ÖQMed: Interview Artur Wechselberger: „Qualitätsarbeit: Ein Lernprozess“

25.11.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK


Dr. Artur Wechselberger, Leiter des ÖÄK-Referats für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement und stv. Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der ÖQMED, über die Genese des Unternehmens.
Andrea Riedel

2004 wurde die ÖQMed gegründet. Wie hat die Ärzteschaft reagiert? Das Gesundheitsqualitätsgesetz wurde beschlossen, um mit den Spitälern geichzuziehen, für die es solche Regelungen bereits gab. Wir Ärzte mussten akzeptieren, dass es nicht genügte, sich selbstverständlich um Qualität zu bemühen, schon allein aus dem ärztlichen Ethos heraus. Zunehmend wurde es notwendig, dieses Streben nach Qualität in strukturierter Form offenzulegen. Es war ein Lernprozess und für manche anfangs wohl befremdlich, dass man die Voraussetzungen und Abläufe, die nötig sind, um Behandlungsziele zu erreichen und unerwünschte Ereignisse zu vermeiden, definieren und überprüfen muss. Auch dass transparente Qualitätsarbeit Vertrauen fördert, war ein Novum. Die Angst vor Kontrolle und Eingriffen in die Behandlungsautonomie war häufig zu spüren. Die ÖQMED musste sich Anerkennung und Vertrauen der Ärzteschaft erst erarbeiten. Das ist bestens gelungen, wie das Feedback der Kolleginnen und Kollegen zeigt: Sie schätzen die Beratung auf Augenhöhe und fühlen sich nicht „kontrolliert“, sondern kompetent unterstützt.

Und die Angst vor bürokratischem Aufwand und Kosten? Die gab es – nicht zu Unrecht. Viele Außenstehende hätten nur zu gern die Umsetzung bürokratischer Vorgaben kontrolliert und Ärzte als Erfüllungsgehilfen eines ökonomiegetriebenen Systems unter Kuratel der Sozialversicherungen gestellt. Für diese Kräfte spielten die Grundsätze jeder Qualitätsarbeit in der Medizin keine Rolle: Angemessenheit, Vertretbarkeit und Akzeptanz bei Ärzten, Patienten und Kostenträgern. Der Wunsch nach Überprüfung ärztlicher Leistung ist berechtigt, aber Aufwand und Ergebnis müssen sich die Waage halten. Zum Glück konnte die ÖÄK klarstellen, dass im Zentrum nicht die Interessen von Institutionen, sondern die der Patienten zu stehen haben und gute Qualitätsarbeit von der Motivation aller Beteiligten lebt, v.a. den Ärztinnen und Ärzten und deren Mitarbeitenden. Langfristig soll die Arbeit ja nicht nur besser, sondern auch leichter werden, Haftungsrisiken sollen sinken, die Mitarbeiter- und Patientenzufriedenheit steigen, ebenso wie die Konkurrenzfähigkeit und der Ertrag des Unternehmens Arztpraxis.

In den vergangenen Monaten gab es einiges an Kritik, sei es in der vom Sozialministerium beauftragten Studie der London School of Economics, der des IHS im Auftrag des Hauptverbands oder im Rechnungshofbericht. Warum?
Berichte beleuchten Vergangenes, sodass Verbesserungsvorschläge bei Drucklegung oft schon umgesetzt sind – siehe etwa den Rechnungshofbericht. Manches ist auch schlicht falsch, z.B. dass die ÖQMED organisatorisch und finanziell von der ÖÄK abhängig sei. Fakt ist: Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte bezahlen die ÖQMED- Dienstleistungen via Umlage, ein unabhängiger Wissenschaftlicher Beirat gibt Inhalte und Abläufe der Evaluation vor und die Qualitätssicherungsverordnung genehmigt das Gesundheitsministerium.

Ein Vorwurf lautet, anderswo sei die Qualitätsarbeit besser.
Das ist ein Irrtum, sonst hätten wir wohl kaum eines der besten Versorgungssysteme der Welt. Und das zu einem durchaus wettbewerbsfähigen Preis. Die Überprüfung der Qualitätsarbeit in Praxen ist in der Tat von Land zu Land unterschiedlich. In Deutschland macht das die Interessenvertretung aller Kassenärzte KÄV. Aber auch dort sind Selbstevaluierungen und stichprobenartige Kontrollen die Regel. Zwar müssen deutsche Praxen ein QM-System implementiert haben, eine Zertifizierung ist aber nicht Pflicht. Chronischen Nörglern passt es nicht, dass sich der freie Arztberuf in Österreich auch um die Qualität in den Praxen kümmert. Daher der Ruf nach staatlichen Kontrollen und Strafen.

