Paper of the Month: Beein­flusst die Methode das Resultat?

25.10.2017 | Service


Ergibt die Ana­lyse von Sicher­heits­klima-Befra­gun­gen beim Ein­satz einer ande­ren Methode ein ande­res Resul­tat? Eine Stu­die hat sich damit auseinandergesetzt.

Der Ein­schät­zung des Sicher­heits­kli­mas durch die Mit­ar­bei­ten­den eines Spi­tals kommt eine wich­tige Bedeu­tung zu. Der Hos­pi­tal Sur­vey on Pati­ent Safety (HSOPS) ist eines der inter­na­tio­nal häu­fig ein­ge­setz­ten Fra­ge­bo­gen-Instru­mente. Der HSOPS beinhal­tet 42 Fra­gen, die 12 ver­schie­de­nen Dimen­sio­nen zuge­ord­net sind wie zum Bei­spiel „Team­work in der Abtei­lung“ oder „Unter­stüt­zung durch die Spi­tal­lei­tung“. Die Fra­gen wer­den auf einer fünf-stu­fi­gen Skala beant­wor­tet, die von „stimme gar nicht zu“ bis „stimme voll zu“ ver­läuft. Für die Aggre­ga­tion der Ant­wor­ten einer Gruppe exis­tie­ren ver­schie­dene Metho­den wie bei­spiels­weise der Durch­schnitt der indi­vi­du­el­len Mit­tel­werte. Basie­rend auf der Aggre­ga­tion kön­nen dann Daten – etwa Dimen­si­ons-Mit­tel­werte zwi­schen Abtei­lun­gen – ver­gli­chen werden.

Giai et al. unter­such­ten die Frage, ob unter­schied­li­che Ver­fah­ren der Aggre­ga­tion der Sicher­heits­klima Daten zu unter­schied­li­chen Ergeb­nis­sen füh­ren (Hos­pi­tal sur­vey on pati­ent safety cul­ture (HSOPS): varia­bi­lity of scoring stra­te­gies; Inter­na­tio­nal Jour­nal for Qua­lity in Health Care 2017). Diese Frage ist wich­tig, da jeder Ver­gleich von agg­re­gier­ten Klima-Daten davon betrof­fen sein kann. Wenn bei­spiels­weise die Aus­sage, ob sich das Klima einer Abtei­lung aus Sicht der Mit­ar­bei­ten­den ver­bes­sert oder ver­schlech­tert hat, stark von der Aus­wer­tungs­me­thode abhängt, sind sol­che Ver­glei­che ohne Nor­mie­rung der Methode zwei­fel­haft. Die Autoren ver­wen­de­ten für ihre Unter­su­chung die Befra­gungs­da­ten der Mit­ar­bei­ter eines gro­ßen fran­zö­si­schen Uni­ver­si­täts­spi­tals mit 14 Abtei­lun­gen (n = 3.978). Sie wen­de­ten drei ver­schie­dene Metho­den an, um die Ant­wor­ten der Mit­ar­bei­ten­den aus­zu­wer­ten: 1) der Anteil der Mit­ar­bei­ten­den, die eine posi­tive Ant­wort gaben, gemit­telt über die Fra­gen einer Dimen­sion. Die­ses Ver­fah­ren beruht auf der Dicho­to­mi­sie­rung der fünf-stu­fi­gen Ant­wort-Skala und gilt als leich­ter inter­pre­tier­bar; 2) der Durch­schnitt der indi­vi­du­el­len arith­me­ti­schen Mit­tel­werte über die Fra­gen einer Dimen­sion; 3) die Summe der indi­vi­du­el­len Ant­wor­ten zu den Fra­gen einer Dimen­sion, gemit­telt über die Indi­vi­duen. Alle Ergeb­nisse wur­den dann auf Pro­zent-Punkte nor­ma­li­siert, um die Werte direkt ver­gleich­bar zu machen. Im zwei­ten Schritt erstell­ten die Autoren anhand der Resul­tate mit­je­der die­ser Metho­den und für jede Dimen­sion eine Rang­liste der Abtei­lun­gen. So erge­ben sich bei­spiels­weise drei Rang­lis­ten für die Dimen­sion „Team­work“, die jeweils die 14 Abtei­lun­gen anfüh­ren. Theo­re­tisch soll­ten alle Metho­den das glei­che Ran­king ergeben.

Die Autoren ana­ly­sier­ten auch, ob die Unter­schiede zwi­schen den Metho­den inner­halb einer Abtei­lung von Bedeu­tung sind: bei­spiels­weise wenn sich die Ver­hält­nisse der Dimen­sio­nen zuein­an­der ver­än­dern. So könnte etwa eine Dimen­sion gegen­über einer zwei­ten Dimen­sion mit der einen Methode deut­lich posi­ti­ver aus­fal­len als mit einer ande­ren. Dies würde die Ablei­tung von Pro­blem­fel­dern in Frage stel­len. Die Autoren zei­gen, dass die Bedeu­tung der Ergeb­nisse erheb­lich und in viel­fäl­ti­ger Hin­sicht von der gewähl­ten Aggre­ga­ti­ons­me­thode abhängt. Methode 1 führt zu grund­sätz­lich höhe­ren Bewer­tun­gen als die ande­ren Ver­fah­ren. So gibt es für die Dimen­sion „Unter­stüt­zung durch die Spi­tal­lei­tung“ für eine Abtei­lung mit Methode 1 einen Wert von 14,6 Pro­zent, mit Methode 3 von 47,5 Pro­zent. Die Unter­schiede zwi­schen den Metho­den fal­len je nach Bewer­tungs-Niveau unter­schied­lich stark aus. Es han­delt sich also nicht um eine ein­fa­che lineare Ver­schie­bung. Die Rang­lis­ten der Abtei­lun­gen unter­schie­den sich erheb­lich zwi­schen den Metho­den. So erzielte eine Abtei­lung mit Methode 1 den Rang 4/​14, mit Methode 2 den Platz 13/​14. Beson­ders große Unter­schiede erge­ben sich zwi­schen Methode 1 und 2 oder 3, was auf die Reduk­tion der Vari­anz durch die Dicho­to­mi­sie­rung in Methode 1 zurück­zu­füh­ren ist. Zwi­schen den Metho­den 1 und 2 gab es im Median 14 abso­lute Rangunterschiede.

Diese Unter­su­chung macht deut­lich, dass die Art der Aus­wer­tung von Sicher­heits­klima-Daten einen erheb­li­chen Ein­fluss auf die Resul­tate und Inter­pre­ta­tion der­sel­ben hat. Beson­ders die Aus­wer­tung als Anteil posi­ti­ver Ant­wor­ten (Dicho­to­mi­sie­rung) ist kri­tisch zu sehen. Zuneh­mend wer­den die Ergeb­nisse von Sicher­heits­klima-Befra­gun­gen für interne Ver­glei­che aber auch für externe Ver­glei­che ein­ge­setzt. Es ist vor­stell­bar, dass die Bewer­tung des Sicher­heits­kli­mas durch die Mit­ar­bei­ten­den – wie in eini­gen Län­dern bereits üblich – öffent­lich publi­ziert wird. Für die Pra­xis heißt das vor allem, dass ein spe­zi­fi­sches Aus­wer­tungs­ver­fah­ren fest­ge­legt und ein Wech­sel ver­mie­den wer­den sollte. Dabei sind die hier vor­ge­stell­ten Erkennt­nisse unbe­dingt zu berücksichtigen.

Prof. Dr. Die­ter Schwapp­ach, MPH, Pati­en­ten­si­cher­heit Schweiz

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 20 /​25.10.2017