BKNÄ: Wenn das ABS selbst blockiert

25.09.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK


Trotz eini­ger Über­ho­lun­gen im Laufe der Jahre feh­len beim Arz­nei­mit­tel-Bewil­li­gungs­ser­vice immer noch einige Repa­ra­tu­ren.
Sascha Bunda

Das Anti-Blo­ckier-Sys­tem im Auto ist eine sehr nütz­li­che Sache. Das wird wohl jeder Auto­fah­rer unter­schrei­ben, der schon ein­mal auf nas­ser Stre­cke unter­wegs war und sich freuen konnte, wenn das auf­leuch­tende ABS-Sym­bol ihn vor der Gefahr bewahrt, dass die Räder blo­ckie­ren und das Auto zu rut­schen beginnt. Anders ist der Fall jedoch gela­gert, wenn ein ABS selbst für Blo­cka­den sorgt und den Ter­mi­n­und Behand­lungs­plan ins Schleu­dern, wenn nicht gar zum Crash bringt. Für viele Kri­ti­ker ist das soge­nannte Arz­nei­mit­tel­be­wil­li­gungs­ser­vice näm­lich genau das – ein Hin­der­nis. Die­ses Ser­vice wurde 2005 im Zuge der neuen Heil­mit­tel- Bewil­li­gungs- und Kon­troll-Ver­ord­nung mit den bekann­ten Farb­bo­xen ins Ren­nen geschickt, um die Medi­ka­men­ten­kos­ten unter Kon­trolle zu hal­ten. Unter dem Motto „Das Rezept läuft und nicht der Pati­ent“ wurde der Usus abge­schafft, dass sich der Pati­ent selbst um die Bewil­li­gung sei­ner Medi­ka­mente küm­mern musste. Danach wurde diese Auf­gabe auf den Arzt über­tra­gen, der per Fax beim Ver­si­che­rungs­trä­ger um Bewil­li­gung ansuchte. Mit dem elek­tro­ni­schen Vor­teil sollte ABS natür­lich eine Erleich­te­rung mit sich bringen. 

Durch­wach­sene Erfahrungen 

Dabei habe sich aber vor allem der büro­kra­ti­sche Auf­wand ver­mehrt, lau­te­ten immer wie­der auf­tau­chende kri­ti­sche Stim­men. Schon vor zwei Jah­ren schil­derte der Vor­arl­ber­ger Ärz­te­kam­mer-Prä­si­dent Michael Jonas öffent­lich seine Erfah­run­gen mit dem „büro­kra­ti­schen Wahn­sinn“ ABS, der sich etwa darin äußerte, dass sich ein Medi­ka­ment nach vier erfolg­lo­sen Anläu­fen erst nach einer „Dro­hung mit der Öffent­lich­keit“ ver­schrei­ben ließ. Max Wudy, Kuri­en­ob­mann- Stell­ver­tre­ter Nie­der­ge­las­sene Ärzte in Nie­der­ös­ter­reich, pran­gerte nur wenig spä­ter an, dass Bewil­li­gun­gen in Sekun­den­schnelle unab­hän­gig von Text, Dia­gnose und Dosie­rung, ja sogar trotz fal­scher Anga­ben, zurück­kä­men. Heute muss man sagen, dass sol­che auto­ma­ti­siert wir­ken­den Ant­wor­ten äußerst sel­ten vor­kom­men. Dabei erfolgt die Beant­wor­tung der Bewil­li­gungs­an­fra­gen wei­ter sehr flott. Die ABS-Sta­tis­tik für 2017 weist 3,1 Mil­lio­nen Anträge aus, von denen 98,28 Pro­zent inner­halb der in der Ver­ord­nung vor­ge­schrie­be­nen 30 Minu­ten Reak­ti­ons­zeit beant­wor­tet wur­den. Im Schnitt betrug die War­te­zeit auf eine Ant­wort knapp unter fünf­ein­halb Minu­ten. Über die Qua­li­tät der Ant­wor­ten kann die Sta­tis­tik aber keine Aus­sage geben. 

Spür­ba­rer Ökonomisierungsdruck 

Das Ver­hält­nis zwi­schen Ärz­te­kam­mer und ABS war von Beginn an ein ambi­va­len­tes. Man freute sich, nach der ein­ge­führ­ten Chef­arzt­pflicht wenigs­tens end­lich vom Fax los­zu­kom­men. Doch die Freude wurde von eini­gen Pan­nen und Sys­tem­aus­fäl­len rasch getrübt. Hoffte man zunächst, dass die Kin­der­krank­hei­ten rasch über­wun­den sein wür­den, musste schließ­lich 2006 gar ein ABS-Stopp aus­ge­ru­fen wer­den. Vor allem die man­gelnde Trans­pa­renz und unter­schied­li­che Resul­tate bei Ver­schrei­bung von Medi­ka­men­ten bei unter­schied­li­chen Kas­sen ver­gäll­ten die Arbeit mit dem Ser­vice, das eigent­lich für Ent­las­tung sor­gen sollte. Zudem ist ein gewis­ser Öko­no­mi­sie­rungs­druck spür­bar: Das in Para­graph eins fest­ge­hal­tene Ziel der Ver­ord­nung, dass Ärzte sich so oft wie mög­lich aus dem grü­nen Bereich der Arz­nei­mit­tel­spe­zia­li­tä­ten bedie­nen sol­len statt aus den bewil­li­gungs­pflich­ti­gen (und teu­re­ren) gel­ben oder roten Medi­ka­men­ten und den Gene­rika-Anteil lau­fend zu stei­gern, kol­li­diert oft mit dem Bestre­ben, für den indi­vi­du­el­len Pati­en­ten die opti­male Ver­sor­gung zu fin­den. Heute ist das Sys­tem zwar sta­bil und wie erwähnt auch schnell, doch immer noch füh­len sich Ärzte, die täg­lich damit arbei­ten, frus­triert und zwi­schen öko­no­mi­schem Druck und Pati­en­ten­wohl alleine gelas­sen – wie in einem schlin­gern­den Auto auf regen­nas­ser Straße.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 18 /​25.09.2018