

Wichtig ist es nach Ansicht von beiden Experten, die Rückmeldungen der Patienten über allfällige Nebenwirkungen einer antihypertensiven Therapie ernst zu nehmen. Viele Begleiterscheinungen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Mundtrockenheit oder Verdauungsprobleme sind unspezifisch. „Wenn der Patient aber nicht damit umgehen kann und den Eindruck hat, dass sie der Medikation zuzuschreiben sind, dann sollte auf jeden Fall ein Wechsel der Substanzklasse in Betracht gezogen werden“, betont Auer. Kommt es durch ACE-Hemmer zu einem Husten, kann ein Wechsel auf Sartane helfen.

Bei den durch Kalzium-Antagonisten häufig verursachten BeinÖdemen bietet sich die Umstellung auf ein Diuretikum an. Bei den regelmäßig wiederkehrenden Folgeterminen sollte die Therapietreue jedenfalls überprüft werden. Auch sollte die Blutdruck-Selbstmessung bei den Betroffenen forciert werden. „Sie trägt dazu bei, dass auch der Patient den Effekt der Therapie bemerkt und auf diese Weise seine Compliance gefördert wird“, unterstreicht Auer. MW

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2018