Kassenmedizin in Vorarlberg: Erfolgreiches Job-Sharing

10.05.2017 | Politik

Die Ärztekammer Vorarlberg hat ein erweitertes Job-Sharing-Modell mit den Krankenkassen ausverhandelt. Nimmt ein ursprünglicher Vertragsarzt einen Partner hinzu, kann eine bestehende Vertragsstelle auf bis zu 190 Prozent Kapazität erweitert werden. Die ersten Erfahrungen damit sind – wie sich am Beispiel Kinder- und Jugendpsychiatrie zeigt – gut. Von Wolfgang Wagner

Die Kassenmedizin in Österreich ist teilweise auch durch Engpässe in der Versorgung charakterisiert. Darüber hinaus werden Work-Life-Balance und überschaubare Verpflichtungen vor allem für jüngere Ärzte immer wichtiger. Die Vorarlberger Ärztekammer hat dazu mit den Krankenkassen ein erweitertes Job-Sharing-Modell ausverhandelt und offiziell mit 1. Jänner 2016 etabliert. „Die Erfahrungen sind gut“, sagt dazu Burkhard Walla, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in Vorarlberg.

Hinter dem Modell steht eine ganze Reihe von Überlegungen. „Gedacht ist es beispielsweise für Kassenpraxen, die wir nur schwer nachbesetzen konnten. Dann gibt es unterversorgte Regionen. Nicht jeder Arzt will auch eine volle eigene Praxis betreiben“, so Walla. Deshalb wurde das erweiterte Job-Sharing ausverhandelt. Mit einer grundsätzlichen Befristung auf sechs Jahre kann durch Hereinnahme eines Partners zum ursprünglichen Vertragsarzt eine bestehende Vertragsstelle auf bis zu 190 Prozent Kapazität erweitert werden. Der Partner für die auszumachenden „Budgetanteile“ an der geplanten Kapazität kann frei gewählt werden.

Grundbedingungen

Eine trotz zweimaliger Ausschreibung nicht nachbesetzbare Vertragsarztstelle oder ein vorübergehender und von der Ärztekammer und der Vorarlberger Gebietskrankenkasse gemeinsam konstatierter Versorgungsengpass.

Standesvertretung und VGKK – die Regelung gilt auch für die „kleinen“ Kassen (SVA, BVA, VAEB) – legen die prozentuelle Ausweitung der Kapazität gemeinsam fest. Es können zwischen plus zehn und plus 90 Prozent sein. Notwendig ist auch der Abschluss eines Teil-Einzelvertrages zwischen dem bisherigen Einzelvertrags-Inhaber und der Krankenkasse. Der dazu kommende zweite Arzt schließt ebenfalls eine solche Vereinbarung mit der Krankenkasse ab. Für die Dauer des erweiterten Job- Sharing ruht der vorher bestandene Einzelvertrag. Er lebt wieder auf, wenn die Teil-Regelung beendet wird. Die Partner verpflichten sich, die Mindestordinationszeit um den Faktor der Kapazitätserweiterung anzuheben.

Honorierung erfolgt gesondert

Was in Vorarlberg besonders wichtig ist: Die Erhöhung der Versorgungskapazität durch das Job-Sharing führt nicht dazu, dass die Partner bei der Abrechnung stärker in die degressiven Honorarsätze hineinrutschen. „Das ist sehr wichtig, weil wir in Vorarlberg ja eine Deckelung der Honorare haben“, erklärt Walla. „Die Honorierung für jeden der beiden Teil-Vertragsärzte erfolgt gesondert nach Maßgabe der Honorarordnung. Bei der VGKK werden die Punktewertstaffelungen für jeden Teil- Vertragspartner entsprechend der Vertragsteilung angepasst“, hieß es dazu in der Zeitschrift „Arzt im Ländle“ der Ärztekammer Vorarlberg beim Start des Modells.

An sich wurde die Regelung bereits gut angenommen. Derzeit gibt es drei solche Ordinationen mit erweitertem Job- Sharing; dabei handelt es sich laut dem Kurienobmann sowohl um Facharzt- als auch um Hausarztpraxen. Nicht berührt von diesem Job-Sharing-Modell ist die Übergabe eines Kassenvertrages an einen Nachfolger. Der zweite Partner erwirbt sich keine Rechtsansprüche auf die Nachfolge. Das entsprechende Procedere dafür ist im ASVG geregelt. Diese Regelungen bleiben natürlich in Kraft.

Noch sind die Erfahrungen mit dem Projekt begrenzt, aber es könnte sein, dass sich das erweiterte Job-Sharing in der Kassenmedizin in Vorarlberg besonders gut für „Mangelfächer“ eignet. Das ist – wie in ganz Österreich – beispielsweise die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Hier haben Wolfram Metzger und Susanne Bauer die Chance genutzt. „Wir haben unsere Versorgungskapazität auf 150 Prozent einer Kassenstelle ausgeweitet. Jeder von uns deckt 75 Prozent ab“, berichtet der niedergelassene Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Dornbirn. Ein halbes Jahr arbeiteten Metzger und Bauer gemeinsam in der Ordination des Arztes in Dornbirn. Dann teilten sie im Rahmen des Job-Sharing ihre Arbeit auf zwei Ordinationen auf: Bauer ist jetzt in Nenzing im Bezirk Bludenz tätig.

Erste Erfahrungen positiv

„Das ist ein sehr frauenfreundliches Modell. Neben der Arbeit in der Praxis bin ich auch in der Förderung der Kooperation und in der Vernetzung verschiedener Versorgungseinrichtungen in Vorarlberg engagiert. Außerdem hatte ich den Wunsch, daneben auch noch wissenschaftlich zu arbeiten. Ich bin mit dieser Form der Kooperation über das Job-Sharing sehr zufrieden“, sagte die Fachärztin für Kinder-, Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie. Ähnlich sieht das auch Metzger. „Ich konnte mit dem erweiterten Job-Sharing die Ordinationszeit von 20 Stunden auf 15 Stunden pro Woche reduzieren. Auch ich bin in Vorarlberg noch auf anderer Ebene tätig, vor allem im sozialpsychiatrischen Bereich und zum Beispiel mit Liaisondiensten im Jugendwohnen.“ Speziell in der Kinderund Jugendpsychiatrie zeigt sich auch im „Ländle“, dass der Aufholbedarf in der Kassenmedizin groß ist. „Wir haben einen großen Andrang und Bedarf. Bei einer Bevölkerung von circa 360.000 Einwohnern in Vorarlberg sollte es vier Kassenstellen für Kinder- und Jugendpsychiater geben“, so Metzger. Das erweiterte Job-Sharing sei da eine Möglichkeit, die Kapazitäten auszuweiten und rehabilitative Versorgungsbereiche für Kinder und Jugendliche mit Facharztpraxen zu verzahnen.

Das Modell ist zeitlich begrenzt mit sechs Jahren. Dann kann es beispielsweise zur Gründung einer Erweiterungs- Gruppenpraxis oder zu einer dauerhaften Vertragsteilung kommen. Die in Vorarlberg bereits seit längerem bestehende Möglichkeit zur Teilung einer bestehenden Kassenstelle ohne Ausweitung der Versorgungskapazität ist weiterhin auch möglich.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2017