Standpunkt Harald Mayer: Das digitale Mesozoikum

25.05.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK

© Gregor Zeitler

Die Digitalisierung ist zwar in aller Munde, vielleicht auch in vielen Herzen – aber in den klugen Köpfen unseres Landes scheint sie noch nicht angekommen zu sein. ELGA im Krankenhaus ist digitales Mesozoikum – Punkt! Daher ist der Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel an ihren Gesundheitsminister Jens Spahn, in Deutschland die elektronische Gesundheitskarte kritisch zu hinterfragen und nach alternativen Lösungen zu suchen, sehr begrüßenswert. Auch in Österreich prüfen wir seit Jahren ELGA auf ihre Sinnhaftigkeit und Zukunftsfähigkeit.

Sowohl Merkel als auch Spahn haben sich offen gezeigt für das Aus der elektronischen Gesundheitskarte und haben die weitere Digitalisierung des Gesundheitswesens in Verbindung mit Plänen für ein Bürgerportal gebracht. Sonst braucht man bald drei oder mehr Karten: eine für Gesundheit, eine zweite für die Steuererklärung und eine dritte für das Beantragen des Reisepasses.

Die deutsche Bundeskanzlerin und ihr Gesundheitsminister kritisieren vor allem die zeitliche Komponente der Gesundheitskarte – das über zehnjährige Experiment ist nie über Modellprojekte hinausgekommen – sowie die bisherigen Gesamtkosten von über einer Milliarde Euro.

Die Banane reift beim Kunden, hört man in der IT-Branche recht häufig, aber darf das wirklich bei der zentralen IT im Gesundheitswesen so sein? Sind wir nicht, wie die Deutschen, in einem mehr als zehn-jährigen Pilotprojekt, nur mit dem Unterschied, dass wir den Roll-Out mit einer „unreifen Banane“ durchgezogen haben? Die bisherigen Erfahrungen mit ELGA zeigen einen enormen zusätzlichen Zeitaufwand und zu viel Bürokratie für zu wenige Ärztinnen und Ärzte. Wir fordern daher eine klare und transparente Darstellung im Hinblick auf Kosten-Nutzen-Relation sowie Usability, Datensicherheit und Datenschutz, bevor weitere Millionen an Steuergeldern in ein veraltetes System gesteckt werden.

Ich wünsche mir auch von unserem Bundeskanzler den Mut, das bestehende System kritisch zu hinterfragen und Verbesserungen im Sinne einer transparenten und praxisnahen Lösung in die Wege zu leiten. Moderne IT muss uns helfen, Komplexität zu reduzieren. ELGA ist in der derzeitigen Form weder zeitgemäß und schon gar nicht modern. Wenn das nicht schnell geändert wird, stehen wir bald vor derselben Situation wie unsere Nachbarn.

Dr. Harald Mayer
3. Vizepräsident der ÖÄK


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2018