Ärzt­li­che Haft­pflicht: Unter­ver­si­che­rung: Mak­ler haftet

15.08.2017 | Politik

Da die ärzt­li­che Tätig­keit mit erheb­li­chen Risi­ken ver­bun­den ist, ist für einen Arzt eine aus­rei­chende Haft­pflicht­ver­si­che­rung unab­ding­bar. Dafür neh­men Ärzte häu­fig die Dienste von Ver­si­che­rungs­mak­lern in Anspruch. Von Ste­fan Kofler*

In einem Fall, in dem die Ver­si­che­rungs­de­ckung eines frei­be­ruf­lich täti­gen Arz­tes nicht aus­rei­chend war, hat der Oberste Gerichts­hof nun­mehr den Ver­si­che­rungs­mak­ler zum Scha­den­er­satz verpflichtet.

Die Vor­ge­schichte: Der Arzt war als nie­der­ge­las­se­ner Gynä­ko­loge auch in der Prä­na­tal­dia­gnos­tik tätig. Auf­grund eines wrongful-birth-Fal­les (Geburt eines uner­wünsch­ten behin­der­ten Kin­des) wurde der Arzt gericht­lich von den Kin­des­el­tern belangt und ver­ur­teilt, den Eltern den gesam­ten bis­he­ri­gen und auch künf­ti­gen Unter­halt für das behin­derte Kind zu erset­zen. Der Arzt hatte über sei­nen Ver­si­che­rungs­mak­ler schon im Jahr 2000 eine Haft­pflicht­ver­si­che­rung abge­schlos­sen. Wrongful-birth-Fälle waren mit 400.000 Euro ver­si­chert. Dem Arzt war bekannt, dass auch die Mög­lich­keit für eine höhere Ver­si­che­rung (1,100.000 Euro) bestan­den hätte. 2007 wurde das schwer behin­derte Kind gebo­ren, was zur Haf­tung des Arz­tes gegen­über den Eltern führte.

Knapp vor der Geburt im Jahr 2006 hatte der Oberste Gerichts­hof bei wrongful-birth-Fäl­len die Arzt­haf­tung ver­schärft. Bis dahin war den Eltern immer nur der Mehr­auf­wand, der sich durch die Behin­de­rung im Ver­gleich zu einem gesun­den Kind ergab, als Scha­den­er­satz zuge­spro­chen wor­den. Im Jahr 2006 ent­schied der Oberste Gerichts­hof aber, dass bei einem behin­der­ten Kind der Arzt nicht nur den Mehr­auf­wand, son­dern den gesam­ten Unter­halt für das Kind zu erset­zen hat. Diese Ent­schei­dung war dem Ver­si­che­rungs­mak­ler bekannt. Er hat dies aber nicht zum Anlass genom­men, dem Arzt in den jähr­li­chen Bespre­chun­gen auf­grund des höhe­ren Risi­kos eine höhere Ver­si­che­rungs­summe zu empfehlen.

Arzt klagt Versicherungsmakler

Der Arzt hat den Ver­si­che­rungs­mak­ler geklagt und vor­ge­bracht, die­ser hätte ihn über das nun­mehr höhere Risiko bei wrongful-birth-Fäl­len auf­klä­ren müs­sen. Der Oberste Gerichts­hof hat dem Arzt mit fol­gen­der Begrün­dung Recht gege­ben: Die Haupt­auf­gabe des Ver­si­che­rungs­mak­lers ist es, dem Arzt mit Hilfe sei­ner Kennt­nisse und Erfah­run­gen den best­mög­li­chen Ver­si­che­rungs­schutz zu ver­schaf­fen („Best-Risk-Manage­ment“). Diese Ver­pflich­tung besteht nach Abschluss des Ver­si­che­rungs­ver­tra­ges auch weiterhin.

Von einem Ver­si­che­rungs­mak­ler kann erwar­tet wer­den, über ein­schlä­gige Pro­bleme Bescheid zu wis­sen. Der (auf Ärzte spe­zia­li­sierte) Ver­si­che­rungs­mak­ler musste daher die wrongful-birth-Ent­schei­dung des Obers­ten Gerichts­ho­fes aus dem Jahre 2006, mit dem das Risiko des Arz­tes erhöht wurde, bei der Betreu­ung des Arz­tes berück­sich­ti­gen. Der Ver­si­che­rungs­mak­ler hätte daher den Arzt dar­auf hin­wei­sen müs­sen. Da er dies nicht getan hat, haf­tet er für den Scha­den. Der Ver­si­che­rungs­mak­ler hat daher den Arzt so zu stel­len, als ob die­ser eine Ver­si­che­rung mit der höhe­ren Ver­si­che­rungs­summe abge­schlos­sen hätte. Im Ergeb­nis muss daher der Ver­si­che­rungs­mak­ler die Schä­den der Eltern bis zur mög­li­chen höhe­ren Ver­si­che­rungs­summe erset­zen, sobald die tat­säch­li­che Ver­si­che­rungs­summe des Arz­tes erschöpft ist.

Der Oberste Gerichts­hof sprach auch noch ein mög­li­ches Mit­ver­schul­den des Arz­tes an. Wäre dem Arzt auf­grund der media­len Bericht­erstat­tung die Ent­schei­dung des Obers­ten Gerichts­ho­fes aus dem Jahr 2006 bekannt gewe­sen, dann hätte er den Ver­si­che­rungs­mak­ler dar­auf anspre­chen müs­sen. Wie sich aller­dings her­aus­stellte, lag eine der­ar­tige Kennt­nis beim Arzt nicht vor, sodass es bei der allei­ni­gen Haf­tung des Ver­si­che­rungs­mak­lers blieb.

Ange­merkt sei noch, dass sich die­ser Sach­ver­halt vor Inkraft­tre­ten des § 52 d Ärz­te­ge­setz, der nun­mehr für jeden frei­be­ruf­lich täti­gen Arzt eine ver­pflich­tende Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung mit einer Min­dest­ver­si­che­rungs­summe von zwei Mil­lio­nen Euro vor­sieht, ereignete.


*) Dr. Ste­fan Kof­ler,
Rechts­an­walt bei:
Grei­ter Peg­ger Kof­ler & Part­ner;
6020 Inns­bruck;
E‑Mail: stefan.kofler@lawfirm.at

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 15–16 /​15.08.2017