Standpunkt – Harald Mayer: ELGA: Daten auf Halde

25.04.2017 | Standpunkt

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Es ist mehr als ein Jahr her, als in den Spitälern in Wien und der Steiermark damit begonnen wurde, ELGA mit Daten zu befüllen. Und so folgen schrittweise alle Spitäler in Österreich – ohne Rücksicht darauf, ob diese riesigen Datenmengen für die Arbeit von uns Spitalsärztinnen und Spitalsärzte einen Benefit bringen.

Diese Datenmassen gleichen einer riesigen Schuhschachtel, die permanent mit Zettel befüllt wird – und wenn man einen speziellen Ausdruck benötigt, muss man sich durch alle vorhandenen Zettel wühlen. Auf ELGA umgelegt heißt das konkret: Keine Rede davon, dass man beispielsweise einen bestimmten Parameter im zeitlichen Verlauf nachverfolgen kann. Bringt man die nötige Geduld auf, bis sich ELGA öffnet – was derzeit durchaus schon einmal bis zu einer Minute dauern kann – findet man aufgrund der jetzigen Datenarchitektur und Speicherung lediglich pdf-Dokumente. Und jetzt ist noch einmal Geduld angesagt, denn: Man muss jedes einzelne Dokument öffnen, um die gewünschten Informationen zu erhalten. Zwar ist eine entsprechende Suchfunktion für die punktgenaue Suche nach Laborwerten etc. zeitnahe in Aussicht gestellt worden. Was für einen Sinn es macht, schon jetzt alle möglichen Informationen in ELGA abzuspeichern, erscheint aber mehr als fragwürdig: Es ist nicht vorgesehen, dass alle bis zu diesem Zeitpunkt eingegebenen Daten auch upgedatet werden. Und es kommt nicht darauf an, möglichst viele Daten einzuspeisen, sondern so, dass man sie punktgenau findet.

Mit einem Ausspruch von Helmut Qualtinger lässt sich das Agieren der in der Politik für ELGA Verantwortlichen am besten beschreiben: „Ich weiß zwar nicht wohin, aber Hauptsache, ich bin schneller dort.“

Wir Spitalsärztinnen und Spitalsärzte wissen – gerade im digitalen Zeitalter – genau, was wir wollen: eine funktionstüchtige, vollständige ELGA, die uns in unserer täglichen Arbeit unterstützt und uns lückenlos Auskunft gibt über medizinisch relevante Informationen eines Patienten.

Die Pikanterie bei dem Ganzen: Wir Ärzte wissen nicht, welche Daten der Patient freigibt – und welche er wohlweislich verschweigt. Für ELGA muss gelten: alles oder nichts. Entweder werden von einem Patienten alle relevanten medizinischen Daten gespeichert oder gar nichts. Hier stellt sich schon die Frage, inwiefern man sich als Arzt tatsächlich auf diese Daten verlassen kann – abgesehen von Haftungsfragen, weil Daten unvollständig sind oder waren. Auch die von der Politik angekündigte Kostendämpfung durch ELGA ist – bislang jedenfalls – nicht eingetreten.

Wieso es bis jetzt nicht zum medizinischen Super-GAU gekommen ist, lässt sich ganz einfach erklären: Wir Spitalsärztinnen und Spitalsärzte brauchen ELGA so nicht. Und ELGA unterstützt uns in der vorliegenden Form auch nicht. Im Gegenteil: Sie nimmt uns die Zeit, die wir lieber für die medizinische Behandlung und das Gespräch mit dem Patienten aufwenden. Wir sind Ärzte geworden, um Menschen zu helfen und möchten ihnen beim Reden auch ins Gesicht schauen – und nicht auf PC-Bildschirme starren.

Harald Mayer
2. Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2017