Primärversorgung: Der Hausarzt im Wahlkampf

10.09.2017 | Politik

Der Hausarzt ist plötzlich in aller Munde, nachdem die ÖÄK schon seit Jahren auf den drohenden Hausärztemangel aufmerksam macht und vor Versorgungsengpässen speziell in ländlichen Regionen warnt. Die Aktivitäten der Regierungsparteien spiegeln sich auch in ihren Wahlprogrammen wieder, wo dieses Thema einen zentralen Stellenwert einnimmt.

Mehr junge Menschen sollen den Beruf gerne machen wollen und gut machen können“, so die Absicht von Rendi-Wagner. Laut einem Strategiepapier sind dafür verschiedene Maßnahmen vorgesehen. Schon in der Ausbildung soll mehr Wert auf Praxis gelegt werden; es soll einen neuen Eingangstest geben; an den Universitäten sollen die Lehrstühle für Allgemeinmedizin auf- beziehungsweise ausgebaut werden. Durch eine Evaluierung der Ausbildung will man unter anderem klären, ob ein Facharzt für Allgemeinmedizin
geschaffen werden soll.

Investitionsprogramme für Landärzte

Flexiblere Verträge sowie moderne Arbeitszeitmodelle – Stichworte Job-Sharing und Teilzeit – sollen mehr Ärzte zur Niederlassung bewegen; Anstellungsmöglichkeiten soll es auch für Hausärztegeben. Rendi-Wagner will sich außerdem für eine „faire Abgeltung“ der Leistungen einsetzen: Honorare müssten auf individuelle Erfordernisse eingehen. Auch eine Digitalisierungsoffensive stehauf dem Programm. Für Landärzte soll es gezielte Investitions- und Förderprogramme geben: Sie sollen ohne finanzielles Risiko eine Praxis gründen können. Dafür will man Übergangspraxen der öffentlichen Hand ermöglichen. Sie sollen bei Engpässen oder beim Umstieg vom Wahlarzt zum Vertragsarzt helfen und die Altersteilzeit ermöglichen.

Die geplanten Primärversorgungseinheiten (PVEs) sollen – so der Plan von Rendi-Wagner – die Arbeitsbedingungen der Hausärzte verbessern und mehrZusammenarbeit im Team bringen. Um Ärzte bei der Gründung solcher PVE inrechtlichen, inhaltlich-organisatorischenund finanziellen Fragen zu beraten, startet das Gesundheitsministerium eine „Gründungsinitiative“. Unter anderem soll es Unterstützung bei Fragen der Zusammenarbeit, der Erstellung des Versorgungskonzepts sowie den nötigen Verträgen und Möglichkeiten für Anschubfinanzierungen geben. Diese sollen u.a. aus den 200 Millionen Euro kommen, die bis 2020 für die Primärversorgung zweckgewidmet werden. Bis 2021 sollen neben den zwei bestehendenPilotprojekten in Wien-Mariahilf und Enns 75 weitere PVEs entstehen. Erste Details zur künftigen Gesundheitsversorgung hat auch die ÖVP bereits präsentiert(die ÖÄZ berichtete in der Ausgabe 15/16 vom 15. August 2017). Demnach will die Volkspartei künftig die Hausärzte aufwerten. Das Wahlprogramm siehtnicht nur eine Verbesserung der Rahmenbedingungen vor: Geplant sind etwa auch Landarzt-Stipendien, Hausarzt-Verbände und sogenannte „Virtual Care Rooms“. Mit Stipendien sollen – wie in Deutschland – Studierende finanziell gefördert werden, wenn sie nach der Ausbildungzumindest für eine gewisse Zeit eine Stelle am Land übernehmen. Dafür sollen 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.

Um die Versorgung am Land sicherzustellen, will die ÖVP außerdem Hausarzt- Verbände nach dem Vorbild des Notarzt-Verbandes in Osttirol fördern:Dort deckt ein Ärzteteam ein größeres Gebiet ab. Ähnlich stellt sich die ÖVP das für Hausärzte vor. Zusätzlich sollen Patienten in entlegenen Gebieten ähnlich wie in Schweden in „Virtual Care Rooms“ durch ein Videokonferenz- System mit Ärzten kommunizieren und mit einfachen Geräten zunächst einzelne Tests selbst machen. Mit den geplanten Primärversorgungseinheiten will die ÖVP die Patienten vermehrt in den niedergelassenen Bereich lenken.

Drehscheibe Hausarzt

Laut ÖVP soll der Hausarzt „Dreh- und Angelpunkt des Systems“ sein. Im Entwurf heißt es zum Punkt „medizinische Versorgungssicherheit“ etwa: „Die Bezahlung muss fairer werden und es muss auch die Zeit abgegolten werden,die aufgewendet wird, um den Patienten gut und persönlich zu betreuen.“ Im Gegenzug müssten auch das Service und die Erreichbarkeit von Hausärzten verbessert werden. Außerdem will die ÖVP die Wartezeiten verkürzen und das Auslastungsmanagement verbessern. Missstände wie Gangbetten soll es nicht mehr geben. In der Finanzierung und Steuerung des Gesundheitssystems soll „Grundlegendes“ geändert werden. Details dazu gab es bislang nicht…

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2017