Spitalsärzte: ELGA ja, aber …

10.04.2017 | Politik

Eine elektronische Gesundheitsakte macht Sinn – wenn sie vollständig ist und so funktioniert, dass Spitalsärztinnen und Spitalsärzte bei ihrer täglichen Arbeit unterstützt werden. Das sind einige der noch offenen Punkte, auf die Harald Mayer, Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte in der ÖÄK, kürzlich bei einer Pressekonferenz in Wien aufmerksam machte. Von Agnes M. Mühlgassner

Derzeit sieht es ja völlig anders aus. Zwar werden seit Jänner 2015 – beginnend mit Wien und der Steiermark – in den Spitälern in ganz Österreich jede Menge Daten in das „System ELGA“ hineingeschaufelt; wenn es allerdings um das Wiederfinden von konkreten Informationen geht, wird es problematisch. Das beginnt schon damit, dass es beispielsweise in Oberösterreich real time gestoppte 20 bis 45 Sekunden dauert, bis sich die jeweilige elektronische Gesundheitsakte öffnet – vorausgesetzt, man war schon vorher im System angemeldet. Noch mehr Zeit und Geduld muss man aufbringen, wenn man sich auf die Suche nach dem zeitlichen Verlauf eines einzelnen Werts – etwa des Blutzuckers – macht. Da derzeit zumeist nur pdf-Dokumente eingespeist werden, die bei der Suche – wegen der derzeitigen Datenarchitekur von ELGA – nur wieder als pdf am Bildschirm erscheinen, muss man jedes einzelne Dokument anklicken und bis zum gesuchten Wert durchscrollen. „Jetzt stellen Sie sich einmal vor, was das bedeutet: das mal 100 in einer Ambulanz“, sagt Mayer. „Das ist mehr als Ressourcenverschwendung.“

Zugang aufwändig

Nicht genug, dass der Zugang für Spitalsärztinnen und Spitalsärzte derzeit einfach noch viel zu lang dauert und noch dazu aufwändig ist, sieht Mayer ein weiteres, wenn nicht sogar größeres Manko: „Die Daten sind leider nicht vollständig.“ So könne man sich zwar mitunter auch nicht im Gespräch darauf verlassen, dass ein Patient Angaben über jedes Medikament und jede Diagnose – etwa aus dem psychiatrischen Bereich – mache. Wenn in ELGA jedoch wichtige Informationen ausgeblendet sind – wie das die Patienten derzeit machen können –, stelle sich für ihn, Mayer, schon die Frage, wie sehr man sich als Arzt auf die Informationen dieser elektronischen Gesundheitsakte verlassen könne – jetzt einmal ganz abgesehen von der rechtlichen Problematik der Haftung. Nach Ansicht des Bundeskurienobmanns gibt es hier nur eine Lösung: „Entweder man gibt alle Daten an oder man steigt komplett aus ELGA aus.“ Dass Ärztinnen und Ärzte nur ein selektives Gut an Patientendaten zur Verfügung gestellt werde, „geht gar nicht“, so Mayer.

Eine entsprechende Suchfunktion für die punktgenaue Suche nach Laborwerten etc. ist zwar für 2018 in Aussicht gestellt worden; alle bis dahin als pdf-Dokumente eingegebenen Daten werden auch nicht upgegradet. Wieso gab und gibt es keinen Aufschrei der Spitalsärzte? „Weil wir ELGA noch nicht brauchen“, antwortet Mayer. Wenn dieses elektronische Hilfsmittel – wie es gerne bezeichnet wird – also tatsächlich ein Hilfsmittel sein soll, sind einige Adaptierungen erforderlich. „Wir sind derzeit weit weg davon, dass uns diese Elektronik helfen kann. Sie nimmt uns die Zeit weg, die wir gerne wieder hätten für die Patienten, für die Behandlung und für das Gespräch“, betont der Bundeskurienobmann. Die offenen Fragen rund um ELGA – rechtliche Aspekte, die Kosten, die Geschwindigkeit (Details siehe Kasten) – müssten rasch geklärt werden.

Mayer bekräftigt, dass man einer elektronischen Gesundheitsakte grundsätzlich positiv gegenüberstehe: „Wir wollen eine verlässliche elektronische Gesundheitsakte und wir wollen die Gewissheit, dass alle Daten eines Patienten darin enthalten sind – entweder alles oder nichts, sonst macht das keinen Sinn.“

Forderungen der ÖÄK

  • Usability: höchstmögliche Gebrauchstauglichkeit und Anwenderfreundlichkeit erforderlich. ELGA muss in die Krankenhaus-Informationssysteme so integriert werden, dass ELGA im Hintergrund läuft und sämtliche Abläufe dadurch keinesfalls verzögert werden.
  • Strukturierte Dokumentenarchitektur beziehungsweise hohe Interoperabilitätsstufe: (EIS 3 Full Support samt Freitextmöglichkeit; keine (eingescannten) pdf-Dokumente). Damit ist eventuell die Anpassung/Neuaufsetzung der EDV-Systeme/Integration ins KIS verbunden; auf Datenqualität und Aktualität achten.
  • Systematische, punktgenaue und vor allem effektive Suchfunktionen zur Recherche von medizinischen Inhalten in Dokumenten. Möglichkeit von Suchanfragen über Schlüsselwörter mit einer nach Relevanz geordneten Trefferliste (zum Beispiel spezielle Suchfunktionen nach Diagnose, Medikamenten, Laborwerten und einzelnen Parametern; Filtern von Suchergebnissen und die Darstellung der Resultate nach Relevanz gewichtet). Ein „Mehr“ an Informationen soll „Mehr“ an Qualität bringen. Genaue Anforderungen zu diesem Thema wurden in einer Arbeitsgruppe „ELGA Suchfunktion“ unter Beteiligung der ÖÄK erarbeitet. Dabei wurden von der Ärztekammer Forderungen aufgestellt, die auch von der ELGA-GmbH als sinnvoll akzeptiert wurden. Für die Umsetzung muss die ELGA-Architektur geändert werden.
  • Datensicherheit/Datenschutz und Aufbau einer entsprechenden Informations- und Ablaufstruktur – verbunden mit klaren Verantwortlichkeiten (Vertraulichkeit/Verfügbarkeit/Zugriffsberechtigung)
  • Nutzungsbedingungen klären: Strukturierung der Arbeitsabläufe und Herstellung der entsprechenden IT-Sicherheit – insbesondere bei Nutzung eines PCs durch mehrere Ärztinnen und Ärzte. Benutzerfreundliche Arbeitsumgebungen für Spitalsärztinnen und Spitalsärzte. Sicherstellung – vor allem bei verpflichtender Verwendung -, dass ausschließlich jene Einsicht nehmen, die die notwendige Information benötigen.
  • Datenvollständigkeit und Aktualität: Damit hängt auch die Frage zusammen, wer für nicht aktuelle, nicht vollständige, nicht verfügbare und falsche Daten haftet.
  • Aufrechterhaltung der vollständigen Dokumentation in der Krankenanstalt bei gleichzeitiger Möglichkeit der Ausblendung des Entlassungsbriefs beziehungsweise von bestimmten Teilen des Entlassungsbriefs.
  • Dokumentationsassistenten

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2017