Gefordert wird auch, Qualitätsziele zu definieren und Ergebnisqualität zu messen – ist das überhaupt möglich?
Praxisinterne Qualitätsziele und ihre Erreichung können wir mit dem derzeitigen System nicht messen. Aber natürlich gehört die Überprüfung der Ergebnisqualität anhand von mess- und vergleichbaren Indikatoren oder durch Patientenbefragungen zu einem zeitgemäßen Qualitätsmanagement (QM). QM als Summe aller prospektiven und systemischen Maßnahmen – von der Ausbildung des Arztes und der Ausstattung bis zur Hygiene – sowie die Qualitätssicherung als Teil davon stellen sicher, dass eine Praxis überhaupt in der Lage ist, Qualität zu erzeugen. Deshalb geht auch die Kritik an der Struktur- und Prozesslastigkeit unseres Evaluierungssystems ins Leere. Strukturen und Prozesse haben Priorität innerhalb der drei Qualitätsdimensionen. Das hielt schon Avedis Donabedian, Urvater der strukturierten Qualitätsbeurteilung im Gesundheitswesen, fest.

Die Praxisevaluierung ist aber nicht die einzige Aufgabe der ÖQMED.
Nein, das war der gesetzliche Gründungsauftrag. Heuer startete der dritte Evaluierungszyklus: Binnen fünf Jahren werden mehr als 20.000 Praxen überprüft. Die Ergebnisse fließen ein in das neu programmierte Qualitätsregister und werden als Qualitätsbericht an das Gesundheitsministerium transparent gemacht. Aber auch privaten Krankenanstalten und Instituten bieten wir die gesetzlich vorgeschriebene Qualitätsüberprüfung an. Besonders stolz bin ich auf das nationale Fehlermeldesystem CIRS. 2019 sind es zehn Jahre, dass wir damit eines der erfolgreichsten und wichtigsten Projekte der ÖQMED betreiben, was die hohe Zahl an Meldungen und Zugriffen auf cirsmedical.at eindrucksvoll belegt. Ein Schmuckstück in unserem Portfolio ist auch ÖQM®, ein modular aufgebautes, kostenloses QMSystem für österreichische Arztpraxen. Ähnlich dem System QEP der Kassenärztlichen Vereinigung, das in Deutschland tausendfach erfolgreich eingesetzt wird, ist auch ÖQM® zertifizierbar – ein Prozess, den die ÖQMED ebenfalls anbietet. Dazu kommen noch das Barrierefreiheitsregister, die Schulung von QS-Beauftragten zu geprüften Auditoren für die Praxisevaluation und Beratungsleistungen.

Macht all das die ÖQMED nicht zum teuren Klotz am Bein der ÖÄK?
Die ÖQMED als GmbH finanziert sich über eine Umlage von 63 € pro Jahr, die praxisführende Ärzte bezahlen, und aus erwirtschafteten Erträgen. Subventionen gibt es weder von der ÖÄK noch von anderer Seite.

Das Qualitätsbedürfnis der Patienten steigt, ebenso der Druck der Zahler und der Politik. Kontrolliert künftig der Staat die Praxen?
Wir wollen die ÖQMED im Spiel halten. Das heißt: Bereit sein, das System der Praxisevaluation auszubauen, Themenführerschaft wahren, offen sein für internationale Entwicklungen und neue Herausforderungen. Die ÖQMED hat das Potenzial, die führende und unbestrittene Einrichtung in Sachen Qualität in unserem Gesundheitssystem zu werden. Schließlich geht der Trend dahin, QM-Systeme überall zu implementieren. Mit ÖQM® haben wir ein Produkt, das nicht nur auf Praxen zugeschnitten ist, sondern an jede Einrichtung angepasst werden kann. Für junge Kolleginnen und Kollegen, die sich niederlassen wollen, gehört ein QM-System schon heute zur Praxisplanung dazu: Sie wissen, dass strukturierte Qualitätsarbeit ein wichtiger Erfolgsfaktor ist. Dabei beraten und unterstützen wir sie.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2018