BKAÄ: GuKG mal, wer da spricht! 

25.09.2018 | Aktuelles aus der ÖÄK


Das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) regelt unter anderem die Kompetenzen der Pflege bei der Übernahme von Tätigkeiten medizinischer Diagnostik und Therapie und damit wichtige Schnittstellen zwischen Ärzteschaft und Pflege. Ein Bericht über die Realitäten dieses Gesetzes und seine Auswirkungen auf die betroffenen Gesundheitsberufe. 
Bosko Skoko

„Grundsätzlich wäre am Papier Papier alles geregelt. Die Wirklichkeit ist allerdings immer stark vom Personal und dessen Willen abhängig“, fasst Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Obmann der Bundeskurie Angestellte Ärzte, die Umsetzung des GuKG in der Praxis zusammen. Mayer weist auf die seit Jahren wachsende Arbeitsverdichtung und Bürokratie im Berufsalltag der Spitalsärzte hin. Durch die Regelungen des GuKG konnten gewisse ärztliche Tätigkeiten an Pflegepersonal per Anordnung übertragen werden (siehe auch Info-Box). Um zu prüfen, wie die Umsetzung in der Praxis funktioniert, führt die Bundeskurie Angestellte Ärzte seit einigen Jahren Umfragen zu diesem Thema durch. Das Ergebnis: In einigen Krankenhäusern werden die Regelungen und gesetzlichen Möglichkeiten nach wie vor nicht flächendeckend umgesetzt bzw. ausgeschöpft. Demnach werden delegierbare Routine-Tätigkeiten aus dem ehemals „mitverantwortlichen Bereich“ nicht von der Pflege, sondern von Ärzten – insbesondere von Ärzten in Ausbildung – ausgeführt.

„Turnusärzte keine System-Erhalter“

Für den Ausbildungsbereich sieht Karlheinz Kornhäusl, Obmann-Stellvertreter der Bundeskurie Angestellte Ärzte und Turnusärzte-Vertreter, grundsätzlich Vorteile. Durch eine Entlastung könnten sich die für die Ausbildung zuständigen Ärzte wieder mehr auf die Jungärzte konzentrieren. Turnusärzte wiederum hätten die Möglichkeit, praxisrelevant und umfassend zu lernen. „Den ganzen Tag nur Infusionen anzuhängen und Blut abzunehmen, reicht nicht, um qualitativ hochwertig und auch den gesetzlichen Vorgaben entsprechend ausgebildet zu werden“, so Kornhäusl. „Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederzuholen: Turnusärzte dürfen keine System-Erhalter sein, die größtenteils Routinetätigkeiten durchführen. Wir müssen unseren Jungärztinnen und -ärzten die beste Ausbildung zukommen und sie in der Praxis lernen lassen.“

„Ausbildungszeit dient der Vermittlung von Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten, die für die spätere ärztliche Tätigkeit relevant sind, und soll die Möglichkeit bieten, Zeit an der Patientin oder am Patienten zu verbringen“, ergänzt Mayer. Sofern Pflegeleistungen zu erbringen sind, muss ein Krankenhaus, das Ärzte ausbildet, über einen Pflegedienst verfügen, der die Durchführung der Tätigkeiten im „mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich“ gewährleistet. Nur so darf die Anerkennung eines Krankenhauses als Ausbildungsstätte erfolgen.

Mangelnde Ressourcen und unklare Kompetenzen

Deshalb ist auch eine der wichtigsten Forderung der Bundeskurie Angestellte Ärzte, entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen: „Die Politik muss angesichts der alternden Gesellschaft endlich etwas gegen den Personalmangel tun. Die Tätigkeiten, welche die diplomierte Pflege übernehmen kann, sollten nicht von Ärzten in Ausbildung erledigt werden“, so Mayer. Insgesamt müsse der Arbeitsalltag der Spitalsärzte von Arbeitsverdichtung und Bürokratie entlastet werden, damit mehr Zeit für den Patienten bleibt. Mayer betont, dass die Zusammenarbeit von Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflege mit Ärzten in vertrauensvoller und enger Kooperation erfolge. In diesem Zusammenhang sind klare Bestimmungen über die jeweiligen Tätigkeitsfelder notwendig sowie darüber, welche medizinischen, d.h. therapeutisch- diagnostischen Tätigkeiten von welchem Gesundheitsberuf ausgeführt oder übernommen werden sollen. 

Kompetenzen bei medizinischer Diagnostik und Therapie

2016 wurde das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) novelliert. Dabei wurden das Berufsbild und der Kompetenzbereich des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege neugestaltet und die Ausbildung auf Fachhochschulebene eingeführt. Das Berufsbild der Pflegehilfe bleibt als Pflegeassistenz bestehen, als weiterer Pflegeassistenzberuf wurde die Pflegefachassistenz eingeführt. Ein für die Ärzteschaft wichtiger Aspekt ist sicherlich der Bereich der Übernahme von Tätigkeiten bei medizinischer Diagnostik und Therapie. Der Inhalt des früher als „mitverantwortlicher Tätigkeitsbereich“ bekannte §15 GuKG wurde erweitert. Nach wie vor bedarf die Durchführung medizinisch-diagnostischer und medizinisch-therapeutischer Maßnahmen und Tätigkeiten durch Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege einer ärztlichen Anordnung.

