Stand­punkt – Präs. Tho­mas Sze­ke­res: Kern­thema Gesundheit

25.11.2017 | Standpunkt

© Bernhard Noll

Man­che Dinge kann man ein­fach gar nicht oft genug wie­der­ho­len – und wenn es nur darum geht, sie im Bewusst­sein zu hal­ten und damit die Wich­tig­keit der­sel­ben zu unter­strei­chen. So wie es der­zeit aus­sieht, könn­ten sich die aktu­el­len Koali­ti­ons­ver­hand­ler rasch in die Ziel­ge­rade bege­ben; ein Grund mehr, dass wir Ärz­tin­nen und Ärzte – ein­mal mehr – das Thema Gesund­heit in den Mit­tel­punkt der Auf­merk­sam­keit rücken, nach­dem es ja im Wahl­kampf kaum the­ma­ti­siert wurde.

Schon bei mei­nem Amts­an­tritt als ÖÄK-Prä­si­dent im Juni die­ses Jah­res habe ich klar­ge­macht, wel­che Schwer­punkte ich in der Gesund­heits- und Stan­des­po­li­tik in den nächs­ten fünf Jah­ren set­zen möchte. Jeder künf­ti­gen Regie­rung ist drin­gend anzu­ra­ten – nicht zuletzt in Anleh­nung an unsere aktu­elle Kam­pa­gne „Ohne Ärzte geht’s nicht“ – die Exper­tise von Ärz­tin­nen und Ärz­ten ein­zu­ho­len und auch ent­spre­chend zu berücksichtigen. 

Die völ­lig uner­klär­li­che Kop­pe­lung der Gesund­heits­aus­ga­ben an das BIP ist sofort zu been­den. Gesund­heit und auch Krank­heit von Men­schen ori­en­tie­ren sich weder am BIP, noch las­sen sie sich daran mes­sen oder gar davon posi­tiv beein­flus­sen. Alle Men­schen sol­len im Krank­heits­fall die­je­nige medi­zi­ni­sche Betreu­ung erhal­ten, die not­wen­dig ist.

Ärz­tin­nen und Ärzte sol­len – als Ange­hö­rige eines freien Berufs – selbst dar­über ent­schei­den, ob, in wel­cher Form und mit wem sie zusam­men­ar­bei­ten wol­len. Das vor dem Som­mer über­falls­ar­tig beschlos­sene PVE-Gesetz muss drin­gend pra­xis­taug­lich gemacht wer­den – so fehlt etwa die Mög­lich­keit der Anstel­lung von Arzt bei Arzt und es muss auch ein unbe­fris­te­tes Rück­kehr­recht in den frü­he­ren Ein­zel­ver­trag geben. Ganz grund­sätz­lich ist jedoch einen finan­zi­elle Auf­sto­ckung des nie­der­ge­las­se­nen Bereichs not­wen­dig. Will man Ärzte für eine Tätig­keit in die­sem Bereich gewin­nen, muss man auch dafür sor­gen, dass die Aus­bil­dung dem­entspre­chend erfolgt und end­lich die Finan­zie­rung für die in der Aus­bil­dung ver­pflich­tend vor­ge­se­hene Lehr­pra­xis sicher­ge­stellt ist.

Was den Spi­tals­be­reich anlangt, so for­dert die ÖÄK eine wir­kungs­volle Ent­las­tung der Ambu­lan­zen – durch gezielte Auf­klä­rungs­maß­nah­men und Steue­rungs­maß­nah­men, um hier den Zustrom nach­hal­tig zu brem­sen. Wer sich als Pati­ent selbst in eine Spi­tals­am­bu­lanz zuweist – außer­halb der Ver­sor­gungs­ebene – soll dafür eine gewisse Gebühr ent­rich­ten. Die Ein­hal­tung des KA-AZG in der aktu­ell gül­ti­gen Form, für des­sen Umset­zung wir jah­re­lang ein­ge­tre­ten sind, ist für uns eine Selbstverständlichkeit.

Woran es im nie­der­ge­las­se­nen wie im ange­stell­ten Bereich glei­cher­ma­ßen krankt, ist die über­bor­dende Büro­kra­tie, die Ärz­tin­nen und Ärzte viel­fach zu Ver­wal­tern des Sys­tems macht, anstelle ihrer eigent­li­chen ärzt­li­chen Tätig­keit nach­ge­hen zu können.

Im Gesund­heits­we­sen ganz gene­rell ist Sub­si­dia­ri­tät ein gro­ßes Thema: Regio­nal und dezen­tral fal­len Ent­schei­dun­gen situa­tions- und bedarfs­an­ge­passt. Das ermög­licht einer­seits einen Wett­be­werb der Anbie­ter, bie­tet gleich­zei­tig die Chance zur Wei­ter­ent­wick­lung des Gesund­heits­we­sens in viel­fa­cher Hin­sicht. Die Ein­füh­rung von sinn­vol­len Kenn­grö­ßen für den extra- und intra­mu­ra­len Bereich – nicht nur im Hin­blick auf wirt­schaft­li­che Effi­zi­enz – wird dafür sicher­lich not­wen­dig sein.

Und last but not least: E‑Health und Tele­me­di­zin. Wer tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lun­gen ver­schläft, darf sich nicht wun­dern über Kri­tik an ELGA in der der­zeit vor­lie­gen­den Form – beruht sie doch auf Kon­zep­ten aus dem Jahr 2004, also aus dem digi­ta­len Stein­zeit­al­ter. Ganz abge­se­hen davon, dass zen­trale Fra­gen wie Finan­zie­rung und erfor­der­li­che Über­tra­gungs­in­fra­struk­tur offen sind.

Wer die Ärz­tin­nen und Ärzte nicht auf sei­ner Seite hat, für den wird es schwer – wenn nicht sogar unmög­lich – geplante Initia­ti­ven und Ände­run­gen in unse­rem Gesund­heits­sys­tem, die zwei­fel­los not­wen­dig sind, auf den Weg zu bringen.

a.o. Univ.-Prof. Tho­mas Sze­ke­res
Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 22 /​25.11.2017