Stand­punkt – Vize-Präs. Johan­nes Stein­hart: Auch kein Drama

25.05.2017 | Standpunkt

© Zeitler

Es war im Jahr 2014, als das Gesund­heits­mi­nis­te­rium mit dem soge­nann­ten „Tech­no­kra­ten­pa­pier“ über­falls­ar­tig den Gesamt­ver­trag und damit auch den Haus­arzt abschaf­fen wollte. In lang­wie­ri­gen Ver­hand­lun­gen konn­ten wir das schließ­lich abwen­den – der damals ver­ein­barte Kon­sens mit dem Titel „Team rund um den Haus­arzt“ wurde schließ­lich von Bund, Län­dern und Sozi­al­ver­si­che­rung in der Bun­des­ziel­steue­rungs­kom­mis­sion ein­stim­mig beschlossen.

Der Kampf um den Erhalt des Haus­arz­tes hat in Wirk­lich­keit ja schon damals begon­nen – und fin­det aktu­ell rund um die Imple­men­tie­rung eines Pri­mär­ver­sor­gungs­ge­set­zes seine Fort­set­zung. So ist es mit unse­rer Kam­pa­gne „Gesund­heit: weni­ge­rist­NICHT­mehr“ gelun­gen, die größ­ten Bös­ar­tig­kei­ten abzu­wen­den. Doch wie so oft steckt auch hier der Teu­fel im Detail. Es gibt noch zahl­rei­che Punkte, die aus Sicht der Ärz­te­kam­mer jeden­falls geän­dert wer­den müs­sen. Wie auch immer: Das Schick­sal des der­zeit in Begut­ach­tung befind­li­chen Geset­zes ist jedoch ange­sichts der im Herbst bevor­ste­hen­den Natio­nal­rats­wah­len ungewiss.

Klar ist jedoch: Pri­mär­ver­sor­gung ist das, was All­ge­mein­me­di­zi­ner und Fach­ärzte in den letz­ten Jahr­zehn­ten in Öster­reich land­auf landab gemacht haben: in Ein­zelor­di­na­tio­nen und ärzt­li­chen Grup­pen­pra­xen, aber jeden­falls im Rah­men des bestehen­den Gesamt­ver­trags. Wir Ärz­tin­nen und Ärzte ste­hen ganz klar für einen Aus­bau und eine Stär­kung der Pri­mär­ver­sor­gung! Das bedeu­tet aber, dass mehr Geld in die Pri­mär­ver­sor­gung inves­tiert wird, als dass hier neue gesetz­li­che Rege­lun­gen geschaf­fen werden.

Eine funk­tio­nie­rende Pri­mär­ver­sor­gung kann man auch ohne ein ent­spre­chen­des Gesetz auf die Beine stel­len – vor­aus­ge­setzt, dass alle Betei­lig­ten das wol­len. Ein eige­nes Gesetz dafür ist aus Sicht der Ärz­te­kam­mer nicht nötig. Punk­tu­elle Ände­run­gen im Ärz­te­ge­setz und im ASVG sind not­wen­dig, um ein Sys­tem der Pri­mär­ver­sor­gung auf­zu­bauen und aus­bauen zu kön­nen. Eines ist dabei schon klar: Pri­mär­ver­sor­gungs­ein­hei­ten kön­nen immer nur eine Ergän­zung zum jet­zi­gen Sys­tem sein, es aber nie erset­zen. Wir wol­len auch die Anstel­lung von Ärz­ten bei Ärz­ten – weil wir ein­fach sehen, dass es ein zen­tra­les Bedürf­nis unse­rer jun­gen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ist. Die Pri­mär­ver­sor­gung muss wei­ter­ent­wi­ckelt und aus­ge­baut wer­den, das ist unbe­strit­ten. Vie­les ginge ein­fa­cher, wenn man die Exper­tise von uns Ärz­ten auch ein­be­zie­hen würde.

Der Gesetz­ge­ber muss hier die ent­spre­chen­den Rah­men­be­din­gun­gen schaf­fen. Ob und wie sich Ärz­tin­nen und Ärzte zusam­men­schlie­ßen, sollte man jedoch ihrer Eigen­in­itia­tive und ihrem Enga­ge­ment über­las­sen – so wie es ihren jewei­li­gen Bedürf­nis­sen ent­spricht. Ein Nega­tiv-Bei­spiel in die­sem Zusam­men­hang ist das Grup­pen­pra­xis-Gesetz, das ja in Wirk­lich­keit ein Grup­pen­pra­xis-Ver­hin­de­rungs­ge­setz ist.

Klar ist auch, dass bei der künf­ti­gen Gestal­tung der Pri­mär­ver­sor­gung die regio­na­len Gege­ben­hei­ten berück­sich­tigt wer­den müs­sen. Was für die Stadt gilt – die Kon­zen­tra­tion an einem Stand­ort – muss nicht zwangs­läu­fig am Land das Beste sein; hier wird ver­mut­lich die vir­tu­elle Ver­net­zung die bevor­zugte Vari­ante der Zusam­men­ar­beit sein. Ent­schei­dend ist in jeden Fall, dass diese Zusam­men­ar­beit auf Frei­wil­lig­keit beruht – das über­aus erfolg­rei­che Modell Styriamed.net zeigt, wie es geht und dass es geht. All­ge­mein­me­di­zi­ner, Fach­ärzte und Spi­tä­ler sind bes­ser ver­netzt, das Leis­tungs­an­ge­bot ver­grö­ßert und eine bes­sere Ver­net­zung mit nicht-ärzt­li­chen Gesund­heits­be­ru­fen mög­lich. Nahezu zwangs­läu­fig resul­tiert dar­aus die Ent­las­tung des Spitalsbereichs.

Für den neuen Haupt­ver­bands­chef wäre es kein Drama, wenn das Pri­mär­ver­sor­gungs­ge­setz wegen der bevor­ste­hen­den Natio­nal­rats­wahl nun doch nicht beschlos­sen wer­den sollte.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Johan­nes Stein­hart
3. Vize-Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2017