Ernst Tofe­rer: Vom Anäs­the­sis­ten zum Hausarzt

10.05.2017 | Politik

„Ich fühle mich angekommen“

Die Arbeit als Anäs­the­sist im Inns­bru­cker Kli­ni­kum fand Ernst Tofe­rer gut. Seine jet­zige Tätig­keit als Haus­arzt in Groß­arl fin­det er noch bes­ser – weil sie ihm mehr Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten bie­tet. Von Ursula Jungmeier-Scholz

Ich wollte ein guter Not­arzt wer­den“ – so die Ziel­set­zung von Ernst Tofe­rer wäh­rend sei­nes Medi­zin­stu­di­ums in Graz. Dass er Arzt wer­den wollte, war für ihn schon in jun­gen Jah­ren klar. Sein Vater arbei­tete frei­wil­lig beim Roten Kreuz, und auch der Sohn war beim Jugend­rot­kreuz aktiv. Neben der Affi­ni­tät zum Not­arzt­we­sen spürte Tofe­rer von klein auf auch große Bewun­de­rung für den eige­nen Haus­arzt in Alten­markt im Pon­gau. „Er war ein Vor­bild für mich, weil er alles gemacht hat: Not­fälle ver­sorgt, gegipst, und dazwi­schen Hus­ten und Schnup­fen behan­delt.“ Mehr durch Zufall hat Tofe­rer des­sen Berufs­weg quasi kopiert, denn auch sein Haus­arzt hatte vor der Pra­xis­über­nahme die Aus­bil­dung zum Anäs­the­sis­ten absolviert.

Tria­gie­ren gelernt

Nach dem Stu­di­en­ab­schluss ging Tofe­rer zunächst in den Tur­nus und fand in Schlad­ming im dor­ti­gen Kran­ken­haus der Dia­ko­nis­sen einen Aus­bil­dungs­platz. „Das war eine coole und zugleich for­dernde Zeit“, resü­miert er heute. „Im Nacht­dienst gab es nur einen Tur­nus­arzt für alle Sta­tio­nen. Da habe ich tria­gie­ren gelernt, was ich heute noch gut gebrau­chen kann.“ Nach einer Zwi­schen­sta­tion im LKH Salz­burg über­sie­delte Tofe­rer zur Fach­arzt­aus­bil­dung nach Inns­bruck und wurde dort Anäs­the­sist und Inten­siv­me­di­zi­ner. Wobei ihn die Arbeit auf Inten­siv mehr gereizt hat, denn „als Anäs­the­sist bist du nur Dienst­leis­ter für andere – da fehlt mir der eigen­stän­dige dia­gnos­ti­sche Part“. Gleich nach dem Ende der Aus­bil­dung wurde eine Stelle an der Abtei­lung frei und Tofe­rer konnte am Kli­ni­kum blei­ben. „Eigent­lich wäre es per­fekt gewe­sen“, urteilt er über seine Inns­bru­cker Zeit. „Aber ich bin defi­ni­tiv kein Kran­ken­haus­arzt.“ Keine Ver­bit­te­rung, aber viel Ambi­va­lenz ist zu spü­ren, wenn Tofe­rer über seine dama­lige Tätig­keit als Kran­ken­haus­arzt spricht.

Kri­tik übt er am büro­kra­ti­schen Sys­tem der Kli­nik: „Wenn ich nur eine Ampulle zur Erwei­te­rung der Not­fall-Aus­rüs­tung brauchte, musste das in zahl­rei­chen Sit­zun­gen abge­han­delt wer­den.“ Mit Begeis­te­rung arbei­tete Tofe­rer in der Lehre – und hat auch gro­ßes Lob für seine Tätig­keit als Schu­lungs­arzt beim Roten Kreuz Inns­bruck erhal­ten –, aber auch hier war ein Wer­muts­trop­fen dabei: „Um die Ler­nen­den mög­lichst viele Erfah­run­gen machen zu las­sen, war ich selbst zu wenig manu­ell tätig.“ Seine jet­zige Auf­gabe als Haus­arzt in Groß­arl, die er heuer im Som­mer nach einer kur­zen Phase in Ver­tre­tungs­tä­tig­keit sehr spon­tan ange­tre­ten hat, ver­läuft deut­lich anders. Nun macht er alles selbst – unter­stützt von drei Ordinationshilfen.