Die Kompetenzen bei medizinischer Diagnostik und Therapie umfassen insbesondere:

1. Verabreichung von Arzneimitteln, einschließlich Zytostatika und Kontrastmitteln,
2. Vorbereitung und Verabreichung von Injektionen und Infusionen,
3. Punktion und Blutentnahme aus den Kapillaren, dem periphervenösen Gefäßsystem, der Arterie Radialis und der Arterie Dorsalis Pedis sowie Blutentnahme aus dem zentralvenösen Gefäßsystem bei liegendem Gefäßzugang,
4. Legen und Wechsel periphervenöser Verweilkanülen, einschließlich Aufrechterhaltung deren Durchgängigkeit sowie gegebenenfalls Entfernung derselben,
5. Wechsel der Dialyselösung im Rahmen der Peritonealdialyse,
6. Verabreichung von Vollblut und/oder Blutbestandteilen, einschließlich der patientennahen Blutgruppenüberprüfung mittels Bedside-Tests,
7. Setzen von transurethralen Kathetern zur Harnableitung, Instillation und Spülung bei beiden Geschlechtern sowie Restharnbestimmung mittels Einmalkatheter,
8. Messung der Restharnmenge mittels nichtinvasiver sonographischer Methoden einschließlich der Entscheidung zur und Durchführung der Einmalkatheterisierung,
9. Vorbereitung, Assistenz und Nachsorge bei endoskopischen Eingriffen,
10. Assistenztätigkeiten bei der chirurgischen Wundversorgung,
11. Entfernen von Drainagen, Nähten und Wundverschlussklammern sowie Anlegen und Wechsel von Verbänden und Bandagen,
12. Legen und Entfernen von transnasalen und transoralen Magensonden,
13. Durchführung von Klistieren, Darmeinläufen und -spülungen,
14. Absaugen aus den oberen Atemwegen sowie dem Tracheostoma,
15. Wechsel von suprapubischen Kathetern und perkutanen gastralen Austauschsystemen,
16. Anlegen von Miedern, Orthesen und elektrisch betriebenen Bewegungsschienen bei vorgegebener Einstellung des Bewegungsausmaßes,
17. Bedienung von zu- und ableitenden Systemen,
18. Durchführung des Monitorings mit medizin-technischen Überwachungsgeräten einschließlich Bedienung derselben,
19. Durchführung standardisierter diagnostischer Programme,
20. Durchführung medizinisch-therapeutischer Interventionen (z. B. Anpassung von Insulin-, Schmerz- und Antikoagulantientherapie), insbesondere nach Standard Operating Procedures (SOP),
21. Anleitung und Unterweisung von Patienten sowie Personen, denen gemäß § 50a oder § 50b ÄrzteG 1998 einzelne ärztliche Tätigkeiten übertragen wurden, nach Maßgabe der ärztlichen Anordnung.

KOMMENTAR

Schwierigkeiten bei Kompetenz-Abgrenzung 

Von Harald Penz *)

In der Diskussion um die Kompetenz-Abgrenzungen zwischen Pflege und Ärzteschaft möchte ich eines vorwegschicken: Wenn man patientenorientiert arbeiten will, dann müssen Basiskompetenzen möglichst breit aufgestellt sein. Denn nur dann ist das System effizient. Überall, wo es Unklarheiten in rechtlichen Fragen und der Abgrenzung von Kompetenzen gibt, kommt es zu einer Vergeudung von Ressourcen und damit zu einer Zunahme an ineffizienter Arbeitszeit.

Die Vorteile in der Übernahme ärztlicher Leistungen sind darin gegeben, dass Handlungen am Patienten synchronisiert wesentlich schneller und effizienter durchgeführt werden können. Das heißt, dass es vor allem in der Akutmedizin zu einer deutlichen Verkürzung in der Behandlungszeit kommen kann. Darüber hinaus gibt es mehr Möglichkeiten der Kompensation, wenn die Notwendigkeit einer Intervention – wie zum Beispiel in OP-Situationen – gegeben ist. Ein wesentlicher Nachteil der Übernahme: Ich weiß nicht, wer welche Kompetenzen erworben hat. Es trägt keiner ein Schild, auf dem steht, welche Kompetenzen abrufbar sind. Ich weiß nur, dass ich mich darauf verlassen muss, dass der/diejenige das auch beherrscht, wofür ich die Anweisung erteile. Das war für mich immer eine Grauzone und wird es auch bleiben.

Bei allen Diskussionen ist eines besonders wichtig hervorzuheben: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Pflegebereich sind für uns Ärzte die wichtigsten Partner im Gesundheitssystem. Nur durch ein kollegiales Miteinander und Teamarbeit kann eine optimale medizinische Versorgung der Bevölkerung gewährleistet werden. Umso wichtiger: Auch in der Pflege muss genug ausreichend ausgebildetes Personal vorhanden sein, was derzeit nicht der Fall ist.

*) Harald Penz ist Primar der Anästhesiologie und Intensivmedizin im LK Waidhofen an der Thaya und Obmann-Stellvertreter der Bundeskurie Angestellte Ärzte.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2018