CIRSmedical – Fall des Monats: Nichtbeachtung einer bekannten Latexallergie

25.05.2017 | Service

Durch die Verwendung von Latex-Handschuhen bei einer Blutabnahme kommt es bei einer Patientin mit einer Latexallergie – obwohl darauf aufmerksam gemacht wurde – zu einem Zwischenfall. In kurzer Zeit wird sie respiratorisch insuffizient und intubationspflichtig.

Eine Frau in der Altersgruppe zwischen 70 und 80 Jahren wird an einem Wochenende auf einer internistischen Normalstation wegen unklarer Bauchschmerzen und Diarrhoe aufgenommen, berichtet ein Arzt mit mehr als fünf Jahren Berufserfahrung. In der Notfallambulanz des Krankenhauses erfolgte eine chirurgische Begutachtung und Abdomen- CT – Dünndarmenteritis, kein Ileus, Labor unauffällig -> symptomatische Therapie. Am Wochenbeginn durch stationsführenden Arzt Vormittags-Visite: Patientin in gutem Allgemeinzustand, zufrieden. Labor unauffällig, Stuhl geformt. Die Entlassung wurde für den nächsten Tag geplant. Am Nachmittag gibt die Patientin Dyspnoe an ohne AP, wirkt klinisch aber unauffällig, Vitalparameter o.B., eher hyperton mit RR 150 sys. EKG o.B.. Es wird am ehesten davon ausgegangen, dass die Symptome durch den ausgeprägten Meteorismus bedingt sind -> Anordnung für Herz-Enzyme.

Wegen schlechter Venensituation bittet die Pflegeperson den Arzt, Blut abzunehmen. Dieser sticht rechts radial arteriell, da keine Vene zu finden ist und auch arterieller BGA gewünscht wird; er trägt Handschuhe aus der Wandhalterung des Patientenzimmers (Latex-Handschuhe). Während der Abnahme erwähnt der Gatte der Patientin, dass sie eine Latexallergie hat. Der Arzt erhält einen Anruf vom Abteilungsvorstand und nimmt ab, während sich noch die Nadel in der Patientin befindet. Nach Beendigung des kurzen Gesprächs sind die Röhrchen für die Herzenzyme gefüllt, die BGA nicht mehr möglich, da die Nadel vermutlich verrutscht ist. Der Arzt bringt die Röhrchen zum Stützpunkt, denkt nicht mehr an die Latexallergie und nimmt nochmals, mit neuen Handschuhen, wieder nicht Latexfrei, die arteriellen BGA links radial ab. Hier zeigt sich eine leicht reduzierte, aber zufriedenstellende BGA, auskultatorisch ist die Patientin unauffällig mit VA ohne RGs (nach den Blutabnahmen). Wegen Asthma in der Anamnese und Berodual bei Bedarf wird vom Arzt eine Combivent-Inhalation verordnet und die Pflege informiert, die Enzyme abzuwarten und dass derzeit keine bedrohliche Situation vorliegt. Der Arzt geht aus dem Dienst.

Als die Pflegeperson circa 25 Minuten nachher die Inhalation verabreichen will, ist die Patientin massiv dyspnoisch und kaum noch ansprechbar. Pflegeperson zieht sofort die diensthabenden Turnus- und Oberärzte hinzu. Es erfolgt eine systemische Steroid-Adrenalin- und Antihistaminika-Therapie und Verlegung an die abteilungsinterne IMCU. In kurzer Zeit wird die Patientin respiratorisch insuffizient und intubationspflichtig. Die Intubation protrahiert sich, da bei der Patientin ein schwieriger Atemweg vorliegt (sie hatte diesbezüglich einen Ausweis in der Handtasche, aber hatte dies niemandem kommuniziert) und wird durch einen hinzugerufenen Anästhesisten mit Videolaryngoskop durchgeführt. Die Patientin wird trotz Therapie hämodynamisch instabil, Katecholamin-pflichtig und an eine ICU transferiert. Sehr hoher Beatmungsaufwand. Letztlich zeigt sich im CT eine Aspirationspneumonie mit ARDS; eine Pulmonalembolie wird ausgeschlossen. Die Allergie war im Aufnahmestatus dokumentiert und sie hatte ein entsprechendes Armband. Ob wirklich ein kausaler Zusammenhang mit Latex besteht ist nicht klar beziehungsweise ob die Patientin vorher oder erst während der Intubation aspiriert hat. Der Ausgang zum Zeitpunkt der Meldung war noch nicht klar.

Der meldende Arzt sieht die Gründe für dieses Ereignis in der fehlenden expliziten Kommunikation hinsichtlich der Latexallergie bei der Aufnahme innerhalb des Pflegepersonals, der Ärzte und zwischen den beiden Berufsgruppen. Die Patientin war in einem Fünf-Bett-Zimmer untergebracht. Keine Latex-freien Handschuhe im Zimmer. Der Arzt war bei der Blutabnahme abgelenkt und kurz vor Dienstschluss und hat nicht adäquat reagiert. Als besonders ungünstig sieht der meldende Arzt die Tatsache, dass die Latex-Allergie trotz Dokumentation nicht kommuniziert worden ist.

Feedback des CIRS-Teams/Fachkommentar
Allergien sind zwar in den allermeisten Fällen gut sichtbar in der Krankengeschichte vermerkt, werden aber im Routinebetrieb gelegentlich nicht adäquat wahrgenommen (Stress, Personalmangel, …). Derartige Zwischenfälle könnten durch SOPs verhindert werden; in diesem Fall unter anderem durch das Deponieren von Latexfreien Handschuhen am Krankenbett unmittelbar nach der Aufnahme. In Schulungen sollte eindrücklich darauf hingewiesen werden, dass Tätigkeiten wie Blutabnahmen eine hohe Aufmerksamkeit erfordern – und andere Tätigkeiten (hier Telefonat) im Sinne der Patientensicherheit nicht gleichzeitig ausgeführt werden können.
ExpertIn des BIQG

Tipp: www.cirsmedical.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2017