Standpunkt – 2. Vize-Präs. Johannes Steinhart: Der Grund für die Misere

10.10.2017 | Standpunkt

© Bernhard Noll

Ja, es ist erfreulich, wenn sich nahezualle politischen Parteien zum Hausarzt bekennen, ihn stärken und erhalten und fördern wollen, wie das im aktuellen Wahlkampf von vielen politischen Parteien betont wird. Nur: Das hören wir Ärztinnen und Ärzteschon seit Jahren. Die entsprechenden Ansagen und Aussagen dazu finden sich in allen Wahlprogrammen der letzten Regierungen. Doch den großartigen Ankündigungen sind – meist– keine Taten gefolgt. Und das ist der Grund für die Misere, in der wir uns jetzt befinden.

Der niedergelassene Bereich wurde in den letzten Jahren sukzessive ausgehungert: Es fehlen finanzielle Ressourcen, es fehlen die längst überfälligen Adaptierungen der Honorarkataloge und es fehlen zeitgemäße Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit, die es unter anderem auch Frauen ermöglichen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.

Wer jetzt glaubt, die Ärztekammer für diesen Missstand verantwortlich machen zu können, irrt. Denn schon im Jahr 2006 hat die ÖÄK erstmals auf die sich abzeichnende Entwicklung aufmerksam gemacht; nämlich dass die Generation der Baby-Boomer in absehbarer Zeit das Pensionsalter erreicht und eine gewaltige Lücke in der Basisversorgung entsteht, wenn nicht konsequent gegengesteuert wird. Nur zur Erinnerung: In den nächsten zehn Jahren gehen rund 60 Prozent der niedergelassenen Allgemeinmediziner in Pension.

All denjenigen, die ihre Hoffnung ausschließlich in die derzeit hochgepriesenen PHCs setzen, sei gesagt: Auch dafür wird man Ärzte brauchen. Davon gibt es allerdings in Österreich immer weniger. Ein Drittel aller Absolventen des Medizinstudiums beginnt gleich überhaupt nicht mit einer ärztlichen Tätigkeit in Österreich. Und was die Allgemeinmedizin anlangt: In Wien sind derzeit 17 junge Kolleginnen und Kollegen in Ausbildung. Das wird nicht reichen, um dann all die offenen Stellen nachzubesetzen – egal ob in der Einzelordination oder im PHC. Mit unserer Kampagne „Ohne Ärzte geht’s nicht“, die wir vor kurzem gestartet haben, wollen wir deshalb bei allen – besonders bei den politisch Verantwortlichen – den Blick auf die Gesundheitsversorgung im laufenden Wahlkampf richten. Und wir fordern, dass hier endlich auch Taten gesetzt werden. Konkret: Der drohende Ärztemangel muss behoben, das Primärversorgungsgesetz repariert werden und wir fordern auch mehr ärztliche Kompetenz in der Politik!

Denn eines ist klar: Gesundheitsversorgung ohne Ärzte wird es nicht geben.

Johannes Steinhart
2. Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2017