Standpunkt – Michael Lang: Zahlenspielereien

10.09.2017 | Standpunkt

© Christian Leopold

Bei all den aktuellen Diskussionen, die derzeit über die Organisation und Struktur des österreichischen Gesundheitswesens laufen, wie über Sinn oder Unsinn von PHC-Zentren, Realität oder Irrealität des Ärztemangels (die Liste ist beliebig erweiterbar), muss man sich immer wieder vor Augen halten, wie es wirklich um die Finanzierung des Gesundheitswesens insgesamt bestellt ist. Immer wieder werden hier – ob bewusst oder unbewusst sei dahingestellt – Falschmeldungen lanciert. Die Kosten für das österreichische Gesundheitssystem sind allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz bei weitem nicht zu hoch, wie das immer wieder gerne behauptet wird, wobei diese Fehlinformation immer mit Sparprogrammen verknüpft wird.

Laut OECD (Stand 2015) liegen die laufenden Gesundheitsausgaben in Österreich bei 10,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, der Schnitt der EU 28 liegt bei 9,9 Prozent. Nur zum Vergleich: Deutschland liegt deutlich darüber mit 11,1 Prozent des BIP; deutlich über dem EUSchnitt liegen auch Schweden, Frankreich, die Niederlande, Schweden, Dänemark und Belgien. Und nur als kleine Zahlenspielerei: Rechnet man die Langzeitpflege heraus, dann sind es in Österreich nur mehr 8,8 Prozent.

In der immer wieder zitierten OECD-Studie, wonach Österreich nach Griechenland die zweithöchste Ärztedichte hat, werden Äpfel mit Birnen verglichen: Denn Österreich bezieht in die Ärztestatistik – im Gegensatz zu anderen Ländern (UK bezieht nur die Ärzte im staatlichen Gesundheitsdienst ein!) – alle Ärzte ein, also auch diejenigen, die sich in Ausbildung befinden. Danach haben wir 5,05 Ärzte pro 1.000. Zieht man nur die Ärzte mit eingetragener Berufsbefugnis zur selbstständigen Berufsausübung heran (jedoch unabhängig von der tatsächlichen Berufsausübung!), dann sind es auf einmal nur mehr 4,32 und – welch Wunder – wir liegen auf einmal im Mittelfeld (!). Wir haben also definitiv andere Ärztezahlen als diejenigen, die in der Öffentlichkeit gerne als Argumentation herangezogen werden. Hier muss man sich schon fragen, aus welchem Interessenswinkel hier argumentiert wird.

Auch bei den Krankenanstalten wird grundsätzlich mit falschen Aussagen argumentiert, weil keine definitive Trennung gemacht wird zwischen dem stationären Bereich und dem durch den stationären Bereich mitbetriebenen ambulanten Bereich.

Wir Spitalsärztinnen und Spitalsärzte betreuen den niedergelassenen Bereich in den Ambulanzen, oder anders formuliert: In den Spitalsambulanzen werden die Planungsdefizite des niedergelassenen Bereiches aufgefangen – auch hier existiert keine Kostenwahrheit.

Wir registrieren in den Spitälern einen vermehrten Zustrom von ambulanten Patienten, der wie gesagt unter anderem auch mit den Defiziten im niedergelassenen Bereich zu tun hat. Erstaunlicherweise werden diese Defizite noch von staatlicher Seite verschärft, ja gezielt geplant. Ein typisches Beispiel dafür ist die Chirurgie in den Regionalen Strukturplänen Gesundheit ambulant: Österreichweit werden hier Kassenplanstellen gestrichen, das heißt die Kassenversorgung durch niedergelassene Chirurgen wird zurückgefahren, was durch die Spitalsambulanzen aufgefangen werden soll. Das ist ja in Wirklichkei  nichts Anderes als Leistungsverschiebung, und damit auch Kostenverschiebung, und noch dazu Kostenverschiebung in einen Bereich, der für diese Versorgung nichtgedacht ist.

Die ÖÄK versteht sich nicht nur als standespolitischer Vertreter der Kolleginnen und Kollegen, sondern als gesundheitspolitisch verantwortlich,weil wir Ärztinnen und Ärzte diejenigen sind, die sich an Fakten halten, weder Fake News produzieren noch alternative Realitäten schaffen, sondern postfaktisch aus der Kenntnis der Daten die realen Fakten auf den Tisch legen.

Vor diesem Hintergrund sind wir bereit, an einem funktionierenden Gesundheitssystem mitzuarbeiten.

Michael Lang
1. Mitglied des Präsidiums und Finanzreferent der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2017