Stand­punkt Harald Mayer: „Sag mir, wo die Ärzte sind?“

10.11.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK

© Gregor Zeitler

Wir wis­sen, dass Öster­reich eine Pen­sio­nie­rungs­welle bei Ärz­ten bevor­steht. Wir wis­sen auch, dass unsere Rah­men­be­din­gun­gen weder in der Ärz­te­aus­bil­dung noch im nie­der­ge­las­se­nen Bereich attrak­tiv genug sind, um Jung­me­di­zi­ner im eige­nen Land zu hal­ten. Man muss kein Hell­se­her sein, um zu erah­nen, wor­auf wir mit Rie­sen­schrit­ten in der Gesund­heits­ver­sor­gung zusteu­ern: einem Ärztemangel. 

Er ist bereits jetzt schon spür­bar. Gleich­zei­tig spitzt sich die Situa­tion bei Nach­wuchs­me­di­zi­nern zu, denn obwohl jedes Jahr rund 1200 Stu­den­ten eine der hei­mi­schen Medi­zin-Uni­ver­si­tä­ten absol­vie­ren, ver­las­sen 38 Pro­zent der Absol­ven­ten das öster­rei­chi­sche Gesund­heits­sys­tem. Sie kom­men in ande­ren Berufs­fel­dern unter oder gehen ins benach­barte Aus­land, nach Deutsch­land oder in die Schweiz. Dort wer­den sie mit offe­nen Armen auf­ge­nom­men. Wol­len wir uns wirk­lich wei­ter­hin die­sen Luxus leis­ten, Jung­me­di­zi­ner ein­fach zie­hen zu las­sen? Luxus des­halb, weil die Aus­bil­dung eines Medi­zi­ners rund eine halbe Mil­lion Euro kos­tet. Bil­dung soll frei blei­ben, daran darf nicht gerüt­telt wer­den! Was sich aber ändern muss, sind die Bedin­gun­gen, unter denen Nach­wuchs­me­di­zi­ner aus­ge­bil­det werden. 

Regel­mä­ßig ruft die Öster­rei­chi­sche Ärz­te­kam­mer Jung­me­di­zi­ner dazu auf, ihre Aus­bil­dungs­ein­rich­tun­gen zu eva­lu­ie­ren. Die Gesamt­be­ur­tei­lung 2018 lau­tet „rela­tiv zufrie­den“. Im Detail zei­gen sich Defi­zite in den Aus­bil­dungs­ka­pa­zi­tä­ten. Junge Ärzte kla­gen dar­über, dass sie zu wenig Feed­back von Ärz­te­aus­bild­nern bekom­men, häu­fig mit Rou­ti­ne­ar­bei­ten beschäf­tigt seien, und sie gerade zu Beginn der Aus­bil­dung ein ver­bind­lich struk­tu­rier­tes Aus­bil­dungs­kon­zept ver­mis­sen wür­den. Mit der Ärzte- Aus­bil­dungs­ord­nung 2015 (ÄAO) konn­ten wir bereits einige Aus­bil­dungs­de­fi­zite ver­bes­sern, wie die Lehr­pra­xis, die seit Mitte 2018 für ange­hende All­ge­mein­me­di­zi­ner ver­pflich­tend ein­ge­führt wurde. Doch zurück­leh­nen dür­fen wir uns noch lange nicht! 

Es muss uns gelin­gen, die Ärz­te­aus­bil­dung sowohl für Kran­ken­haus­trä­ger als auch für den Aus­bild­ner und den Arzt in Aus­bil­dung attrak­ti­ver zu machen und sie als gesell­schaft­li­che Inves­ti­tion zu sehen. Denn Öster­reich hat viel zu bie­ten, um Jung­me­di­zi­ner zu hal­ten. Im inter­na­tio­na­len Ver­gleich zäh­len wir zu den Län­dern mit der höchs­ten Lebens­qua­li­tät, gemes­sen an der Wirt­schafts­leis­tung, den Beschäf­ti­gungs­quo­ten, der Infla­tion, dem Zustand des Bil­dungs- und Gesund­heits­sys­tems sowie der Infra­struk­tur. Von poli­ti­schen Ent­schei­dungs­trä­gern wün­schen wir uns eine ernst­hafte Aus­ein­an­der­set­zung mit der wert­vol­len „Res­source Arzt“ und nicht nur eine mög­li­che Ver­län­ge­rung der Aus­nah­me­re­ge­lung bei der Arbeits­zeit, die soge­nannte Opt-out-Rege­lung bei Spitalsärzten. 

Nie­mand sollte sich im Jahr 2025 bei der Ver­sor­gung von Pati­en­ten fra­gen: „Sag mir wo die Ärzte sind, wo sind sie geblie­ben? Was ist geschehen?“. 

Dr. Harald Mayer
3. Vize­prä­si­dent der ÖÄK

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 21 /​10.11.2018