So eigen­stän­dig hätte er auch in der Kli­nik gerne agiert, doch dort war der Usus ein ande­rer. „Wenn ein Pati­ent der Inter­nen Abtei­lung Ohren­schmer­zen hatte, gab es nicht ein­mal ein Oto­skop zur Dia­gnose, da wurde auf die HNO über­wie­sen.“ Als Haus­arzt deckt Tofe­rer nun „ein brei­tes Fach“ ab, was er beson­ders schätzt. Die absol­vierte Fach­arzt­aus­bil­dung emp­fin­det er dabei als sehr hilf­reich: „90 Pro­zent der Pati­en­ten brau­chen nur eine kleine Hilfe von ihrem Haus­arzt. Aber bei einem am Tag ist eine akute Inter­ven­tion von­nö­ten. Die Kunst ist es, die­sen einen aus der Fülle der Pati­en­ten her­aus­zu­fil­tern.“ Dabei pro­fi­tiert er von sei­ner reich­hal­ti­gen Erfah­rung als Intensivmediziner.

Viele Dienste, mehr Privatleben

Die Gefahr, dass die­ser eine in der Masse unter­geht, ist durch­aus gege­ben. Denn im Schnitt ver­zeich­net Tofe­rer pro Tag gut 50 Pati­en­ten­kon­takte, an Spit­zen­ta­gen auch schon ein­mal 80. Im Win­ter rech­net er mit einer durch­ge­hen­den Arbeits­spitze, weil in Groß­arl dann nicht nur die 5.000 Ein­woh­ner einen Arzt brau­chen, son­dern auch bis zu 5.000 Gäste und 1.200 Sai­son­be­schäf­tigte. Auf der­ar­tige Fall­zah­len ist er im Kran­ken­haus bei wei­tem nicht gekom­men, trotz­dem emp­fin­det er die Arbeits­last als gesun­ken. Und das, obwohl 14 Nacht­dienste im Monat Stan­dard sind und es kei­nen klas­si­schen Dienst­schluss mehr gibt. Aller­dings gestal­tet sich Tofe­rers Art der Bereit­schaft nun anders: „In der Kli­nik hat­ten wir für den Nacht­dienst eine Couch in einem Arbeits­raum direkt neben den Com­pu­tern. Jetzt schlafe ich in mei­nem eige­nen Bett oder ver­bringe die Zeit ein­fach pri­vat, bis ich zu einem Pati­en­ten geru­fen werde.“ Da Tofe­rers Woh­nung direkt über der Ordi­na­tion liegt, beläuft sich sein „Arbeits­weg“ nur auf zehn Sekun­den. „Und die Men­schen im Ort wis­sen, dass ich viel arbeite – und kon­tak­tie­ren mich nachts wirk­lich nur im Notfall.“

Tofe­rer fährt auch ganz tra­di­tio­nell auf Visite zu ent­le­ge­nen Berg­bau­ern­hö­fen. „Das gehört für mich dazu, denn sonst blei­ben diese Men­schen unver­sorgt.“ Finan­zi­ell rech­net sich das nicht, aber ins­ge­samt ist Tofe­rer mit sei­nem Ein­kom­men zufrie­den. „Wir Land­ärzte ver­kau­fen ein sta­bi­les Pro­dukt – krank wer­den die Men­schen immer …“ Was ihn manch­mal schmerzt ist, dass er als All­ge­mein­me­di­zi­ner – mit Aus­nahme der Intu­ba­tion – keine sei­ner Fach­arzt-Leis­tun­gen ent­spre­chend abrech­nen kann. „Diese Bestim­mung gehört geän­dert“, for­dert er.

Bereut hat er sei­nen beruf­li­chen Umstieg im ers­ten hal­ben Jahr noch nicht. Es ist ihm aber wich­tig zu beto­nen, dass er nicht aus Frus­tra­tion das Kran­ken­haus ver­las­sen hat, son­dern dass es die Freude an sei­ner Ver­tre­tungs­tä­tig­keit als Haus­arzt war, die ihn zum Wech­sel moti­viert hat: „Ich treffe nun meine Ent­schei­dun­gen selbst, kann viel pati­en­ten­ori­en­tier­ter arbei­ten als im Spi­tal und habe län­ger­fris­ti­gen Kon­takt zu den Men­schen. Ins­ge­samt ist meine Arbeit viel­fäl­ti­ger und auch nicht so an einen Ort gebun­den. Am Nach­mit­tag mache ich Visi­ten in den Ber­gen und emp­finde auch das als eine Form von Freiheit.“

Gleich nach dem Tur­nus, so Tofe­rers Fazit, wäre es aller­dings noch zu früh gewe­sen, eigen­stän­dig eine Pra­xis zu über­neh­men. Da sei sein medi­zi­ni­scher Hori­zont noch zu eng gewe­sen, meint er heute. „Aber jetzt fühle ich mich angekommen.“

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 9 /​10.05.2017